FRANZ STEINBORN ZUM GEDÄCHTNIS
geboren 1900 in Bad Neuenahr, gestorben 1961 in Sinzig
VON W. KNIPPLER
Foto: Werner Steinborn
Im Nachlaß Franz Steinborns begegnete mir ein Exlibris, das die Silhouette der Landskron zeigt. Davor steht eine Sonnenblume. Die Diagonale des Blattes bildet ein Pinsel, auf dessen Spitze sich ein kleiner Singvogel wiegt. — Darin liegt vieles vom Wesen Steinborns: die Liebe zur Heimat, zu den Blumen und zum Gesang.
Steinborn gehörte an die Ahr. Er kannte und malte sie von der Quelle bis zur Mündung, jeden stillen Winkel und die verborgenen Gassen. Er sah sie, wie sie heute sind und wie sie früher waren. Die Blumen hatten es ihm besonders angetan, die ganz unscheinbaren, aber auch die großen Königskerzen, die bescheidene Distel und die goldene, strahlende Sonnenblume, die er hundertmal gemalt hat. Sein Haus stellte er mitten hinein in lauter Blumen. Ein. schöner Wesenszug war sein Verhältnis zu den Kindern. Er war der rechte Lehrer der Unterstufe, und die Kinder spürten das. Heimatliebe säen, Heimat ergründen auf hundert Gängen mit einem frohen Lied auf den Lippen, das konnte er.
Diese alles aber hätte ihn nicht sonderlich herausgehoben aus der Menge der Natur= und Heimatfreunde. Steinborn konnte mehr aufweisen: Da war zunächst seine unermüdliche Einsatzbereitschaft. Für jeden war er da und zu jeder Zeit. Nie kannte er eine Pause. Seine rastlose Tätigkeit ließ ihm keine Minute zum Philosophieren. Noch mehr staunen wir über seine Vielseitigkeit. Er war kein Redner, nur Praktiker, ein Meister der Improvisation und beileibe nicht nur Maler. Wohl malte er schon als Junge, er mußte malen, aber nicht nur malen! Er werkte im Kleinen, schnitzte und bastelte hunderterlei. Dann aber schuf er er im Großen: Modelle für Verkehrsämter und Industrieausstellungen, das Relief der Stadt Sinzig. Er schenkte Bühnendekorationen und entwarf Karnevalswagen zu den Rosenmontagszügen. Mehr als dreißig Wagen des Neuenahrer Dahlienkorsos hat er gestaltet. Erinnern wir uns noch der japanischen Geisha und des orientalischen Blumenteppichs? Denken wir noch zurück an das Café de la Paix und an manchen Triumphwagen der Dahlienköniginnen? — Niemals wäre dieser Fleiß und wäre diese Vielseitigkeit möglich gewesen ohne ein Letztes: In einer Zeit der Hetze fand er die kleinen Schönheiten am Wege, und in einer Zeit der weltweiten Angst war er ein Mensch, der „sein Apfelbäumchen pflanzte“, wie Martin Luther es meinte, ein Lebenskünstler.
Da haben wir den Widerglanz der goldstrahlenden Sonnenblume, den unbesiegbaren Optimismus, die Lebenslust, die abgrundtief aus ihm hervordrang. Er war ein Ja=Sager zum Leben, als Lehrer, als Maler, als Sänger und in seiner Familie. Seine Lebensfreude schaut aus seinen Bildern hervor. Lr grübelte nicht viel, suchte nicht lange nach eigenwilligen Farbeffekten. Alles Schwere, Problematische mied er. Fünfzehnmal hat er sich immer wieder vollgepumpt in der südlichen Sonne der Alpenwelt mit immer wieder neuem Lebensmut. Das war vielleicht das Geheimnis seines Jungbleibens.
Ich fragte ihn einmal, wann er in den Ruhestand zu treten gedenke, also die Schulmeisterei an den Nagel hängen wolle. Seine Antwort war bezeichnend, echt Steinborn! Er sagte: „Wenn ich mich zum ersten Mal in der Schule ärgere!“ — Das mag weit übertrieben gewesen sein, aber der Ausspruch kennzeichnet seine Wesensart, vielleicht auch seine etwas bohemehafte Künstlergleichgültigkeit. Brachte er es doch zur „Freude“ seiner Frau fertig, die Malerfinger an der Sonntagshose abzuwischen! — War er zu sorglos? — Er arbeitete an einem großen Modell des Neuenahrer Kurhauses, Werk vieler, vieler Stunden. Um meine Bedenken wegen der Haltbarkeit zu zerstreuen, hob er es etwa einen Meter hoch — und ließ es auf den Boden fallen. Ich schrie auf. Er meinte seelenruhig: „Das muß das aushalten!“
So hat er wohl auch zu seinem Herzen gesagt: „Du mußt das aushalten!“ Aber sein Herz hielt nicht aus, es blieb stehen, zur Untätigkeit verurteilt. Das aber kann man sich bei Steinborn schlecht vorstellen.
Ja, wenn man drüben weiterschaffen könnte! Wenn es dort so etwas gäbe wie eine Unterstufe, Mädchen mit Kulleraugen, Buben, die heimlich noch an den Nägeln kauen, und er dazwischen, einen Pinsel in der Hand und Sonnenblumen, noch goldener und strahlender als hier! Das wäre fein!
Daß man sich hier an der Ahr immer wieder seiner erinnern wird, dafür sorgen schon seine Aquarelle; denn die hängen bei uns an hundert Wänden.