Heimatdank an ein Vorbild
Philipp Freiherr von Boeselager – erster Ehrenbürger des Kreises Ahrweiler –
ein Regionalereignis mit nationaler Bedeutung
Die Redaktion hat Professor Dr. Antonius John gebeten, seine Eindrücke von der Verleihung der Ehrenbürgerwürde des Landkreises Ahrweiler an Philipp Freiherr von Boeselager am 15. Juni 2005 in Bad Neuenahr zu beschreiben. Professor John ist seit vielen Jahrzehnten ein Weggefährte des Geehrten und sein Biograph. Die beiden Männer begegneten sich erstmals 1942 an der Ostfront als Angehörige der Wehrmacht. (Die Redaktion)
Erstmals in der Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz hat am 15. Juni 2005 ein Landkreis an einen verdienten Bürger die Ehrenbürgerwürde verliehen. Der Landkreis Ahrweiler hat an diesem Tag Philipp Freiherr von Boeselager im Are-Gymnasium in Bad Neuenahr mit der Ehrenbürgerwürde des Kreises ausgezeichnet. Das Ungewöhnliche erklärt sich aus der Person des Geehrten, der als Bürger des Landkreises Ahrweiler mit diesem eng verbunden ist in mutigen Worten und helfenden Taten, so u. a. in der Kommunalpolitik, dem Eifelverein, dem Kreis-Waldbauverein, dessen Vorsitzender er bis heute ist.
Hier wurde eine regionale Zeremonie zu einem nationalen Ereignis, weil sie die Ehrung eines Mannes vorsah, der in schicksalhafter Stunde in der ersten Reihe derer stand, die unter Einsatz des Lebens, unser Land von der Gewaltherrschaft Hitlers befreien wollten – und das mindestens zweimal.
Mit seinen vielfältigen privaten und öffentlichen Handlungen hat er sich nicht nur Verdienste um den Landkreis Ahrweiler erworben, sondern gleichzeitig Marksteine beim Aufbau der Bundesrepublik gesetzt. Erinnert sei hier nur an seine Mitarbeit beim Aufbau der Bundeswehr, an die Auswahl der Bewerber für die hohen Führungschargen, seine Führungspositionen im Malteserorden und im Verband der deutschen Waldbesitzer.
Vor allem ist er zu einer bedeutenden Persönlichkeit der deutschen Zeitgeschichte geworden, als er in den innersten Kreis der militärischen Verschwörer eintrat. Heute ist er der letzte Überlebende dieser Widerstandsgruppe des 20. Juli 1944 um den General Henning von Tresckow. All dies wurde im Festakt am 15. Juni 2005 von Landrat Dr. Jürgen Pföhler bei der Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Baron Boeselager herausgestellt.
Ein militärischer Sonderfall
Es bestand reichlich Anlass des bei der Ehrung 87 Jahre alten ehemaligen Regimentskommandeurs in der berühmten 3. Kavalleriebrigade, die unter dem Namen Boeselagerbrigade bekannt war, und die sein älterer Bruder Georg – gefallen 1944 – mit ihm ins Leben gerufen hatte. Sie hatte an der Ostfront einen geradezu legendären Ruf.
Die Brigade hatte zunächst im Zweiten Weltkrieg den Auftrag, spezielle Operationen besonders schwieriger Art an der Front durchzuführen. Dadurch war sie auch strukturiert, um am Tag der Erhebung gegen Hitler, den wahrscheinlich entscheidenden militärischen Schlag zu führen.
Diese Doppelfunktion und deren besonders komplizierte Durchführung forderte Führungsinitiativen, für die nur wenige Offiziere in der Armee die Voraussetzungen mitbrachten.
