Green besaß eine Wasserburg
Zeichnung: Diefhard Bahles Wasserburg Green | VON DIETHARD BAHLES |
„Eine Wasserburg zu Green?“, wird sich der Leser fragen, „das ist mir neu!“ Jedoch ist es geschichtlich äußerst interessant, gerade in die alten Akten und Urkunden dieses kleinen Ortes zu schauen und dieses festzustellen. Es war schon immer mein großes Anliegen, vieles zu erkunden, zumal die Lage des Ortes sowie die starke Befestigung mit Mauer und Graben mir sehr viele Rätsel aufgaben. Als ich etwa vor sieben Jahren eine neuere Lagekarte von Green bekam, fiel mir sofort der heute noch gut erkennbare Wassergraben auf. Für eine Wasserburg schien er mir damals zu groß, da es im Durchmesser eine Ausdehnung von etwa 150 Meter hat, mit dem Wassergraben fast 170 Meter.
Green wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrmals vom Hochwasser der Ahr teilweise oder sogar ganz zerstört, so 1761 mitsamt der Kapelle und 1804, als das ganze Ahrtal furchtbar verwüstet wurde. Seit 1566 barg Green in seinen Mauern ein Hoch- und Blutgericht. Der Galgen stand auch in der Nähe, an einem Weg, der bis heute den Namen „Totenweg“ behalten hat. Bei den älteren Einwohnern schlummern auch heute noch Reste von den alten Geschichten. Die Jüngeren werden vielleicht fragen, wo liegt Green überhaupt? Dies mit Recht, denn das kleine Dorf liegt etwas abseits von Heimersheim ahrabwärts, gegenüber von Lohrsdorf. Zu diesem gehört Green schon seit geraumer Zeit kommunalpolitisch. Für den Ortsnamen Green gibt es verschiedene Deutungen. Eine jedoch scheint die richtige zu sein. Damals bezeichnete man sandige Lagen mit „auf dem Green“, wie es als Flurbezeichnungen auch heute noch vielerorts bekannt ist. Auch nannte man Rettich im Mittelalter Green bzw. heute noch Kren, da dieser auf sandigen Böden besonders gut wächst. Green lag für die damalige Zeit verhältnismäßig sehr geschützt zwischen Bäumen und Sträuchern, abgeschirmt von dem früher sumpfigen Bett der Ahr, mitten im unteren Ahrtal. Es hatte neben Mauer und Graben einen starken Turm, die einen guten Schutz vor Räubern und Plünderern boten.
Wenn wir in der Geschichte des Ortes zurückgreifen, so finden wir Green 1151 zum erstenmal benannt. Es waren damals die Klöster Liesborn und Münster-Überwasser in Westfalen zu Green mit Gütern belehnt. Es ist anzunehmen, daß der Ort noch viel älter ist. So wie die meisten Orte des unteren Ahrtals wird es wohl um die Zeit Karls des Großen entstanden, bzw. neu besiedelt worden sein. Ausnahmen bilden Ehlingen und Kirchdaun, die sehr viel älter sind. Gebietsmäßig gehörte Green immer zur Herrschaft Landskron und war eine Insel Kurkölns auf der südlichen Ahrseite. Das ist aus Karten des 15. und 16. Jahrhunderts ersichtlich. Eigenartigerweise erscheint es immer auf diesen Karten als teilweise einzigem Ort zwischen Ahrweiler und Sinzig. Dies konnte ich solange nicht verstehen, bis ich auf die sehr frühe eigene Gerichtsbarkeit des 15. Jahrhunderts gestoßen bin. Doch davon später. — Im Jahre 1279 wird berichtet, daß das Geschlecht von Hammerstem verwandt sei mit der Familie des Johannes de Grinde, welches bis ins späte 17. Jahrhundert genannt wird.
