Franz Liszt AUF NONNENWERTH

Unweit des vielbesungenen Rolandsbo-gens bei Rolandseck grüßt den Rheinfahrer ein von den Malern und Dichtern im vorigen Jahrhundert immer wieder voll Begeisterung gescheutes Bild: Es ist die Insel Nonnenwerth, auf der sich, von hohen, dunklen Bäumen umstanden, der Bau eines Klosters erhebt, eine von der Sage des tapferen Ritter Roland umwobene Stätte. Ihr ernstes und doch anmutiges Bild prägt sich dem Gedächtnis auch der Reisenden ein, die, von der Unruhe der Zeit getrieben, hastig an ihr vorüberfahren. Anders und tiefer als wir Menschen der Gegenwart empfanden die Menschen der Vergangenheit diese Landschaft. So spiegelt sich in dem Bericht, den der Graf Friedrich Leopold von Stolberg von seiner Rheinreise im Sommer 1791 gegeben hat, die für große Natureindrücke aufgeschlossene Seelenhaltung der Geniezeit wider. Als der Freund des jungen Goethe von Bonn stromaufwärts fuhr, wurde ihm der Anblick von Nonnenwerth zum Erlebnis: „Als wir dicht an den Rhein kamen, schien er uns viel schmäler, als wir ihn vorher gesehen hatten. Wir vermuteten ein tieferes Felsenbett, aber auf einmal sahen wir, daß die Bäume jenseits dieses schmalen Flusses einer Insel gehörten, hinter welcher eine zweite Insel aus dem Wasser sich erhob. Nun sahen wir den mächtigen Rhein, verteilt In drei Ströme, sechs Ufer netzen und segnen. Auf der zunächst gelegenen Insel steht mitten in einem elysischen Lustwäldchen ein Nonnenkloster, genannt Nonnenwerth.“

Dieses Kloster, von dem Graf Stolberg spricht, war zu jener Zeit eine Benediktinerinnenabtei, die der Kölner Erzbischof Friedrich I. von Körnten im Jahre 1122, zugleich mit der Benediktinerabtei Siegburg, gestiftet hatte. Sie bestand fast siebenhundert Jahre, bis die von Napoleon am 9. Juni 1802 angeordnete Aufhebung der Klöster auch dem friedlichen Wirken der Nonnenwerther Benediktinerinnen ein Ende bereitete. Zwar gestattete eine kaiserliche Verfügung vom 30. Oktober 1804 den Nonnen, ihr Leben auf der Insel zu beschließen. Die preußische Regierung nahm aber die Insel in Besitz und ließ sie am 25. April 1821 mit Kloster und Wirtschaftsgebäuden meistbietend in Koblenz versteigern. Der Erwerber, ein früherer Rentmeister des Fürsten von der Leyen, C. A. Sommer, richtete in den Klostergebäuden eine Gastwirtschaft ein. Ernst Moritz A r n d t, der Freiheitsdichter und Bonner Professor, kam oft in diese „von zahllosen Vogelstimmen durchklungene Au“. Aber den meisten Menschen in jener Zeit war wohl die überfahrt im schwanken Nachen zu beschwerlich. Die Gastwirtschaft ging schlecht. Als Sommer seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der preußischen Regierung nicht mehr nachkam, übertrug diese ihre Rechte an Frau Margarete von Cordier aus Frankfurt, die die Hauptgläubigerin war und nun auch Eigentümerin der Insel wurde. Sommer blieb als Pächter der Gastwirtschaft bis zum Jahre 1844. Eines Tages, es war im August 1841, weilte ein Paar auf der Insel, das das Interesse der anderen Gäste in hohem Maße erregte.

DIE INSEL NONNENWERTH
Kupferstich von Günther, nach einer Zeichnung von Schütz, Aus dem Besrtz des Verfassers,