Als meine Einheit im Sommer 1944 der Boeselager-Brigade unterstellt wurde, konnte ich erleben, welche hohen moralischen Werte für diese Truppe noch immer unverbrüchlich waren. Dieses Faktum lässt die heute noch lebenden Boeselagersoldaten erhobenen Hauptes an jene Zeit zurückdenken, weil hier Menschlichkeit, Ritterlichkeit und Ehrlichkeit immer die Handlungs- und Verhaltensprinzipien waren und blieben – selbst in den schwersten Kämpfen.
Paris – Kreis Ahrweiler
Würdigung in zweifacher Ehrung
Wir wollen darauf verzichten, die militärischen Leistungen der Brüder Boeselager nachzuzeichnen. Hier geht es vornehmlich um die Ehrung Philipp von Boeselagers im Ahrkreis.
Boeselager ist in den zurückliegenden Jahren im In- und Ausland oft geehrt worden. Was ist nun das Besondere der Ehrung durch den Kreis Ahrweiler? Der einstimmig vom Kreistag des Landkreises Ahrweiler beschlossenen Ehrung kommt ein besonderes Gewicht zu. Sie ist ein herausragendes Geschichtsdatum im Landkreis, aber auch eine einmalige Denkwürdigkeit für den Geehrten.
Hierfür gibt es mehrere Gründe. Einer ergibt sich daraus, dass der Kreis Ahrweiler bei der Ehrung sein Gegenstück hatte und dass beide zusammengehören. Im Jahre 2004 hatte der französische Staatspräsident Chirac den deutschen hochdekorierten Offizier und Widerstandskämpfer nach Paris eingeladen, um ihn mit dem Titel „Officier dans l’Ordre de la Légion d’Honneur“ auszuzeichnen. Damit ist Baron Boeselager Offizier der französischen Ehrenlegion. Das hört sich für nach 1945 geborene Bürger „interessant“ an, war aber für meine und die vorausgegangenen Generationen fast unvorstellbar, ja sensationell: Da wurde ein ehemaliger deutscher Offizier, ein „Erbfeind“ in das Heiligtum der „Grande Nation“ gerufen, um ihm die höchste Ehre zu erweisen, die Frankreich zu vergeben hat. Aber das war noch nicht alles. Noch nie zuvor hatte ein deutscher Offizier im Mittelpunkt des Flammenrituals am Grabmal des Unbekannten Soldaten gestanden. Aber an jenem 29. Januar 2004 geschah es. Dabei tat ein französischer General den Gästen kund, dass man künftig auch hier der gefallenen deutschen Soldaten gedenken werde.
Wer damals Zeuge dieses außergewöhnlichen Vorgangs war, konnte sich der Tiefe dieses Erlebnisses nicht entziehen. Da paarte sich für die Deutschen ein stiller Stolz mit einer Art patriotischer Rührung, die sich nur schwer unterdrücken ließ.
Da wurde der Feind von gestern in dieser Weltmetropole, die sich in ihrem Selbstverständnis als mondiale Hauptstadt verstand, vor aller Welt auf den Schild gehoben. Die alten Widerstandskämpfer salutierten. Vielleicht war das der Höhepunkt des öffentlichen Lebens des Barons von Boeselager aus Kreuzberg an der Ahr!
Und jetzt die Ehrung des Kreises Ahrweiler! Das war das Gegenstück zu Paris: Dort die große weite Welt und hier die Rückkehr zu den Wurzeln. Die rheinische Heimat meldete sich mit ihrer Urwüchsigkeit, dem Elementaren und dem Ausgang für alles, was später kam. Das mag für manche seicht und pseudo-romantisch klingen. Genau das war es aber nicht, sondern hier offenbarte sich tragende Substanz. Um das zu begreifen, muss man es wahrscheinlich selbst erlebt haben.
Es geht hier nicht um Einzelheiten, um auftauchende Bilder der Vergangenheit. Hier geht es nur um die Öffnung eines Fensters, das uns das Zusammentreffen des Großen, Hohen und Fernen mit dem Nahen, Einfachen, dem Ursprünglichen erkennen lässt als sinnvolle Bewegung im kleinen persönlichen Kosmos.
