Geschichte des „Zwibbelmaats in Bad Breisig“
Hans-Georg Peiss
„Kund sei allen unde jecklingen, daz unser hohe herre, Kaiser Karl IV., so ich begeret han, Brysik zum flecken erhebet mit dem rehte, markt zuo halten an einem jecklingen montac. — Johannes VI. burkgrave zuo Rineck.“
Auch Nichtgelehrten ist der Sinn dieses ehrwürdigen mittelhochdeutschen Textes ohne Mühe geläufig, den Anno Domini 1374 der Burggraf von Rheineck sicherlich voller Stolz durch — wie damals üblich — Marktschreier an den Mann, sprich an die „Ureinwohner“ des heutigen Bad Breisig bringen ließ. Brysisch, wie von den Kelten genannt, die schon einige Jahrhunderte vor Christi das Gebiet bewohnten, oder Brisia-cum, so die geläufige Bezeichnung der römischen Besatzung, war Dank seines Klimas und seiner Fruchtbarkeit schon von jeher ein beliebter und damit besiedelter Flecken, in dem im Laufe der Jahrhunderte Kelten, Franken, Römer, deutsche Ritter, französische Truppen und nach den beiden Weltkriegen Flüchtlinge aus Ost und West ansässig wurden. Nicht zu vergessen die Essener Äbtissinnen, die fast 900 Jahre lang Breisig zu ihrem Stift zählten und diese Enklave als Zuflucht, „Urlaubsdomizil“ und zusätzliches Einkommen gerne in Anspruch nahmen.
Der Entwicklung, „Brysicher“ zu aufgeklärten Handwerks- und Handelsleuten werden zu lassen, wurde mit diesen geschichtlichen Gegebenheiten mächtig Vorschub geleistet. Aus den Straßennamen des im 13. Jahrhundert befestigten Ortes (siehe auch das Vogelschaubild aus dem 16. Jahrhundert) lassen sich die beruflichen Aktivitäten der Bürger ableiten. Eine Zehnerstraße (heute Koblenzer Straße) führte vom nördlichen Kölner Tor quer durch die noch mäßige Häuseransammlung zum südlichen Koblenzer Tor. Fahrensleute hatten hier Wegezoll zu entrichten — einen Stromzoll gab es nicht. In der Eulengasse waren die Euler oder Töpfer angesiedelt. Die Bier- oder Ebergasse bezeichnete sowohl den Sitz einer Brauerei wie auch einer Schweinezucht, bei der die Schweine rationellerweise mit Maische gemästet wurden. Die Schmiedegasse hallte vom Getrappel der Pferde, dem Rattern der Fuhrwerke und den Amboßschlägen wider. Die Ledergerber, die aus Eiche gewonnene Lohrinde in Kumpen gerbten, fanden sich im „Lohkumpen“ und die Seilmacher in der Jüttgasse (heutige Neugasse), welche Bezeichnung nicht den Juden, sondern der Jute zuzuschreiben ist.
Ein ideales Fleckchen für Warenaustausch also, für Geschäftigkeit und Handwerkskunst, für Bauersleute und Geselligkeit, für „internationales“ Geplauder, Geschrei, buntes Leben und für einen Markt eben.
Dennoch sollte diesem Umstand das zitierte Marktrecht nicht allein zu danken sein. Die Ritter des Templerordens, die auf Ihren Kreuzzügen nach Jerusalem in Breisig Station zu machen pflegten, was sich heute noch in dem „Templerhof“ beurkundet, stifteten der südlich vom Templerhof liegenden „Donatus-Kapelle“ Partikel vom heiligen Kreuz. Die Kapelle fiel später der Säkularisation zum Opfer und die Kreuzteile gelangten in die 1719 vollendete Kirche Maria Himmelfahrt. Die großen Pilgerscharen, die besonders zum Fest der Kreuz-Erhöhung am 14. September zur Verehrung dieser Reliquien nach Breisig kamen, mögen ebenso wie die vorher ausgeführten Voraussetzungen Bedeutung genug besessen haben, Burggraf Johannes VI. für die Marktrechte des Ortes Breisig bei Kaiser Karl IV. bitten zu lassen.
Der Herr der Burg Rheineck erfreute sich zwar der besonderen Gunst des Kaisers, sein Jähzorn kostete ihn aber sieben Jahre, nachdem er Breisig zu höherer Handelsebene verholten hatte, das für den Ort freundlich gestimmte Haupt. Als er auf einem weihnachtlichen Festbankett auf der Godesburg 1381 unter den Augen seines Lehensherren, des Erzbischofs Friedrich von Saarwerden, vom Wein erhitzt, seinen Gegner Rollmann vom Turm (von Ahrental bei Sinzig) erdolchte, rollte schon am nächsten Tage sein edler Kopf vor das Tor der Godesburg, gefällt durch das Beil des Henkers. Was wäre, hätte er gut sieben Jahre früher sein Leben aushauchen müssen? Ein „Zwibbelsmaat“ vielleicht nicht, so doch sicher ein anderer Markt.