Die Dame, die mit ihrem schlanken, hohen Wuchs, mit einem feingeschnittenen Profil und einer Fülle blonder Locken eine sehr anmutige Erscheinung war, kannte zunächst niemand. Der Herr jedoch, ebenfalls groß, mit markanten Zügen, einer Künstlermähne und mit Händen, die durch die Langgliedrigkeit der Finger auffielen — das war ohne Zweifel der als Klaviervirtuose berühmte Franz L i s z t. Dann aber konnte seine Begleiterin niemand anderes sein als die Gräfin Maria d’A g o u l t. Man raunte sich die wahrhaft romantische Liebesgeschichte zu, die alle Welt kannte: Die Gräfin, eine gefeierte Schönheit, empfing in ihrem Pariser Salon, in dem sich oft Musiker und Literaten mit Freunden der Kunst trafen, 1835 auch den dreiundzwanzigjährigen Liszt. Die Bewunderung, die beide bald füreinander empfanden, wurde zur Liebe, die Liebe wuchs zur lodernden Leidenschaft. Schließlich verließ Maria d’Agoult ihren Mann und ihre Kinder und folgte dem Geliebten, dessen unruhiges, aber auch an Triumphen reiches Künstlerleben sie fortan auf seinen Konzertreisen in der Schweiz, in Deutschland und Italien teilte.

Das Paar, dieses Reiselebens endlich müde, suchte nun einen ruhigen Platz und glaubte, ihn auf dem stillen Nonnenwerth gefunden zu haben. Zu dem ursprünglich geplanten Ankauf der Insel konnte sich Liszt zwar nicht entschließen, er verlebte aber mit der Gräfin d’Agoult hier den Spätsommer und Herbst 1841. Ebenso sahen die Sommermonate der folgenden beiden Jahre das Paar, diesmal mit ihren Töchtern C o s i m a — der späteren Gattin Richard Wagners — und A m a n d a , auf Nonnenwerth; es schien fast so, als ob in dieser rheinischen Idylle die Schatten verschwänden, die auf das Glück der Liebenden gefallen waren und die bald darauf vollzogene Trennung bereits ahnen ließen.

Auch für Liszts künstlerisches Schaffen bedeutete der Aufenthalt auf Nonnenwerth eine Bereicherung. Von hier aus besuchte er Köln, Bonn, Koblenz und andere rheinische Städte, wo er mit seinem unvergleichlichen Klavierspiel ungezählte Menschen zur Begeisterung hinriß. Diese Konzerte waren oft der willkommene Anlaß, den berühmten Klaviervirtuosen enthusiastisch zu feiern. Als sich Liszt auf eine Einladung hin bereit erklärt hatte, ein Konzert zum Besten des Kölner Domes zu geben, holte ihn die Philharmonische Gesellschaft mit einem festlich geschmückten Dampfer ab. Am 22. August näherte sich der Dampfer um die Mittagsstunde der Insel. Wie L. Ramann in ihrer Liszt-Biographle schildert, zogen die dreihun-dertvierzig Philharmoniker, mit Bläsern an der Spitze, „in die Kapelle des Klosters, wo der kräftige, gut geschulte Männerchor ihn musikalisch begrüßte. In Rolandseck war das Festmahl vorbereitet. Es verfloß mit einer Heiterkeit und einem Enihusiasmus, wie vielleicht nur der weinbekränzte Rhein ihn kennt“. Die Begeisterung erreichte ihren Höhepunkt bei einem von Liszt auf die Kölner Philharmoniker ausgebrachten Trinkspruch. Er feierte den Männergesang im allgemeinen und hob hervor, daß „kein Land etwas Ähnliches besitze wie die Liedertafeln Deutschlands und insbesondere die Liedertafeln am Rhein“. — Nach dem Mahl kehrte man nach Nonnenwerth zurück, wo sich inzwischen, von den Festklängen angelockt, zahlreiche Schiffe und Kähne mit den Uferbewohnern an Bord gesammelt hatten. Auf der Insel wimmelte es von Menschen, wie dies wohl nur in der Blütezeit ihrer kirchlichen Feiertage der Fall gewesen sein mochte. Liszt ließ den Flügel in die Kapelle bringen, und bei weit geöffneten Türen ertönte nun sein begeistertes und Begeisterung weckendes Spiel durch die sonst so einsamen, verödeten Hallen. Das Konzert, das Liszt am nächsten Tage gab, erbrachte einen hohen Betrag für die Vollendung des Domes. Einen sehr anschaulichen Bericht über Liszts und der Gräfin d’Agoult Aufenthalt auf Nonnenwerth enthält das im Klosterarchiv befindliche Tagebuch von Frau von C o r d ! e r aus dem Jahre 1841.*) Es umfaßt den Zeitraum vom 4. August bis 25. Oktober. Die lebendige Darstellung läßt erkennen, wie die Verfasserin immer stärker aus einer anfänglichen Zurückhaltung heraustritt und zu einer begeisterten Verehrerin des Künstlers und Menschen Liszt wird. Sie stellt ihm ihren eigenen wertvollen Flügel zur Verfügung. Anfangs „hämmert“ er — zum Entsetzen der Eigentümerin — ,,wie rasend“ auf dem Instrument herum. Dann aber heißt es: „Liszt spielte himmlisch! — O der herrliche Gottbegnadete! Was andere in ihrer Phantasie nur geahnt, er drückte es aus in eigenem Selbstvergessen. Wir alle waren hingerissen, und es ergriff mich seltsam und bedrückte mich, nach kurzem Träumen, nach Aufhören seines Spiels, mich in die prosaische Welt zurückversetzt zu sehen!“ Und weiter: „Liszt elektrisiert alle, die mit ihm in Berührung kommen. Er ist mehr das Gegenteil von ,schön‘, allein sein Auge durchleuchtet von innerer Glut, die sein ganzes Wesen ausströmt!“ Und an einer anderen Stelle des Tagebuchs lesen wir: „Die Göttlichkeit in seiner genialen Kunst verklärt den Menschen, der darin aufgeht.“