Freiherr Philipp von Boeselager (r.) erhält die Urkunde zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde von Landrat Dr. Jürgen Pföhler. |
Das Erlebnis in Bad Neuenahr-Ahrweiler ließ davon sehr viel zurück. Der Blick durch dieses geöffnete Fenster kann aber zu einer Kraftquelle werden, um die Lasten, die uns aufgebürdet sind und die der langen Schatten aus dem Krieg immer wieder heranbringt, besser tragen zu können. Das mag nur für einen kleinen Kreis der Versammelten gelten. Der weitaus größere Teil der 700 Festgäste – darunter viele Schülerinnen und Schüler –hat dies aber auch ahnend aufgenommen. Das Gespür der großen Heimkehr, war letztlich nicht nur spürbar, sondern wurde Gegenwart. Heimkehr war es, was sich hier abzeichnete in unterschiedlicher Intensität. Es lässt sich schwer artikulieren, was sich hinter dem Vordergründigen abspielte. Aber auch die Jüngeren werden verstehen: Alle Soldaten wollen einmal heimkommen. Manchen bleibt der Weg versperrt, andere finden ihn nicht. Die anderen, die heimfinden, wissen aber fortan was Glück ist.
Bei den Vorbereitungen zu diesem Beitrag wurde ich nach meinen Eindrücken von der Boeselager-Ehrung gefragt. Dabei wurde mehr als ein Tagungsprotokoll erwartet. Ich habe dieses versucht.
Wenn zuvor viel Emotionales angedeutet wurde, so soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass bei allem, was hier ablief, die Gefühle des Zeitzeugen angesprochen sind, ohne dass sie präzisiert wurden, aber immer mitschwangen. Sie gehören zum Gesamtbild des Geschehens.
Kommen wir nun zum Ablauf der Ehrung selbst.
Bescheidenheit und Würde des
Festaktes in Bad Neuenahr-Ahrweiler
Es ehrt den Kreis Ahrweiler als Veranstalter der Zeremonie, dass er nicht der Versuchung erlag, den Glanz von Paris zu kopieren, sondern auf das Eigenständige am Ort abstellte. Das gelang deshalb so gut, weil man dem Geehrten in Bescheidenheit gegenübertrat, die die Würde der Person und des ehrenden Vorgangs deutlich spüren ließ. Da wurde nichts künstlich hochgejubelt. Vielmehr wurde alles so getan, wie es der Persönlichkeit entsprach.
Landrat Dr. Jürgen Pföhler sprach Baron Boeselager mit dem folgenden Satz an: „Der 20. Juli 1944 ist ein Ehrendatum der deutschen Geschichte. Dass es so ist, haben wir Ihnen ganz entscheidend mit zu verdanken.“ Und er fuhr fort: „Sie haben gemeinsam mit anderen Widerstandskämpfern ein großartiges Vermächtnis hinterlassen.“
In diesen klaren und knappen Worten brachte der Landrat des Kreises Ahrweiler hier alles auf den Punkt, wobei die Art und der Stil des Vortragens den schwerwiegenden Inhalt der Worte noch einmal zusätzlich und eindringlich unterstrichen.
Zwei Meter von dem Vortragspult entfernt hatte man die Bronzebüste des Generals Henning von Tresckow, die von dem Kreuzberger Künstler Rudolf Schneider geschaffen wurde, aufgestellt. Er war nicht nur eine der ganz großen Figuren des militärischen Widerstandes. Offiziere und Soldaten haben in dieser Persönlichkeit das Vorbild eines edlen Menschen und hoch qualifizierten Soldaten gesehen.
Tresckow strahlte ein Charisma aus, dem man sich nicht entziehen konnte. Dazu gehörten sein Pflichtbewusstsein, das militärische Talent, ein hoher Bildungsstand, Erfahrungen im zivilen Bereich, geografische und intellektuelle Welterfahrung. Hätte er den 20. Juli 1944 überlebt, hätte er meiner Ansicht nach einer der führenden Männer eines neuen Deutschlands sein können.
