Freiherr vom Stein läßt seine Bodendorfer Besitzungen versteigern

Freiherr vom Stein läßt seine Bodendorfer Besitzungen versteigern 

VON HANS HAFFKE

Nur kurze Zeit behielt Freiherr vom Stein die Bodendorfer Besitzungen in seiner Hand, die ihm durch Erbgang 1798 zugefallen waren. Schon vier Jahre später gab er den Auftrag, sie öffentlich an den Meistbietenden zu verkaufen. So fand im Sommer des Jahres 1802 „in der Behausung“ des Freiherrn eine Versteigerung statt, von der das nachfolgende Protokoll des Notars ausführlich berichtet.

Ein kurzer Rückblick in die Geschichte dürfte das Verständnis des Dokumentes wesentlich erleichtern. In den Jahren 1794 und 1795 waren französische Revolutionsarmeen an den Rhein vorgestoßen und hatten schließlich das linke Ufer des Flusses ebenso wie das Gebiet der Niederlande besetzt. Die damit geschaffenen Tatsachen wurden im Sonderfrieden von Basel 1795 von Preußen anerkannt, das in einer Geheimabmachung auf das linke Rheinufer zu Gunsten Frankreichs verzichtete. Diese Abtretung wurde 1797 im Frieden von Campo Formio von Österreich bestätigt und 1801 im Frieden von Lunéville erneut bekräftigt.

Seit dieser Zeit unterstand das Land an Rhein und Ahr der französischen Verwaltung. Die ganz auf eine straffe Zentralisierung abgestellten Reformen wurden auch hier durchgeführt, die Verwaltungsbezirke wurden neu eingeteilt, Verwaltungsakte und Veröffentlichungen wurden zweisprachig abgefaßt. So ist auch der Versteigerungsakt französisch und deutsch formuliert; es ist in ihm von dem „Departement“ Rhein und Mosel und dem „Canton“ Remagen die Rede.

Ein besonderes Wort der Erklärung muß über die Zeitangaben vorausgeschickt werden:

Mit dem Beginn der Revolution war in Frankreich eine neue Zeitrechnung in Kraft gesetzt worden. Am 22. September 1792 begann das Jahr 1 der französischen Republik. Seit diesem Zeitpunkt war das Jahr gegliedert in 12 Monate zu je 30 Tagen, die wiederum in 3 Dekaden unterteilt waren. Am Jahresende wurden 5 Ergänzungstage angefügt, die als Festtage begangen wurden, und in jedem vierten Jahr ein Schalttag. Die Monate waren in vier Gruppen zu je drei angeordnet, ihre Namen bezogen sich auf . charakteristische Naturerscheinungen der Jahreszeiten:

Vendémiaire, Brumaire, Frimaire bildeten den Herbst, Nivose, Pluviose, Ventose bildeten den Winter, Germinal, Floréal, Prairial bildeten den Frühling und Messidor, Thermidor, Fructidor bildeten den Sommer.

Napoleon ließ 1805 diese Zeitrechnung so beseitigen, daß am 11. Nivose XIV (= 1. Januar 1806) wieder der alte Gregorianische Kalender an ihre Stelle trat. Das Jahr X der Republik, das in der Urkunde erwähnt wird, begann also im September 1801 und endete im August/September (Fructidor = Fruchtmonat) 1802.

Burg Bodendorf

Die Urkunde hat folgenden Wortlaut: „Au nom de la République francaise. Heute den sechs und zwanzigsten Fructidor zehenten Jahres der Fränkischen Republik vor mir, Peter Joseph Kriechel, öffentlichem Notar des Rhein- und Moseldepartementes, angestellt in der Gemeinde Ahrweiler und patentisiert fürs Jahr zehen, erschienen der Bürger Jean Baptiste Kilian, Bevollmächtigter des Baron vom Stein, Präsident der Preußisch-Westphälischen Finanzkammer, wohnhaft zu Nassau aufm rechten Rheinufer, versehen mit einer Vollmacht des Baron vom Stein, gehörig aufm Bureau von Coblenz am 27. Flordéal B. Jahres einregistriert gegen Zahlung von 1 Franc 1 Denier, sodann der Bürger Gottlieb Friedrich Wieler, Rath und Amtmann, Bevollmächtigter des besagten Barons vom Stein vom 6. Fructidor 10, gehörig einregistriert zu Adenau am 26. Fructidor 10 gegen Zahlung von 1 Franc 1 Denier, welche erklärten: daß sie vom Eigentümer Baron vom Stein beauftraget seyen, alle seine hiesigen Güter meistbietend zu versteigern, welche auf dem linken Rheinufer gelegen seyen, mich dahero ersuchten, gehörigen Akt über diesen Verkauf zu verfertigen, welcher heute, den 26. Fructidor, vor sich gehen solle. Als ich nun in der Behaußung besagten Barons vom Stein zu Bodendorf Cantons Remagen angekommen war, wurden den versammelten Kauflustigen folgende Lasten, Clauseln und Bedingnisse, welche zur gegenwärtigen Minute hingelegt wurden, öffentlich vorgelesen.