Nicht genug weiß Frau von Cordier von der persönlichen Liebenswürdigkeit des Meisters, mit der er die Herzen gewinnt, zu erzählen: Er ist als Mensch „hinreißend in seiner Konversation und verscheucht bei denen, mit denen er spricht, schnell und restlos jede Zurückhaltung.“ — „Seine Worte sind wohltuend und kommen aus einem Herzen, das nur wahr und aufrichtig immer nur das Edle will.“ Ähnlich beurteilt die Verfasserin die Gräfin d’Agoult, die sie die „Contessa“ nennt. Bei dem ersten Zusammentreffen mit dem Paar lag zuerst „etwas Peinliches in der Konversation, was nach allem, wie die Verhältnisse lagen, begreiflich ist. Aber die beiderseitige Befangenheit wich bald einem aufrichtig herzlichen Ton.“ Und am 18. Oktober schreibt sie: „Heute besuchte uns die liebliche Contessa, und ich promenierte längere Zeit mit ihr. Sie hat eine reizende, wundervolle Gestalt und ein zu anmutiges Wesen … Ich verstehe, daß Liszt in ihr seinen guten Geist, seinen Genius sieht und verehrt, daß ohne ihre Liebe der in der Vollkraft des Lebens Stehende (damals Dreißigjährige) leicht sich von der Höhe seines Strebens könnte abwendig machen lassen. Ich denke an George Sand — und vergleiche sie mit der Contessa, dieser Lieblichsten der Lieblichen, und bin ihr gut, weil sie mich dazu zwingt.“

*) Abgedruckt in der Festschrift „100 Jahre Franziskanerinnen von Nonnenwerth, 1854—1954″, S. 25 bis 28.

F R A N Z      L l S Z T      UM      1 8 4 0
Kupferstich von C. Gonzenbach nach einer Zeichnung von W. Kaulbach. Aus dem Besitz der Universitäts-Bibliothek Bonn