Landrat Dr. Jürgen Pföhler (r.) würdigte Freiherrn Philipp von Boeselager bei der Verleihung der
Ehrenbürgerwürde. Auf der Bühne wurde die Porträtbüste des Generals Henning von Tresckow
präsentiert, die der Kreuzberger Künstler Rudolf Schneider geschaffen hat.
Ich kann sehr gut verstehen, dass Boeselager, der diesem Edelmann geistig immer sehr nahe war, ob es sich um das Militärische, die Moral, die Religion, die Kultur oder den Auftrag des Menschen in dieser Welt handelte, in diesem Mann sein Vorbild nicht nur entdeckte, sondern in ihm den großen Wegweiser, der Maßstäbe für die ganze Lebensart setzte, sah.
Die Bundeswehr meldete sich bei dem Festakt in Bad Neuenahr über den Stellvertretenden Inspekteur des Heeres, den General Jürgen Ruwe zu Wort. Er bezeichnete den Widerstand gegen Hitler und gegen den Nationalsozialismus als eine Säule der Tradition der Bundeswehr. Boeselager habe diese in herausragender Weise mitgestaltet. Sein Wirken habe dazu beigetragen, dass die Geschichte des militärischen Widerstandes einen Ehrenplatz gefunden habe.
Neue Akzente durch die junge
Generation
Es waren gerade die Bescheidenheit und der Takt dieser Veranstaltung, die alle Teilnehmer in Erinnerung behalten werden. Sie überzeugte durch Verzicht auf überflüssige Verzierungen und indem man immer zur Sache kam. Das Wagnis der Suche nach dem richtigen Ton war allen voll geglückt.
Der Leistungskurs Geschichte des Are-Gymnasiums Bad Neuenahr trat auf, um sich zum Thema Widerstand zu äußern. Es war nicht zu verkennen, wie sehr sich die jungen Leute in die handelnden Persönlichkeiten und die Handlungen des Widerstands hinein versetzt hatten. Da gab es keine Nachplapperei, sondern Respekt, den das Nacherleben hervorgebracht hatte. Die Schülerinnen und Schüler zitierten engagiert und überzeugend aus Briefen von Widerstandskämpfern, die Opfer der Mordherrschaft Hitlers wurden. Hier wurde nicht irgendein Text angelernt vorgetragen, vielmehr schlug durch, dass die Schüler in die Welt von damals hinabgestiegen waren und das im Ernst des Vortrages einfühlsam umsetzten.
Der Auftritt der Schüler und Schülerinnen war vor allem für die Alten überraschend. Er zeigte Reife mit viel Hoffnung.
Von den rund 700 Teilnehmern des Festaktes waren viele Schüler aus dem Kreis Ahrweiler.
Burg Kreuzberg im Ahrtal: Sitz der Familie von Boeselager
Dabei waren selbstverständlich Politiker des Landes Rheinland-Pfalz, aus dem Kreis Ahrweiler, Vertreter der Kommunen, die Bürgermeister, viele Repräsentanten des öffentlichen Lebens, der Wirtschaft, der Berufsverbände, der Kirchen und der Bundeswehr.
Hier fand also eine „Bürgerversammlung der Region“ statt, um einen Mann zu ehren, der zu allen Zeiten wusste, wo es lang zu gehen hatte. Vielleicht ist es nur eine Spekulation, aber es drängt sich das Bild von der Heimkehr dessen auf, der auszog, und mit großer Leistung zurückgekehrt ist. Das könnte man so gelten lassen, wenn man nicht zu viel Romantik hineinlegt. Die Verleihung der Ehrenbürgerwürde des Kreises Ahrweiler ist das Gegenstück zur Ehrenlegion in Paris.