Wilhelm I. von Neuenahr schlichtete 1321 einen Streit um Güter zu Green zwischen Gerhard und Sohn Otto von Landskron. Knapp zwei Jahre später, 1323, wird die Burg Green erstmals als Burghaus genannt, mit welchem der Kölner Erzbischof Heinrich II. Heinrich von Greynde neu belehnt. Diese, nach dem Ort benannte Burg, trug schon sein Vater Gyso von der Kölner Kirche zu Lehen. Das wird auch acht Jahre später noch einmal bestätigt. 1344 erwirbt der Abt von Kornelimünster Lehensgut in Grinden (Green). Auch besaß das Kloster St. Pantaleon zu Köln Lehensrechte. 1478 wird Green bei einer Erbteilung z wischen Johann und Gerhard Quad, Herren zu Tomburg und Landskron, Gerhard zugesprochen. Er erhält Green mit Höfen und Mühlen. Letztere werden hier erstmals erwähnt und bestehen auch heute noch. In diesen Jahren heißt es unter anderem: „Die Burg zu Green mit Mauer und Graben“! Wie schon erwähnt, sind diese auch heute noch festzustellen bzw. erkennbar. Der Ort war im Besitze der Familie Hugo van deme Grene zu Veyriau. Das Wappen derer war von der Großmutter übernommen und zeigte drei Spitzhämmer, überragt von einem Turnierkragen.
Green halle in dieser Zeit schon eine Selbstverwaltung, welche durch sehr viele Urkunden von 1511 bis ins späte 18. Jahrhundert nachzuweisen ist. Der St. Pantaleonshof zu Heppingen war hier auch begütert. Ein Gericht wird 1566 zum ersten Male urkundlich erwähnt, und der Wortlaut besagt, daß die Schöffen des Gerichtes von Green nichts von Beigaben zu Bannsteinen wissen. Es war damals teilweise üblich, Flachs, Hanf und sonstige Sachen unter die Steine zu legen, um deren Echtheit zu beweisen.
Auf einer alten Karte von 1571 finden wir Green mit Türmen, Mauer, und Kapelle, welche 1647 erwähnt wird. Sie hat im Jahre 1650 mit den Kapellen von Ehlingen und Lohrsdorf die Neuweihe erhalten. Eine Glocke aus dieser Zeit war bis zur Jahrhundertwende erhalten und ist heute unauffindbar. Der Patron der Greener Kapelle ist der hl. Antonius der Eremit (17. Jan.). Von der noch erhaltenen Holzfigur, welche sich heute im Pfarrhaus zu Heimersheim befindet, erzählte mir ein alter Greener Bürger, Peter Gemein, verjähren eine kleine Geschichte: Als 1804 Green vom Hochwasser zerstört wurde, sei der hl. Antonius bis nach Sinzig mitgetrieben, wo er dann von einer Frau, angeblich beim Treibholzsammeln, aufgefunden wurde. Diese Frau hätte ihn gerne behalten, wenn nicht angeblich folgendes passiert wäre: Ihr Vieh wurde krank, und dieses Unglück schob sie unserem armen Heiligen in die Schuhe und diese gerade ihm, da er doch als Schutzpatron der Haustiere verehrt wird. Man hat dann später einen Reim daraus gemacht:
Heili’e Antonius, es dat de Dank,
dofüe, dat ech deck etn Ahrräch fand,
krank machs dou mi’e mengjeiß on Sou,
met di’e han ech des Nach’s kein Rou,
Jreene Antonius, ech dronn dech zeröck,
sos stirfmei Veh noch Stock fü’e Stock!
Somit ist die Figur uns bis heute erhalten geblieben und stellt in schöner Bauernarbeit den hl. Antonius mit griechischer Abtmütze, Schellenbaum und einem Schwein zu seinen Füßen dar.
Das Hochgerichtssiegel ist eine sehr schöne Arbeit, vermutlich in Köln hergestellt, von 1687. Das Petschaft hat man in den zwanziger Jahren gefunden. Es trägt die Aufschrift: „SIG: NOV: UNITI. IUDICII. IN LORSTORF ET GREEN 1687″, Siegel der vereinigten Gerichte in Lohrsdorf und Green. Als Wappen zeigt es das Kurkölner Kreuz und als Patron den hl. Antonius. Letztere sind umgeben von feingegliederten Pflanzenranken. Das Siegel zeugt von hervorragendem Können. Es wurde mir von dem früheren Kaplan von Heimersheim, Pastor Ernst Hartmann, kurz vor seinem Tode geschenkt, und ich bin ihm sehr dankbar dafür. Der Gerichtssitz war Green, und es spricht von einer engen Zusammenarbeit der kurkölnischen Orte Lohrsdorf und Green, welche aber beide selbständig verwaltet wurden. Das geht unter anderem aus einer Urkunde von 1683 hervor, welche besagt, daß der Schultheiß zu Green, Johannes Schreiber, zu der damals bestehenden Mühle eine zweite hinzubauen durfte. Sie ist von dem damaligen Besitzer der Herrschaft Landskron, B. Fritz Freiherr von Brempt zu Köln, unterzeichnet und besiegelt worden. Zum anderen steht auf dem Friedhof zu Heimersheim ein Grabstein mit der Inschrift: Johannes Soeller, Schultys zu Lorstorf 1682. Diese Tatsache besagt, daß zwei Gemeinden mit je einem Bürgermeister vorhanden waren.