Liszt wirkte während seines Aufenthalts auf Nonnenwerth wie ein großer Magnet auf die Umwelt. Von weit und breit kamen die damals in der ersten Blüte stehenden Männerchöre, um den Meister zu sehen und ihm im Liede zu huldigen. Unter dem 8. August schreibt Frau von Cor-dier: „Außer verschiedenen Liedertafeln eine Unmenge Gäste! Vor- und nachmittags kamen zahlreiche Züge und Kähne voll Menschen. Das ganze Eiland voller Gäste, der Garten prangte infolge aller brillanten Toiletten wie ein einziges buntes Blumenbeet.“ Am 14. August findet sich die Eintragung: „Nachmittags war wieder des Jubels und Trubels kein Ende. Bewimpelte Kähne der Bonner Musensöhne en masse! Im großen Saal ward gespielt und getanzt. Alles in vollem Enthusiasmus! Die jungen Damen haben Liszts Stube mit Blumen und Laub geschmückt, ihm Vivat zugerufen. Er spielte ihnen vor und hat dann sogar im großen Saal mit ihnen Blindekuh gespielt! — Am 22. August wurde es in der Nacht außer einem Ständchen (das Verehrer Liszts ihm darbrachten) noch stürmisch im Haus durch die Engländer“, die wie viele andere auch des Meisters Spuren gefolgt waren. Die Gastwirtschaft mit ihren weiten Sälen und etwa fünfzig Gastzimmern ist, seitdem der „weltberühmte Zauberer aus Ungarland“ auf der Insel weilt, ständig überfüllt. Frau von Cordier muß den Pächter anweisen, „für Verdoppelung der Bedienung Sorge zu tragen. — Es ist merkwürdig, wie die Anwesenheit eines einzigen so bedeutsamen Menschen alles bis dahin Bestandene auf den Kopf zu stellen vermag.“ Unter den zahlreichen Besuchern des berühmten Klaviervirtuosen finden sich auch andere ebenso berühmte Persönlichkelten. Da ist vor allem Aurore Baronin Dupin-Dudevant zu nennen, die unter dem Namen George Sand in jener Zeit sehr bekannte französische Romanschriftstellerin, Freundin Chopins, Liszts und Alfred de Mussets. Sie weilte vom 4. bis zum 29. August auf Nonnenwerth und fiel auch hier durch ihr eigentümliches zwiespältiges Wesen auf. „Ich sprach längere Zeit mit George Sand, und es gefiel mir, was und wie sie sprach“, berichtet Frau von Cordier in ihrem Tagebuch unter dem 14. August. „Ihre Ausdruckswelse ist vornehm und klar. Es freute mich, daß sie von meinem ,Paradies‘, wie sie es nannte, entzückt war, daß sie länger bleiben wollte, und daß trotz aller Unruhe, die der gefeierte Künstler hervorrief, sie ,hinlänglich Muße für sich fände.“ — Am 22. August aber wehte der Wind von einer anderen Seite: „George Sand war aufgeregten Wesens und benahm sich, ihrer uns bekannten Art entgegen, wie eine gereizte Theaterdirne en mauvaise humeur, was ignoriert wurde.“ Unter dem 16. August lesen wir: „George Sand läßt ihr Gepäck holen und das von Franz Liszt . . .“, am 29. August aber: „Liszt bleibt auf Nonnenwerth. George Sand ist alleine abgereist.“ Man fühlt förmlich, wie erleichtert die Verfasserin über diese Lösung ist. Sie schreibt: „Ist es unrecht, daß ich mich so von Herzen über sein Bleiben freue?“ Und noch ein anderes Frauenherz scheint zufrieden: „Die Contessa, die für kurze Zeit Nonnenwerth verlassen hatte, ist zurückgekehrt.“ Wie mag aber erst der Pächter und Gastwirt Sommer aufgeatmet haben, daß der „goldene Schwan“ seinem Hause weiter erhalten blieb! Er wurde von seinen Berufskollegen am ganzen Rhein wegen dieses Gastes glühend beneidet. Ja, ein benachbarter Hotelier auf der anderen Seite des Stromes setzte gar „alle Hebel in Bewegung, um den Gefeierten zu entführen“. Nun, Liszt fühlte sich sichtlich wohl auf Nonnenwerth, das er erst Ende Oktober verließ, kurz nachdem auch die Gräfin d’Agoult abgereist war. Vorher empfing er noch den Besuch des Komponisten Louis S p o h r und beging am 22. Oktober auf der Insel seinen dreißigsten Geburtstag. Wohl den Höhepunkt des Festes bildete die „Pflanzung eines Bäumchens, welches als stetiges Denkmal seines hiesigen Aufenthaltes wachsen sollte und, gen Himmel ragend, ein Symbol seines Genius darstellen sollte.“ So Frau von Cordier, die sich bei dieser Feier wegen einer Erkrankung durch ihre Tochter Auguste — unter dem Namen „Mutter Angela“ hat sie später als Oberin von Nonnenwerth segensreich gewirkt — vertreten ließ. Das von dem großen Klaviervirtuosen gepflanzte Bäumchen — die „Liszt-Platane“ — aber ist in mehr als hundert Jahren zu einem gewaltigen Baum herangewachsen und hält die Erinnerung an die Jahre 1841 bis 1843 wach, in denen der Meister hier weilte. Diese Jahre bilden in der langen Geschichte des „Liebfrauen-Eilandes“ zwar nur eine kurze Episode, sind aber für die Musikgeschichte doch nicht ohne Bedeutung. Denn auf Nonnenwerth empfing der Künstler entscheidende Impulse für sein kompositorisches Schaffen. Während seines Aufenthaltes entstanden hier seine ersten Männerchöre, darunter der Friedrich Wilhelm IV. als Dank für die Liszt verliehene Friedensklasse des Ordens Pour le Merite gewidmete Chor „Was ist des Deutschen Vaterland“, ferner eine Anzahl Lieder, die vom Duft der Rheinromantik erfüllt sind. In diesen musikalischen Schöpfungen Franz Liszts spiegelt sich gleichzeitig die in ihm erwachte Liebe zur deutschen Dichtung. Die ersten von Ihm vertonten Lieder in deutscher Sprache waren Heines „Loreley“ und „Am Rhein im schönen Strome“, Goethes „Mignon“, „Der du von dem Himmel bist“ und „König von Thule“. Ein Männerquartett „Rheinweinlied“ nach dem Gedicht von Georg Herwegh widmete Liszt seinem Freunde Lefebre in Köln. Unter den sechzig Liedern und Männerchören, die er in den folgenden Jahren und Jahrzehnten komponierte, stammten nicht weniger als einundfünfzig von deutschen Dichtern. Von den großen Instrumentalwerken, die Liszt auf Nonnenwerth niederschrieb oder doch skizzierte, sei die Don Juan-Fantasie genannt. Vor allem aber darf die Elegia „Nonnenwerth“ für Violine und Klavier nicht vergessen werden, die 1886 in Rom unter seiner Leitung aus dem noch ungedruckten Manuskript aufgeführt wurde. Das letzte auf Nonnenwerth vertonte Lied war ein von dem Fürsten Felix von Lichnowsky der Gräfin d’Agoult gewidmetes Albumblatt „Die Zelle von Nonnenwerth“. Wehmütige Abschiedsstimmung weht durch diese Verse des ungarischen Fürsten, der Liszt und der Gräfin von Paris her befreundet war und zusammen mit dem Grafen Alexander Teleky zu den regelmäßigen Sommergästen des Paares auf Nonnenwerth gehörte:

