Ginsterblüte an der Ahr

VON WILHELM HAY

Von Bad Neuenahr nach Dümpelfeld
Fahrt in den Sommer
Farbenprächtige Landschaft

Wenn der Ginster blüht, dann ist es an der Ahr am schönsten. Die Natur ‚hat ihr Maibrautkleid noch an, ist noch jung und frisch, noch nicht müde vom Staub und Verkehr des Sommers, von den Menschen und vom-Wein. Wer sie erleben will, der fährt am besten früh morgens mit dem ersten Zug — wenn, von den mächtigen Basaltkuppen der Landskrone und des Neuenare behütet, in Bad Neuenahr die Kurgäste noch schlafen — flußaufwärts in die hohe Eifel hinein.

Man schaut, wenn der Zug in Ahrweiler ‚hält, der Drahtseilbahn zu, die hoch über die Köpfe der fleißigen Weinbergsarbeiterinnen hinweg den feuerfesten Ton aus Lantershofen in die Waggons entlädt. Gleich hinter Ahrweiler verengt sich das Tal. Links, auf vorspringendem Hügel, reckt sich, eine Gemeinschaft der Stadt Gottes, das Klosterpensionat der Ursulienerinnen Kalvarienberg, in den Morgen hinein. Bewaldete Hänge spiegeln sich im Fluß. Links ziehen sich in wohlgeordneten Terrassen die Rebenhänge bis über die Felsköpfe hinüber. Auf halber Höhe liegen Treibhauskulturen unter Glas. Bei Walporzheim sind wir schon mitten im Gebiet des feurigen Burgunders. Die frische, weiße Front von „St. Peter“ leuchtet zwischen grauen Häusern hindurch. Schroffe Felsen steigen auf, wenn wir an der „Bunten Kuh“ viermal im Gangschritt die Ahr überfahren. Gelber Ginster säumt die Hänge, lugt aus den Felsspalten und bekrönt die Kuppen; ein ganzes Meer von Ginster überflutet eine Halbinsel; dann lösen üppige Felder und geschlossene Weinberge zu beiden Seiten die Farbenpracht ab. — Drüben lag Marienthal mit den efeuumrankten Ruinen des einstigen Nonnenklosters der Augustinerinnen, dessen Stiftskirche das Erbbegräbnis derer von Landskron barg. „O Fraue wundersüße!“

Dernau. Gelbe Ginsterstufen wechseln mit grünem Gebüsch, ranken über die Bogen der Stützmauern, beleben kahle Hänge. Rebstöcke füllen die Ebene des Tales just bis dicht an die Gleise unserer Bahn, an der fruchtbaren „Recher Auel“, die von einem Kranz gewaltiger Berge bis zu 400 m Höhe umschlossen ist. Von Rech aus steigt man zum 531 m hohen Steinerberg hinan und in die Wacholderschutzgebiete von Wibbelsberg und Kölmisch. Von den Bergen droben hielten wir auf den Wanderungen unserer Jugend Ausschau nach dem Kölner Dom. Hinter dem Tunnel liegt Mayschoß, überragt von der Saffenburg, die als die älteste Burg im Ahrtal gilt. Funde beweisen, daß hier schon die Römer zu Hause waren. Ob heute wohl die steilen Bergwände durch solch kühne Terrassenanlagen für den Weinbau nochmals gewonnen würden? So fragt einer den ändern. Immer höher werden die Berge und zackiger. Wir fahren in weitem Bogen talaufwärts. Die Räder knirschen und pfeifen in der scharfen Kehre; die Ahr nimmt die Form eines Eifelbaches an und ist nicht mehr Fluß zu nennen. Lochmühlerley und Guckley geben den Geologen noch heute ihre Rätsel auf, wenn sie an den Gartentischen ihres Hotels sitzen, die von buntbetupften Sonnenschirmen überspannt sind. Ob in Laach noch die kleine Glocke hängt, die als einziges Stück aus der im Jahre-1804 durch Hochwasser zerstörten Kapelle übrig blieb? — Eine wilde Romantik tut sich vor Altenahr auf, wenn die vier Tunnels schier groteske Ausblicke gewähren und Burg Are sichtbar wird. Man kann schon glauben, daß von der „Teufelsley“ aus der Widersacher aller Ordnung Schluchten, Höhlen und Felsgrate so wild durcheinander gewirbelt hat. Und es ist nicht zu verwundern, daß die Grafen von Are ihr Felsennest so fest machen wollten wie die Berge ringsum, so daß es als Staatsgefängnis benutzt werden konnte. — Von Altenahr geht durch die Grafschaft über Gelsdorf die Straße nach Köln.

Wie kühn und keck steht in Kreuzberg das Burghaus mit dem runden Turm auf der Felswand! Hier muß der Gegenzug abgewartet werden. Und eigentlich müßte dabei den Gästen ein Glas Ahrrotwein gereicht werden. So meinen meine Mitfahrer, indes ihr Gespräch zum Nürburgring hinaufwandert. Pfingsten sei schon ein guter Auftakt gewesen! Da habe man sogar die Büroräume ausräumen müssen, um Platz für die Gäste zu schaffen. Einer strunzt, er habe schon im August 1949 an der „Todeskurve“ mehr als tausend Flaschen Getränke an einem Tag verkauft. — Nun merkt man, daß es in die hohe Eifel geht, als der Zug wieder anzieht. Die Weinberge lassen nach, Felder treten an ihre Stelle. Richtige Ginsterfelder überziehen die Bergkuppen, umsäumen das magere Gebüsch und die Gleise; man könnte meinen, der Ginster sei hier gesät worden. Bei der Station Brück muß das „Ahr“ schon dabei stehen, um sie von den acht Orten gleichen Namens zu unterscheiden, die das alte deutsche Ortslexikon enthält, davon die Hälfte allein in der Eifel. Hier führt links das Kesselinger Tal hinauf zur Hohen Acht und in das Neusiedlungsgelände von Ahrbrück, in dem ermländische Bauernfamilien sich eine neue Heimat schufen und vorbildlich wirtschaften.

Nun sind wir richtig in der Eifel. Die Bahn beginnt mächtig zu bimmeln und zu pfeifen. Drüben, über Hönningen, den Ginsterberg könnte Fritz von Wille gemalt haben! Der Boden wird karg, ein Pflug steht einsam im Acker. Jetzt fahren wir an dem Ginsterberg vorbei. In Liers, von wo aus man zur Wenzburg wandert, schwenken Frauen im Bach ihre Wäsche. Die Bahn bimmelt wieder heftig. Es geht ins Hochland hinauf. Die Ahr ist nun ein richtiger Eifelbach: mit Erlen und Weiden und Wiesen, die bald gemäht werden, wenn es zur Heuernte geht.

Dümpelfeld. Am Eingang des Adenauer Baches, wo geradeaus die Bahn ins obere Ahrtal führt. Die Kirche des Nothelfers Cyriakus mit dem Wickelkindchen steht wuchtig auf dem Felsen. Das klingt alles schon nach Landwirtschaft; der Weinbau hörte bei Hönningen auf. Minkelfeld, Gillenfeld, Eckfeld, Deudesfeld, Dümpelfeld. Alles Eifeler Wald und Feld! „Ausgang verboten!“ steht quer über den Gleisen. „Hier dürfen wir nicht raus“, meint eine Frau in unserem Abteil. So bleiben wir sitzen und fahren bis Adenau.

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