„Ganz Walporzheim stand kopf!“ – Patenwein-Verschickung nach Lübeck am 9. Oktober 1935

„Ganz Walporzheim stand kopf!“

Patenwein-Verschickung nach Lübeck am 9. Oktober 1935

Stefan Arenz

Zur Förderung des Weinabsatzes organisierten die Weinbaugegenden in ganz Deutschland 1935 Weinpatenschaften in Großstädten. Die Winzergemeinden an der Ahr fanden Weinpatenstädte in Nord- und Ostdeutschland, wo während der Weinwerbewoche im Oktober für den Ahrburgunder eifrig die Werbetrommel gerührt wurde. Walporzheim hatte Wilhelmshaven, Lübeck und Güstrow als Patenstädte, die auch den sogenannten Patenwein kauften. Damals erbrachte das Fuder (1000 Liter) etwa 360 bis 400 Reichsmark. Über die erste Verschickung des Patenweins von Walporzheim nach Lübeck am 9. Oktober 1935 berichtete die Ahrweiler Zeitung am darauffolgenden Tag:

„Unter feierlichem Gepränge gingen gestern vom hiesigen Winzerverein die ersten Fuder Patenwein nach Lübeck ab. Hierzu hatten sich die Spitze der Partei, die Mitglieder des Winzervereins und eine große Menge Zuschauer eingefunden, die den geschmückten Fuderfässern das Geleit zum Bahnof gaben.“

Der Transport der Fuderfässer zum Bahnhof wurde sogar von einigen Musikern begleitet.

Auch die erste Walporzheimer Weinkönigin, Maria Louis, war dabei. Sie hielt einen großen Weinpokal in der Hand, hatte ein Dirndel an und trug ein Kopftuch. Eine Krone gab es damals noch nicht. Obwohl die Traubenlese in vollem Gange war, legten die Winzer die Arbeit nieder und folgten dem Zug. Die Verabschiedung des Weines auf dem Bahnhof wurde schließlich noch mit einem Gruppenbild festgehalten. Danach ging der damalige Präsident des Winzervereins, Matthias Mies, mit dem Vorstand und Aufsichtsrat in die Gaststätte des Winzervereins, um auf das erfolgreiche Geschäft anzustoßen. Sie rechneten aber nicht damit, daß ihnen die Teilnehmer des Zuges in den Winzerverein folgen würden. Die Männer mit ihren genagelten Arbeitsschuhen und blauen Kitteln, die Frauen mit Kopftüchern und Kittelschürzen ließen sich an den Tischen nieder. Dem Präsident des Winzervereins blieb gar nichts anderes übrig, als alle auf Kosten des Winzervereins zum Wein einzuladen. Das wurde gut ausgenutzt, so daß einige Frauen und Männer schon bald betrunken waren. Schnell sprach sich die ganze Aktion rund, so daß auch noch die letzten Winzer aus der Traubenlese in den Winzerverein kamen, um an dem Vergnügen teilzunehmen. Sogar bis zur Gendarmerie, die am Backhaus am Ahrufer eine Pistolenschießübung veranstaltete, drang die Nachricht durch. Die Polizisten brachen die Schießübung ab und gesellten sich zu den Gästen, die sich ja selber in den Winzerverein eingeladen hatten. Dem Vernehmen nach wurde bis spät in die Nacht nicht nur getrunken, sondern ge…, da es ja umsonst war. Für alle blieb es ein unvergeßliches Erlebnis.

Walporzheim.gif (54110 Byte)

Patenweinverschickung am Walporzheimer Bahnhof mit der ersten Weinkönigin Maria Louis am 9. Oktober 1935.

Autor