Ach, nun taucht die Klosterzelle
einsam aus des Wassers Welle,
und ich seh‘ in meinen Schmerzen,
daß die Zelle fremd dem Herzen.
Denn die eine mußte fliehen,
die den Zauber hat verliehen
dieser Zelle, die umfangen
hält der Rhein mit Liebesbangen.
Wird sich zu mir Hoffnung neigen,
sollen meine Lieder schweigen?
Dies — das letzte meiner Lieder —
ruft dir: Komme wieder, komme
wieder!

Der in dem Gedicht ausgesprochene Wunsch nach einer Wiederkehr sollte jedoch unerfüllt bleiben. Es wurde ein Abschied für immer. Sommeridyll und Liebestraum von Nonnenwerth gehörten nun der Vergangenheit an. Schmerz und Trauer erfüllten das Herz des Mannes, Bitterkeit und Groll aber das der Frau; 1845 veröffentlichte sie in Paris unter dem Schriftstellernamen Daniel Stern den Roman „Nelida“, in dem sie die Schale ihres Zornes über den einst so sehr geliebten Künstler und Menschen Franz Liszt ausgoß.

Auf Nonnenwerth trat 1844 Bernhard Klein aus Honnef als Pächter ein. 1846 verkaufte Frau von Cordier die Insel für 29000 Taler an die Elisabetherinnen-Ordensmutter Ignatia Külpmann aus Köln, die dort ein Hospital und Pensionat einrichtete. 1847 übernahm es Anna von Proff-lrnich und gründete gemeinsam mit Auguste von Cordier ein Erziehungsinstitut für Mädchen, das, von Franziskanerinnen geleitet, heute noch besteht. Hier war vorübergehend — von 1847 bis 1850 — auch Luise H e n s e l , die Dichterin des unsterblichen Gebetes „Müde bin ich, geh‘ zur Ruh“, als Erzieherin tätig. So ist die Insel Nonnenwerth seit Jahrhunderten bis in die Gegenwart hinein geweiht durch den Gottesdienst frommer Klosterfrauen, geweiht ebenso durch das Wirken der gotterfüllten Dichterin Luise Hensel. Im ewigen Rauschen des Stromes, der das Eiland umspült, erklingen aber auch die herrlichen Melodien, die Franz Liszt hier dereinst niederschrieb. Diese Kompositionen sind in den geistigen Besitz der Völker übergegangen, für die solch große Musik noch eine Bereicherung und Erhöhung ihrer Kultur bedeutet.