Handwerk des Kreises Ahrweiler präsentierte seine Vielfalt
Karl Holtz
Vom 15. bis 21. Oktober 1974 wurde in Bad Neuenahr die Leistungsschau des Handwerks des Kreises Ahrweiler durchgeführt. Kreishandwerksmeister Josef Schlagwein, Sinzig-Bad Bodendorf, schrieb dazu im Geleitwort unter dem Motto „Modernes Handwerk“: „Diese Leistungsschau soll allen Besuchern einen Überblick darüber vermitteln, daß es das Handwerk verstanden hat, mit der Zeit zu gehen und sich allen Erfordernissen anzupassen“. Diesem Wort ist die Veranstaltung voll gerecht geworden. Das Echo in der Bevölkerung des Ahrkreises und der Umgebung sowie in Fachkreisen war in Bezug auf Besuch und Bewertung positiv.
Die geschichtliche Entwicklung des Handwerks geht auch in unserer Heimat auf das Mittelalter zurück, als es zum erstenmal als Berufsstand in Erscheinung trat. Mit dem städtischen Bürgerrecht erlangten die Handwerker die persönliche und wirtschaftliche Freiheit und schlössen sich zu Zünften zusammen. Im Zuge der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung zerfielen die Zünfte.
Als in Preußen 1810 die Gewerbefreiheit eingeführt wurde, begann eine neue Entwicklungsperiode des Handwerks. Die 1848 vom Frankfurter Handwerkskongreß der Nationalversammlung vorgelegte Handwerksordnung, die die Meisterprüfung als Voraussetzung für den Betrieb machte, wurde nicht Gesetz. Durch das Innungsgesetz von 1881 war der freiwillige Zusammenschluß zu Innungen möglich. Das Handwerkerschutzgesetz von 1897 brachte erst die Abkehr von der schrankenlosen Gewerbefreiheit, regelte das Ausbildungswesen und verlangte die Errichtung von Handwerkskammern als Organe der Selbstverwaltung. Nach dem ersten Weltkrieg wurde auch im Kreise Ahrweiler der Deutsche Wirtschaftsverband und Innungsausschuß gegründet, die dann 1934 in der Kreishandwerkerschaft mit Pflichtmitgliedschaft „gleichgeschaltet“ wurden. Soweit die geschichtliche Entwicklung in groben Strichen!
Die große wirtschaftliche Bedeutung des Handwerks im Kreise Ahrweiler wird durch die Zahlen der Kreishandwerkerschaft unterstrichen: 811 Betriebe mit 1585 Gesellen und Gesellinnen sowie 570 Lehrlingen. Eine Gliederung der Betriebe, die den 14 Innungen des Kreises Ahrweiler angehören, ergibt folgendes Bild: Bäcker 97, Bauhandwerk 85, Elektro 57, Fleischer 68, Friseure 88, Installateure 42, Maler und Lackierer 84, Metallhandwerk 73, Müller 8, Raumaustatter 16, Schneider 23, Schuhmacher 23, Tischler 110, Heizungsbauer 6 und Zimmerer 13. Darüberhinaus gibt es Handwerkssparten, deren Innungen oder Berufsverbände regional gegliedert sind, beispielsweise die Dachdecker, das Kraftfahrzeughandwerk, die Uhrmacher, Buchdrucker, Fotografen, Edelsteinschleifer, Lithographen und andere, die auch im Ahrkreis Mitglieder haben. Eine Reihe von Berufen, wie Glaser, Schmiede, Stellmacher, Weinküfer, Böttcher sind in andere verwandte Berufsgruppen eingegliedert worden oder ausgestorben. So dürften fast 1150 handwerkliche Betriebe mit 900 Lehrlingen im Kreise Ahrweiler ansässig sein. Das Handwerk stellt also einen beachtlichen Sektor der gewerblichen Wirtschaft dar.
Zurück zum Thema: Leistungsschau! Landrat Dr. Christoph Stollenwerk bezeichnete die Ausstellung als eine „begrüßenswerte Initiative“. Das Handwerk habe sich im Strukturwandel einer sich immer schneller entwickelnden hochindustrialisierten Volkswirtschaft konsolidiert und gestärkt.
Die Leistungsfähigkeit des Handwerks des Ahrkreises wurde auf 2700 qm Zelt- und 1300 qm Freifläche mit 45 Messeständen dargeboten. Die Organisation und rechtliche Vertretung oblag der „Gesellschaft für Ausstellung und Öffentlichkeitsarbeit mbH“, für die die Handwerksmeister Paul Odenkirchen Bad Neuenahr-Ahrweiler und Franz Peter Schärmann, Weibern, als Geschäftsführer bestellt waren. Sie haben zusammen mit dem Ausschuß ihre Arbeit mit sichtlichem Eifer und Verständnis für die Belange einer solchen Ausstellung erfüllt.