Cahier des Charges, Clauses et Conditions, auxquelles les Biens du Frédéric Baron de Stein situés ä Bodendorf seront vendus. (Übersetzung: Verzeichnis der Lasten, Clauseln und Bedingungen, unter denen die in Bodendorf gelegenen Güter des Barons Friedrich vom Stein verkauft werden.)

1. Wird das Wohngebäude nebst dazugehörigen Stallungen, Scheuer, Kellerhauß und Gärten, und zwar das Hauß mit dem, was niet- und nagelfest ist, in dem Kellerhause die Büdden samt beiden Keltern, in der Scheuer das Kelter und sämtliche kleine Keltergerätschaften im Keller, die Lagerhölzer zum Verkauf ausgesetzt.

2. Die Grundstücke, nehmlich: Akkerland, Weingärten, Wiesen samt Rahmbüschen werden, so wie solche vom Ortsvorstand taxiert und von den gegenwärtigen Pächtern bis heran benuzzet worden, zur Versteigerung gebracht.

3. Weswegen bestimmt wird, daß wenn in der hier zum Grund gelegten Güterbeschreibung etwa ein Irrthum obwalten sollte, deshalb der Verkäufer nicht in Anspruch genommen oder ein Abzug an den Kauferzielungen gemacht werden könne.

4. Die Güter werden nach erhaltenem Zuschlage mit allen ihren Rechten und Gerechtigkeiten zwar gleich an den Käufer, jedoch mit Vorbehalt des Eigentumsrechtes bis zur erfolgten gänzlichen Zalung übertragen, und sollen dem Käufer alle darüber sprechende Papiere, Dokumenten etc., so darauf Bezug nehmen, demnächst extradirt werden, auch wird weiter angemerkt, daß das Gut bei der ehemaligen Verfaßung blos Ritter-Steuer zu entrichten hatte; die diesjährige Abnutzung der Felder, Wiesen und Weingärten bleibt dem Verkäufer, so wie der Einzug und die Benutzung der Gebäulichkeiten erst kommenden Eilften (= 11.) Nivose eingeräumt wird.“

Artikel 5. – 13. enthalten Einzelheiten über Zahlungsbedingungen, Termine und Sicherungen.

Dann fährt die Urkunde fort:

Nach geschehener Vorlesung bemeldter in dreizehen Artikeln bestehenden Bedingnißen wurden von den anwesenden Kaufliebhabern bemerkt: daß sie ihr Gebot nur unter der expressen Bedingnis abgeben würden, daß sie nur alle Abgaben, wie sie einen Namen haben mögen, nach Ablauf des zehenten Jahres zu übernehmen verbunden seyn sollten.Nachdem nun der Bürger Furth von Köln, Hofman von Remagen, Fuchs von Bonn mehrmals Gebote getan hatten, so wurde besagtes Gut zu Bodendorf nach Neunzig Geboten dem Bürger Jean Peter Fuchs von Bonn, Dpt. von Rhein und Mosel, als Letzt- und Meistbietendem, zu vier und zwanzig Tausend fünf Gulden Rheinisch zugeschlagen, und erklärte derselbe, besagten ihm vorgelesenen Klauseln und Bedingnißen ein Genügen zu leisten.

Hierauf hat der Bürger Jean Baptiste Kilian und Gottlieb Friedrich Wieler nach geschehener Vorladung gegenwärtigen Akt mit uns, Notar, sodann den Zeugen Jean Peter Broichcr von Sinzig und Franz Engel von Coblenz, so hierzu erbeten worden, eigenhändig unterzeichnet.

So geschehen Bodendorf in der Steinischen Behaußung heute den sechs und zwanzigsten Fructidor zehenten Jahres der Fränkischen Republik.

unterzeichnet 

J. B. Kilian 
G. F. Wieler 
J. P. Fuchs
T.: Engel – Broicher testis 
Pierre Joseph Kriechel Nre. public, 
Enregistré à Adenau.“