Rückblende zur historischen Wahrheit
Die Laudatio auf Baron Boeselager wurde von dem ehemaligen Bundesminister Dr. Klaus von Dohnanyi gehalten, dessen Vater als Angehöriger des Auswärtigen Amtes bereits 1938 an einem ersten Versuch zum Sturz Hitlers beteiligt war. Im Zusammenhang mit den Ereignissen des 20. Juli 1944 wurde dieser hingerichtet. Dohnanyi schilderte sehr eindringlich, wie schnell man das Wort „Widerstand“ in den Mund nehmen kann, dieser sich in der Ausübung aber als viel schwerer erweist, als man es zuvor einkalkuliert hat, was er an Erfahrungen seines Vaters erläuterte.
Es war gut und ebenso hilfreich, dass Dohnanyi in seiner Ansprache die Situation der Jahre 1932/33 sehr präzise geschildert hat, wobei er das Denken eines großen Teils der Bevölkerung skizzierte, das heute in der Beurteilung der Ereignisse oft ignoriert oder als simpler Alibi-Versuch heruntergespielt wird.
Die Weimarer Republik war gescheitert, war am Ende. Es herrschte Verzweiflung im Land, vor allem wegen des wirtschaftlichen Desasters. Aber es kam auch eine Stimmung auf, die von Neuem beginnen wollte.
Der „Neuanfang“ durch die Nationalsozialisten erwies sich jedoch als Illusion. Das NS-Regime zeigte schon bald stufenweise seinen verbrecherischen Charakter.
Widerstand war aber nur wenigen möglich.
Dohnanyi führte in seiner Ansprache aus: „Viele junge Menschen wissen heute nicht, wofür man damals den Kopf hinhalten sollte“. Das Risiko des Einsatzes sei unkalkulierbar gewesen für die eigene Person und die ganze Familie. Die „natürliche Antwort sei es gewesen, sich wegzuducken.“
Dies sagte ein Angehöriger einer Familie, deren Name mit dem Begriff des Widerstandes gegen Hitler fundamental verbunden ist. Er wollte damit ausdrücken, dass Widerstand in der Realität immer die Ausnahme gewesen sei.
Erinnerung
Die Feier wurde begleitet von Melodien, die in der Erinnerung von Baron Boeselager deshalb eine besondere Rolle spielen, weil es auch Regiments-Märsche der Kavallerie-Regimenter waren, denen Baron Boeselager angehört hatte. Sie wurden von dem hervorragenden Musikkorps 300 der Bundeswehr unter der Leitung von Major Burkhard Zenglein gespielt.
Baron Boeselager hatte sich das „Niederländische Dankgebet“ als letztes vor der Nationalhymne gewünscht, um damit auch seinen Dank gegenüber dem Herrgott zum Ausdruck zu bringen.
Vor vielen Jahren haben wir uns einmal über die Ereignisse der Zeit von Ende Januar 1933 bis zum Frühsommer des gleichen Jahres unterhalten. Auch in seiner Familie war man der Meinung, dass Deutschland vor einer großen Erneuerung stehe und Hitler unter Kontrolle gehalten werden könne. Jetzt in Bad Neuenahr-Ahrweiler kamen Gedanken auf: Weshalb hatten damals zu wenige bemerkt, dass die Nationalsozialisten ihr erstes großes Täuschungsmanöver in Gang gesetzt und die „Erneuerungsbewegung“ okkupiert hatten.
Der eigentliche Höhepunkt der ganzen Veranstaltung war die kurze, fast militärisch nüchterne Ansprache von Philipp Freiherr von Boeselager. In den Dank für seine persönliche Ehrung bezog er auch die ein, die wegen ihres Widerstandes gegen das NS-Regime sterben mussten.
