Frühe Besiedlungsspuren in und um Bad Neuenahr
VON KARL JOSEF MERTES
Bei einer Behandlung dieses Themas darf der Betrachter keineswegs von der heutigen politischen Gegebenheit „Bad Neuenahr“ ausgehen. Die umliegenden Gebiete müssen mitberücksichtigt werden.
Vergegenwärtigen wir uns, daß Bad Neuenahr erst 1951 die Stadtrechte erhielt, 1875 die Gemeinde Neuenahr gebildet wurde, seit dem 13. Jahrhundert die Grafschaft Neuenahr bestand. Der Ort setzt sich aus den drei ehemaligen Dörfern Wadenheim, Beul und Hemmessen zusammen, die um 1000 gegründet worden sein dürften.
Neben anderen hat sich Professor Dr. O. Kleemann von der Universität Bonn eingehend mit dem Problem der frühen Besiedlung des Kreises beschäftigt. In der Heimatchronik des Kreises Ahrweiler berichtet er über seine Forschungen.
Das Ahrtal wird im Diluvium (vor etwa 1 Mio. Jahren) entstanden sein. Im Raum Bad Neuenahr finden sich in der Erdformation die sogenannten Herdorfer Schichten. Der Fluß muß mehr oder weniger in einem Sumpf- und Niederungswald verlaufen sein. Eine Besiedlung war deshalb nur auf den Terrassen möglich. Die Ahr wurde erst unter Napoleon und 1852—57 unter dem Königl. Strombaudirektor Geh. Rat Nobiling reguliert. Nachweise für ein Siedlungsgebiet im Tal während der prähistorischen Zeit lassen sich nicht erbringen. Außerdem waren die agrarischen Voraussetzungen für eine reine Zweckbesiedlung nicht gegeben. Anders auf den Höhen. In der Nähe des Steckenberges liegt ein Ansiedlungsgebiet mit einem Gräberfeld, das nachgewiesen worden ist. Sehr wahrscheinlich herrschten bei diesen „Steinzeitmenschen“ Viehzucht und Jagd vor. Nach Prof. Kleemann wurden aus der vorchristlichen, römischen, fränkischen Zeit über 200 Funde im gesamten Kreisgebiet gemacht.
Aus der mittleren und jüngeren Steinzeit (ca. 4000 v. Chr. sind im Neuenahrer Raum Steinbeile (Rillenbeile) gefunden worden. 1884 fand man ein 11 cm langes, nicht durchbohrtes Beil aus Feuerstein oder Quarzit. 1939 stieß ein Kurgast ca. 1000 m südlich des Berges Neuenahr auf ein Feuersteinbeil von spitzovalem Querschnitt (9 cm lang, 4 cm breit).
An der Neuen Königsfelder Straße wurde unweit der Klimastation ein Steinkistengrab freigelegt (heute im Ahrgaumuseum). Es enthielt u. a. einige Becher als Beigaben. Weiter sind uns keine Funde im Gebiet von Bad Neuenahr aus dieser frühen Zeit bekannt. Caesar erwähnt im i. Jahrhundert v. Chr. die sogenannte „Germani cisrhenani“. Germanen wurden seßhaft, als die Römer das linke Ufer des Rheines samt dem Hinterland besetzten. Diese Zeit bildete einen Einschnitt in kultureller, militärischer und verwaltungstechnischer Hinsicht.
Gaius Julius Caesar (100—44 v- Chr.) rückte während seines Eroberungskrieges (bellum gallicum) 57 bis 51 v. Chr. bis zum Rhein vor, den er bei Andernach zweimal überschritt. Hier sollte für rund 400 Jahre die NO-Grenze des Römischen Reiches entstehen, teilweise befestigt durch den Limes, der in Honnef begann. Unter den Römern wurde das Straßennetz ausgebaut (Rheinuferstraße, Kohlstraße). Das Ahrtal zählte zum Grenzgebiet.
Um 16 n. Chr. wurde in Remagen erstmals ein Kastell befestigt. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang das renovierte Rema-gener Heimatmuseum!
Im Ahrweiler Stadtwald (Godenelter) entdeckte die „Vinca-Gruppe“ eine römische Eisenschmelzersiedlung, die Prof. Kleemann seit 1957 freilegt. Sie stammt aus der Zeit 1.—4. Jahrhundert n. Chr. Heute sind die Grundmauern einiger Gebäude wiederhergestellt.
Im Rahmen der Ausgrabungen des Institutes für Vor- und Frühgeschichte der Universität Bonn wurde an der Grenze der Gemarkungen Ramersbach — Bad Neuenahr ein römischer Gutshof vermessen.