Ansicht von Breisig aus der Vogelschau mit Darstellung der Besetzung durch jülichsche Truppen am 6. August 1587, Kupferstich Repro: Kreisbildstelle
In alten Zeiten wurden in Breisig drei Märkte abgehalten. Ein Viehmarkt am ersten Dienstag im April ist längst eingeschlafen. Vor 1900 waren der „Kram- und Zwiebelmarkt“ am 14. und 15. September, sowie der „Kram- und Flachsmarkt“, auch Andreasmarkt genannt, am 30. November noch in voller Blüte.
Der Zwiebelmarkt am Feste der Kreuz-Erhöhung hieß im Mittelalter „Heilig-Kreuz-Markt“, der heute im Volksmund den Namen „Zwiebbelmaat“ trägt und jährlich von Sonntag bis Dienstag nach Kreuzerhöhung stattfindet. Viel Besuch erhielt Breisig an diesem Tag von Wallfahrern, die zur Verehrung der Kreuzpartikel kamen.
Im Jahre 1794 wurde die Kreuzpartikel vor dem Einzug der Franzosen von einer Dame namens Haas auf die gegenüberliegende freie Seite nach Hönningen gerettet. Eine nicht unberechtigte Vorsichtsmaßnahme, wie sich später herausstellte, nachdem die Franzosen ein kostbares Rubensgemälde, das heute wohl einen Millionenwert darstellen würde, nach Frankreich verschleppt hatten. Am 6. September 1826 kehrten die Kleinode durch Malteser nach Niederbreisig zurück und wurden am 14. September erstmals wieder nach langen Jahren zur Verehrung ausgestellt.
Zum „Ölligsmaat“ kam viel Besuch aus der Eifel mit Wagen und Karren. Die Verkaufsstellen zogen sich vom Graben an der Koblenzer Straße über den Gemeindekeller die Bachstraße hinauf bis zum Graben, an beiden Seiten der Biergasse und an der Rheinfront entlang vom Blanken bis zum „rheinischen Grawwe“ (Rheinstraße) hin.
Der Herr der Burg Rheineck erfreute sich zwar der besonderen Gunst des Kaisers, sein Jähzorn kostete ihn aber sieben Jahre, nachdem er Breisig zu höherer Handelsebene verholten hatte, das für den Ort freundlich gestimmte Haupt. Als er auf einem weihnachtlichen Festbankett auf der Godesburg 1381 unter den Augen seines Lehensherren, des Erzbischofs Friedrich von Saarwerden, vom Wein erhitzt, seinen Gegner Rollmann vom Turm (von Ahrental bei Sinzig) erdolchte, rollte schon am nächsten Tage sein edler Kopf vor das Tor der Godesburg, gefällt durch das Beil des Henkers. Was wäre, hätte er gut sieben Jahre früher sein Leben aushauchen müssen? Ein „Zwibbelsmaat“ vielleicht nicht, so doch sicher ein anderer Markt.
In alten Zeiten wurden in Breisig drei Märkte abgehalten. Ein Viehmarkt am ersten Dienstag im April ist längst eingeschlafen. Vor 1900 waren der „Kram- und Zwiebelmarkt“ am 14. und 15. September, sowie der „Kram- und Flachsmarkt“, auch Andreasmarkt genannt, am 30. November noch in voller Blüte.
Am Rhein waren hunderte von Säcken mit Zwiebeln von den Rheininseln bei Koblenz (Niederwerth) und aus Holland aufgestapelt. Um die Zwiebeln zu transportieren, benutzte • die Landbevölkerung nicht nur Jutesäcke, sondern auch Kissen- und Bettbezüge. Vor der Biergasse und vor „Benders“ standen Buden, an denen sich Bauersleute an Apfelwein, heißer Wurst und Gebäck labten. Der Apfelwein wurde aus „Schnellen“, aus weißem Steingut, getrunken. Vor dem Pfarrhaus wurden landwirtschaftliche Maschinen, damals noch einfacher für Handbetrieb, und Holzwaren aller Art verkauft. In der Biergasse boten Tuchhändler, Messerschmiede, Kurz- und Hornwarenhändler ihre Ware feil. Von Tradition zeugten die Töpferwaren für Küche, Haus- und Gastgewerbe aus dem Kannenbäcker Ländchen Sayn-Grenzhausen-Höhr, in früheren Jahrhunderten auch aus Siegburg und Frechen.
Wo der Platz es erlaubte, fehlten für den Markttrubel nicht die bekannten Schaubuden und Karussells. Der Mann mit der Drehorgel und die Moritatensänger vervollständigten das bunte Treiben.Quellen:
Leo Stausberg, Ländchen Breisig und Fürstentum Essen (mit weiterer Literaturangabe). Broschüre „Bad Breisig“ hrsg. vom Verkehrsamt Breisig unter Mitwirkung von Felix Laux und Josef Klerings.