In diesem Zusammenhange sei noch erwähnenswert, daß die Familie Söller, heute noch in Lohrsdorf ansässig, im 15. Jahrhundert von Hammerstein gekommen war. Das bestätigt mir auch mein Großvater. Zu meinem Erstaunen wurde mir die Richtigkeit der Sache durch die verwandschaftlichen Verhältnisse des Geschlechts von Burg Hammerstein mit dem van deme Grene bekräftigt. Der Grabstein auf dem Friedhof stand bestimmt früher in Lohrsdorf. Es handelt sich um den ersten Johannes Söller, der hiermit in Erscheinung tritt. Auch wäre er bestimmt nicht so schnell Schultys (Bürgermeister) geworden, wenn er keine Förderung durch die von Hammerstein gehabt hätte. Aus dieser Zeit finden wir in dem Haus in Lohrsdorf eine kölnische Ofenplatte eingemauert mit sehr schönen frühbarocken Figuren und Ornamenten.
Aus dem Jahre 1637 ist uns in der von Müllermeister Johannes Kleefuß später neuerbauten kleinen Kapelle zu Green ein frühbarockes Kreuz von fast zwei Meter Höhe erhalten geblieben. Desgleichen ein barocker Torbogen aus dem Jahre 1688. Beide Arbeiten sind in Stein gehauen und mit Tag und Datum sehr fein ausgearbeitet.
Die hohe Blütezeit, in der sich damals Green befand, war schon zwei Monate später beendet.
Damals, im Winter 1688—89, wurde Green mit fast allen Dörfern im Ahrtal von den Franzosen geplündert und abgebrannt. Auch ging damals der Name der Adelsfamilie van deme Greene verloren und ist seitdem nicht wieder aufgetaucht. Aber schon rund 50 Jahre später finden wir den kleinen Ort Green in mehreren Urkunden mit seiner Gerichtsbarkeit wieder. Es heißt dabei u. a., daß die Schöffen des Gerichtes zu Green anordnen, es werde bei anbrechendem und bei schwindendem Tag Mai geläutet. Dieses Läuten verhallte jedoch jäh bei der großen Flutkatastrophe, knapp zehn Jahre später, als die gut ausgestattete Kapelle für immer in den Fluten versank. Als der Ort wieder aufgebaut war, legte man 1780 einen Lageplan an, welcher etwa dem heutigen entspricht. Eigenartigerweise finden wir jedoch Kirchenabrechnungen bis 1800 vor. Es muß daher wiederum eine Kapelle bis zum Hochwasser 1804 bestanden haben, wie es auch aus der mündlichen Überlieferung bekannt ist.
Es befanden sich auch noch in späterer Zeit in Green zwei Gastwirtschaften; eine wurde nach 1804 nicht wieder aufgebaut, die andere ging 1911 bei einem Brande verloren. Den alten Brunnen aber finden wir immer noch in der Ortsmitte vor.
Heute empfängt den Besucher ein schmucker kleiner Ort, der ihn im Sommer mit einem alten Fachwerkhaus, über und über mit dunkelroten Rosen behangen, zum Verweilen einladet. Von der Tradition des alten Green sind nur die Blumen übrig geblieben, die uns in den Ranken des Siegels schon einmal begegnet sind. Überall sieht man es blühen und grünen, zur Freude der Besucher und zahlreicher Wanderer, aber ganz besonders der Greener Bürger selber, die die Gärten mit viel Liebe und Sorgfalt pflegen. Ruhig und stolz sieht man im Spätherbst eine Schwanenfamilie auf dem alten, fast tausendjährigen Mühlteich dahinziehen — zur Abrundung des schönen Bildes.