Die Anlage, nahe der Quelle des Tiefbaches, am „Vinxter Marktweg“ ist ungefähr 100×75 m groß. Es handelt sich wahrscheinlich um ein Landgut des Typs „Villa rustica“. Der Hof umfaßte etwa 15 Räumlichkeiten. Man sieht heute allerdings nur einige wenige Steinreste; alles liegt inmitten dichten Baumbestandes. Der Vinca-Gruppe gebührt auch hier das Verdienst, daß sie die Mauerreste ausfindig gemacht hat.
Vermutlich wird sich im gesamten Neuenahrer Wald (bzw. in den umliegenden Gemeinden) noch manches finden lassen, das auf die Römer schließen läßt.
Die römische Zeit dürfte für die Bevölkerung von großem Nutzen gewesen sein. Eine römische (italische) Einwohnergruppe wird sich hier nicht niedergelassen haben.
Übrigens verlief von der Mündung des Vinxt-baches ab die Grenze von Germania Inferior (mit der Hauptstadt Köln) und Germania Superior (mit Mainz als Hauptstadt), die noch heute eine Sprachgrenze bildet.
Aller Wahrscheinlichkeit nach haben die Römer schon die Quellen des Apollinarisbrunnens (1852 von Georg Kreuzberg erbohrt) gekannt. Möglicherweise opferten sie dort bereits ihren Göttern. 1855 stießen Arbeiter beim Anlegen eines Abflußgrabens für den Apollinarisbrunnen in der Tiefe von 14 Fuß (ca. 4 m) auf ganze Reihen regelmäßig gesetzter Rebstöcke.
1873 fand man bei Ausschachtungen für Neubauten des Apollinarisbrunnens in gleicher Tiefe Ton- und Glasgefäße und römische Münzen der Kaiser Valerianus (253—260) und Probus (276—282). Letzterer hat das Weinanbauverbot; für Germanien aufgehoben und somit angeblich den Weinbau eingeführt.
1925 wurden am Clöcknersberg bei Verbreiterung der Kirchstraße römische Scherben und Dachziegel entdeckt (nach Professor Wagner, der zudem versuchte, die Anwesenheit der Römer anhand von Flurnamen und Fachausdrücken der Winzersprache nachzuweisen).
An verschiedenen Stellen sind im Neuenahrer Raum Hügelgräber gefunden worden. Am Steckenberg lag vielleicht auch eine Werksiedlung (ähnlich wie in Ahrweiler). Manchmal stößt man an Wegrändern auf kleine Schlackenhügel (eisenhaltiges Gestein), die möglicherweise auf Sortierstellen aus römischer Zeit schließen lassen.
Nach Abzug der Römer (im 4. Jahrhundert fand der „Frankensturm“ statt) zählte der Ahrgau zum fränkischen Königreich, dessen Zentrum sich in Köln befand; später erwuchs aus diesem Gebiet das Ostreich. Seit dem 7. Jahrhundert fand eine intensive fränkische Besiedlung statt, die zu Dorfgründungen führte. In dieser Zeit entstanden vermutlich die Orte Wadenheim (von: Heim des Wado oder Heim an der Stelle zum Durchwaten), Beul (Buyle-Hügel) und Hemmessen (Heim des Hamming).
Aus fränkischer Zeit wurden, wiederum am Apollinarisbrunnen, 1861/62 vier eichene Baumsärge (sog. Totenbäume) gefunden. Zur damaligen Zeit galten sie für den hiesigen Raum als einzigartig. Ähnliche Särge fand man in Süddeutschland und Skandinavien.
Ein Sarg ist noch im Ahrgaumuseum (mit Skelett) zu sehen. Als Ehrengabe war ein „Tümmler“ beigefügt, außerdem noch zwei Teile einer eisernen Lanzenspitze und das Bruchstück einer Bronzeschnalle.
Im Landesmuseum Bonn sind diese Glastummler aus fränkischer Zeit ausgestellt.
Das andere Bild zeigt einen fränkischen Tontopf.
Der Landgraben bildete die Abgrenzung des Ahrgaus um die Jahrtausendwende. An der Idyllenhöhe findet man ihn auf Neuenahrer Gebiet.
Erwähnenswert sind noch die Funde, die 1884 bei Ausschachtungen für eine Schutzhütte auf dem Neuenahrer Berg gemacht wurden. Man stieß auf Scherben und Tongefäße, die wahrscheinlich aus dem 14. Jahrhundert stammen. Die Burg wurde 1372 von Ahrweiler Bürgern unter Mitwirkung von Kölner Schützen zerstört und dem Erdboden gleichgemacht.
Eine zusammenhängende Katalogisierung der Funde des Neuenahrer Gebietes wurde noch nicht angelegt.
Aufmerksame Spaziergänger können sicherlich noch auf verschiedene Funde stoßen.
Eine Erschließung dieses Raumes wird kaum in Frage kommen, da er von keiner übergeordneten Bedeutung war.