Er formulierte es so: „Die Ehrenbürgerwürde des Kreises Ahrweiler, die mir verliehen wurde, ist mir auch deswegen Genugtuung, weil sie damit auch meinen toten Freunden aus dem Widerstand öffentlich Ehre zuerkennen.“
An die Laudatio von Dohnanyi anknüpfend zeichnete er noch einmal die Ausnahmesituation, die jeder Widerständler auf sich nehmen musste:
„Jeder, der sich zum aktiven Widerstand entschloss, war damit ins gesellschaftliche und menschliche Abseits gedrängt. Jeder, der sich entschlossen hatte, Hitler zu ermorden, war gezwungen eine Doppelleben zu führen.
Es war die Einsamkeit, die den Widerständler besonders belastete, die zu seiner isolierten und bedrückenden Form seiner Existenz wurde. Diese Isolierung hatte er wohl besonders empfunden bei seinem ersten Attentatsversuch am 13. März 1943, als er und sein Bruder und einige Freunde Hitler mit der Pistole erschießen wollten, durch Feldmarschall Kluge aber im letzten Augenblick daran gehindert wurden. Von seinen damaligen Gewissensbelastungen sprach er nicht. Aber seine Bemerkung, dass eine Entscheidung, den verbrecherischen Diktator zu ermorden nur im Glauben und in der Hoffnung erfolgen konnte, dass sie auch nach ehrlicher Prüfung verantwortbar war. Dieser Satz besagt alles.
Die folgende Stille in der Festversammlung und der Gesichtsausdruck der Teilnehmer zeigten an, mit welcher inneren Anspannung der Ernst des Vortrages und die Andeutung der Tiefe des Gewissenskonfliktes aufgenommen wurden. Jeder musste spüren, dass die letztere vielleicht bedrückender war als die Gefährdung der Durchführung des Attentats selbst.
Symbolisches
Während des Festaktes ließ sich viel Symbolträchtiges in der Musik und deren in historischen Bezügen verspüren. Freilich musste man schon ein gehörig Stück Erfahrung der Zeitgeschichte mitbringen, um dies zu erkennen.
Viele persönlichen Erinnerungen kamen bei mir hoch. Ich empfand tiefen Dank dafür, dass man noch lebt und Wunder darüber, welch großen Bogen das Leben in 60 Jahren zu schlagen vermag.
Damit verbunden hat die aus der eigenen Anschauung erwachsene tiefe Verpflichtung, Kriege mit allen Kräften zu verhindern, einen neuen Impuls erhalten.
Nachbemerkung
Der Leser wird sich vielleicht wundern, dass er statt eines üblichen Veranstaltungsberichtes hier mehr persönliche Aufzeichnungen des Autors über ein auch für ihn selbst wichtiges Ereignis vorfindet. Das hängt damit zusammen, dass Philipp Freiherr von Boeselager seit fast 65 Jahren zunächst als tapferer Offizier, der mit seinem Bruder Georg in der ganzen Armee bekannt war, dann als engagierter Bürger in den verschiedensten Bereichen und schließlich als bekennender Christ stets auf mich einen tiefen Eindruck gemacht hat.
Gedenktafel für Oberst Georg Freiherr von Boeselager in der Burgkapelle von Burg Kreuzberg
Bei der Wehrmacht hat es viele Kameraden und Vorgesetzte gegeben, mit denen ich Freud und Leid geteilt habe. Aber nur zwei unter ihnen wurden mir Vorbild. Der eine ist Philipp Freiherr von Boeselager, der andere mein Kamerad und Hauptmann Friedrich Ruprecht, der für mich einer der besten und tapfersten deutschen Panzeroffiziere war, ein Mann, der trotzdem nicht vergessen hat, was Menschenwürde bedeutet.
Wenn die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg hoch kommt, sind die beiden ganz in der Nähe.
Literatur:
- John, Antonius: Philipp von Boeselager. Freiherr, Verschwörer, Demokrat. Bonn 1994.
- Ders.: 20. Juli 1944.- Das Gewissen steht auf – Philipp Freiherr von Boeselager und der militärische Widerstand. In. Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 1994, S. 56 – 63.
- Ders.: „Der 13. März 1943″.
Bonn 2003.