Geschichte der evangelischen Kirche in Sinzig
von Pfarrer Hentze
Die alte Barbarossastadt Sinzig, an der Mündung der Ahr in den Rhein gelegen, wird mächtig überragt von der auf einem Bergvorsprung erbauten, 1220 vollendeten Peterskirche. Sie ist Symbol dafür, daß Sinzig stets eine überwiegend katholische Stadt war, in der die Evangelischen bis auf den heutigen Tag in der Diaspora leben. Wohl hatte sich schon in der Reformationszeit dort eine kleine protestantische Gemeinde gebildet, die aber während des 30jährigen Krieges wieder der Auflösung verfiel. So mußten sich die Evangelischen mit der Teilnahme an den Gottesdiensten in Remagen begnügen. Erst im Jahre 1907 konnten vierzehntägig in der dazu zur Verfügung gestellten Aula der Präparandenanstalt für die 28 evgl. Familien eigene evgl. Gottesdienste gehalten werden. Fünfzehn Jahre lang konnte sich die Gemeinde dieses Saales erfreuen. 1922 wurde die Präparandenanstalt (jetzt Jopp, Lindenstr. 7) aber aufgelöst. Für die so kirchlich obdachlos gewordenen evgl. Gemeindeglieder stellte Frau Johanna König in einem ihr gehörenden Hause auf der Barbarossastraße — dem sog. Winzerverein — einen Saal zur Verfügung, den die Gemeinde lange Jahre, nämlich bis 1948, benutzen durfte. Hier wurde im Jahre 1932 von Herrn Pfr. lic. v. Nasse eine Frauenhilfe gegründet und bald darauf ein Kirchenchor unter Leitung des Zahnarztes Dr. Wallau. Mit dem Anwachsen der Gemeindeglieder — vor dem Kriege 270 Seelen zählend — wurde der Wunsch nach einer eigenen gottesdienstlichen Stätte immer dringender. Von den Erben der oben genannten Frau König — sechs Geschwister — wurde der Gemeinde ein hinter dem Amtsgericht gelegenes Grundstück zum Bau einer Kapelle in Aussicht gestellt. Der Leiter des Provinzialkirchl. Bauamtes, Herr Architekt Schönhagen aus Koblenz, besichtigte diese Örtlichkeit und entwarf einen Plan zu einer schlichten Kapelle. Die ersten Gelder kamen herein. So bewilligte 1938 der Rheinische Gustav Adolf-Verein 3000 RM zu diesem Zweck; in den Gottesdiensten wurde gesammelt und etliche Spenden wurden freudig angenommen, so daß bis zur Währungsreform ein Baufonds von nahezu 10 000 RM vorhanden war.
Der Ausbruch des Krieges hatte freilich dem Vorhaben ein vorläufiges Ende gesetzt. Hinzu kam, daß die Evangelischen den Kirchensaal, in dem sie sechsundzwanzig Jahre lang Gastrecht genossen, 1948 räumen mußten. Aber Frau Wwe. Karl König vermietete der Gemeinde einen Saal in dem bekannten Sinziger Schloß, auf den Ruinen der alten Barbarossaburg erbaut. Als dieses im Jahre 1952 durch Verkauf in andere Hände überging, war die durch Flüchtlinge und andere Evangelische auf nahezu 600 Seelen angewachsene Gemeinde wieder ohne einen Raum. Vorübergehend stellte die katholische Gemeinde wie schon einmal 1945 in edler Toleranz ihr Pfarrheim zur Abhaltung der jetzt allsonntäglichen Gottesdienste der Evgl. Schwesternkirche zur Verfügung. Damit war der Bau einer eigenen evgl. Kirche zu einer zwingenden Notwendigkeit geworden. Die erste greifbare Möglichkeit dazu bot eine hochherzige Stiftung der Frau Else v. Wedderkopp-Mönchshof, die ein Grundstück von 6,68 ar an der Beethovenstraße der Gemeinde zur Verfügung stellte. Nun erhielt Herr Architekt Bouß, Oberbreisig, den Auftrag zur Planung eines Gotteshauses, welches nicht im Kapellenstil, sondern als Kirche mit etwa zweihundert Plätzen Sitzvermögen zu gestalten war. So fand denn am 9. März 1952 in Gegenwart von Herrn Kirchenrat lic. Sachsse, Oberwinter, und unter zahlreicher Beteiligung der Sinziger die Grundsteinlegung zu einer evgl. Kirche Sinzigs statt. Am 16. September schon war der Bau soweit fortgeschritten, daß das Richtfest gefeiert werden konnte.
Evangelische Kirche in Sinzig
Foto: Stang
Nun die Kirche „unter Dach und Fach“ war, ging auch die innere Ausgestaltung rüstig vonstatten. Das Gestühl wurde angeschafft, Kanzel und Altar, Heizung, Liedertafeln usw. waren vonnöten. Die vorhandene kleine Übungsorgel konnte in dieser Form ihrer Aufgabe im neuen Kirchenraum nicht mehr genügen. Sie wurde durch zwei weitere Register, eine Transmission und ein elektrisches Gebläse ergänzt. Am 14. Dezember des gleichen Jahres konnte die kleine Diasporagemeinde Sinzig in ihr schmuckes Kirchlein einziehen. Durch den Präses der evgl. Kirche im Rheinland erhielt sie den Namen „Adventskirche“. Über vierhundert Gäste wurden anschließend im Helenensaal bewirtet, unter denen Pfarrer Hentze auch den Landrat des Kreises Ahrweiler, Herrn Urbanus, und den Bürgermeister der Stadt, Herrn Zimmer, neben Vertretern der Geistlichkeit beider Konfessionen begrüßen konnte.
So hat dank der Opferwilligkeit der Gemeindeglieder, aber auch unter Anteilnahme der ganzen Bürgerschaft Sinzigs, die evgl. Gemeinde in Sinzig eine kirchliche Heimstätte gefunden und damit die Voraussetzung für ein reges kirchliches Leben geschaffen. Möge wahr werden, was in der Urkunde geschrieben steht, daß die Gemeinde erbaut werde zu einer Behausung Gottes im Geist. Besonderen Dank gilt neben der Stadtverwaltung dem Sinziger Sprudel (Gebr. Baum), deren Opferbereitschaft die Finanzierung des Kirchleins ermöglichten.