Was in dieser Ausstellung geboten wurde, geht konform mit dem, was Johann Wolfgang von Goethe über das Handwerk geschrieben hat: „Aber das Wesen des Handwerks läßt sich nicht lernen wie Latein und Mathematik: Es kann euch nur aufgehen, wenn ihr Vorurteile begrabt und zu Meistern in die Lehre geht. Wenn die Geschicklichkeit eurer Hand durch dauernde .Schulung genau so groß geworden ist, wie die eures Kopfes, dann werdet ihr einsehen, daß ihr den Geist nicht umsonst ausgebildet habt. Keiner braucht so gleichmäßig Geist und Körper wie der Handwerker, bei keinem sonst wird ein solcher Ausgleich von beiden erreicht, eine solche Harmonie in der Arbeit. Allem Leben, allem Tun, aller Kunst muß das Handwerk vorausgehen“.
Fotos: Lorenz
Dieses Wort des großen Dichters ist im Zusammenhang mit den Leistungen der Handwerker unserer Heimat fürwahr keine Übertreibung. Anerkennung und Staunen wurde immer wieder laut, wenn man an den Ständen der verschiedenen Sparten dem Gespräch der Besucher lauschte und als Nichthandwerker, aber als Bürger des Kreises Ahrweiler und ‚Nachbar irgendeines Handwerkers etwas von dem Meister- und Gesellenstolz im eigenen Gemüt verspürte/Das Leistungsangebot und die Qualität der Arbeit, die’in der Öffentlichkeit nicht immer die verdiente Anerkennung finden, wurden hier jedem Besucher deutlich gemacht. Diese Ausstellung war eine notwendige Öffentlichkeitsarbeit, der sich in der modernen Wirtschaft auch das Handwerk zum eigenen Nutzen bedienen muß. In allen Bereichen wurde gezeigt, daß man auch hohen Ansprüchen entsprechen kann.
Daß in der Ausstellung auch die berufsbildenden Schulen im Kreise Ahrweiler zu Wort kamen, war eine wertvolle Bereicherung der Gesamtschau. 57 hauptamtliche und etwa 30 nebenamtliche und nebenberufliche Lehrkräfte sind hier tätig. Meister und Lehrer arbeiten in der Praxis und der Theorie eng ‚zusammen und vermitteln dem jungen Menschen eine: echte Chance für den beruflichen Aufstieg.
Man könnte Seiten füllen mit Berichten über das in der Leistungsschau Gebotene, daß Opas Backstubenidyll einem modernen Backbetrieb mit vielen maschinellen Einrichtungen weichen mußte, daß im Baugewerbe der „Handlanger“ alter Prägung überholt ist und gerade in dieser Sparte die moderne Maschine, der neue Baustoff neue Wege gezeigt haben. Der Maurermeister alten Schlags ist ein vielseitiger Unternehmer geworden. In besonderer Weise hat das Elektro-Handwerk seine Vielseitigkeit vorgestellt und fand starke Beachtung; denn kein Haushalt, kein Betrieb kommt heute ohne Elektrizität mehr aus. Das Fleischerhandwerk, das schon 1921 eine eigene Innung gründete, war nicht wenig stolz auf seine maschinell gut ausgestattete „Metzgerei“ und den picksauberen Verkaufsladen. Das Friseurhandwerk demonstrierte überzeugend durch hohes Können und künstlerische Gestaltungskraft, immer up to date mit dem neuesten, internationalen Haarschnitt und der Haarpflege. Als Komfortspezialisten zeigten sich die Sanitär- und Gas-Installateure. Maler und Lackierer, im Zug der Zeit stark spezialisiert, ließen Farben sprechen, zeigten neuzeitliche Arbeitsgeräte und Materialien und effektvolle Arbeiten.
Einen großen Schritt in der technischen Fortentwicklung hat das Metallhandwerk gemacht. Was hier an Fertigerzeugnissen aus handwerklichem Schaffen gezeigt wurde, war imponierend. Wer an die alten Mühlen mit den schweren Mahlgängen und Wasserrädern denkt, erinnert sich an ein Stück Kulturgeschichte; heute geht es vollautomatisch zu. Schönheitssinn entfalteten die Raumausstatter, ihre Ausstellung war nicht zu übersehen. Die Kunst des totalen Einrichtens überzeugte. Schneider, Schneiderinnen und Schuhmacher verbinden Tradition mit Fortschritt. Beachtlich waren auch die Produkte der Tischler-Innung, vom praktischen Gebrauchsgegenstand bis zur künstlerisch hochwertigen Bildhauerarbeit. Zentralheizungsbauer haben sich der fortgeschrittenen Technik in allen Sparten angepaßt. Der Zimmermann ist zwar der letzte in der alphabetischen Reihenfolge, aber doch nicht der Letzte in der Leistung. Die ausgestellten Modellstücke waren Beweis eines hohen handwerklichen Könnens.
Bereichert wurde die Leistungsschau durch Sonderausstellungen der Blumenbinderei, des Kraftfahrzeughandels und von Steinmetzarbeiten, durch Informationsstände der Krankenkassen und Sparkassen sowie der berufsbildenden Schulen und einer Druckerei. Den geselligen Rahmen boten ein Junghandwerkerball, ein Handwerkerball und Frühschoppen mit den Handwerkern.