Finderglück — Instinkt?
Plauderei über Entdeckungen von frühen Funden
Carl-Heinz Albrecht
»Dieser Bergungstag war ein Glückstag« — Ein lapidarer Satz voller Erlebnisse für einen Wandererzwischen zwei Welten, der wachen Auges durch Flur und Feld streift und dabei noch zum Entdecker früher Spuren einer vorgeschichtlichen Zeit in unserem Kreisgebiet wird. Gerade die Nachrichten von neueren Fundstellen sind voller persönlicher Erinnerungen an einmalige Entdeckungsumstände. Sind sie es nicht wert, einmal kurz dargestellt zu werden?
Kommt hier nicht die »Vergangenheit« mit ihrer eigenen Sprache unmißverständlich an unser Ohr? Die geschichtliche Situation zu erkennen, die zu uns aus diesem oder jenem Funde spricht, ist schon allein beglückend.
Nach dem zweiten Weltkrieg sind in dem »archäologisch fundleeren Kreis Ahrweiler« eine Vielzahl vor- und frühgeschichtlicher Fundstellen bekannt geworden, die Veranlassung geben werden, der vorgeschichtlichen Besiedlung unseres Gebietes mehr Beachtung zu schenken. Ein gewisser Umdenkungsprozeß in den bisherigen siedlungspolitischen Erkenntnissen ist sicherlich signalisiert.
In den fünfziger Jahren sind im Ahrweiler Stadtwald durch die »Vinca-Gruppe« wertvolle Entdeckungen der vorgeschichtlichen Besiedlung geglückt. Die Eisenerzverhüttungsanlage wird als eine hervorragende Fundstelle in wissenschaftlichen Kreisen gewertet. Mit welcher Begeisterung von der »Vinca-Gruppe« gegraben, gebuddelt (ohne staatl. Genehmigung versteht sich) wurde – ohne Rücksicht auf Feierabend oder Wochenendruhe – der kann sich heute noch an den lebhaften Schilderungen unserer Mitbürger erfreuen. Wer kennt nicht die Männer der »ersten Stunde«: Herber, Koch, Simon und in memoriam Lilienthal … Die Entdeckung der Eisenschmelzersiedlung hat immerhin dazu beigetragen, daß das wissenschaftliche Team der Universität Bonn sich dieser Grabung besonders annahm. Leider ist über das wissenschaftliche Ergebnis dieser langjährigen Grabung bisher keine Veröffentlichung erschienen.
Doch: Kehren wir zu eigener Beobachtung an vorgeschichtlichen Fundstellen zurück. »Spannend wie im Krimi« konnte ein Zeitungsbericht überschrieben werden. Und wirklich: Selbst ein hochverdienter »Zeitungsmann« ließ sich zu dieser Überschrift über einen Besichtigungstag im Gebiet von Dedenbach verleiten. Warum »verleiten«? Nein. Es war wirklich ein Erlebnis, ein innerer Glückstag für unseren Heimatfreund, als er aus dem Boden ein Halsstück, ein Bodenstück eines römischen Kruges aus dem Erdreich hervorholte. Er jubelte. Endlich ein römisches Fragment eines Kruges. Beglückend — wenn ein solcher begeisternder Freudeausbruch spontan kommt.
Sollte nicht auch die Jugend über einen sehr alten Fund irgendwie angesprochen werden? Hat die Jugend noch eine Beziehung zur geschichtlichen Entwicklung in unserem Gebiet? Ja – sie hat es! Sie muß nur an das Heimatgut herangeführt werden. Wo bleibt der Heimatunterricht in der Schule? In Kirchdaun war es eine unvergeßliche gemeinsame »Buddelei« an Fundamenten einer römischen Fundstelle, die bereits dem zuständigen Denkmalamt bekannt war. Emsig wurde »gebuddelt« und eifersüchtig darauf geachtet: Du hast einen schöneren Fund, eine Scherbe, eine Münze, einen Bronzering geborgen. Wie konnte sich Gerhard freuen, als er auf eigenem Grund und Boden die römischen Siedlungsspuren entdeckte. Unfaßbar: Gerhard wurde das Opfer eines Verkehrsunfalles.
Die Entdeckung früher Funde sollte umgehend dem Denkmalamt in Koblenz gemeldet werden. Nur eine systematische Bearbeitung durch den Fachmann garantiert die Sicherung wertvoller archäologischer Bestände — wie hier am Ahrweiler Silberberg
Foto: Kreisbildstelle
Unsere Mädels und Jungen waren unermüdlich dabei, die Relikte der römischen Siedlungsspuren zu bergen. Es gab keine Enttäuschung, als die Fundstücke nicht den »Gräbern« zur Verfügung gestellt werden konnten, sondern einer ordentlichen Aufbewahrung zugeführt wurden. Im Museum in Ahrweiler sind noch Münzen, ein Rebmesser, ein Rasiermesser und ein Ring mit Andreaskreuz aufbewahrt.
Diese Fundbeobachtungen in Kirchdaun waren außerordentlich wichtig für die gesamte Erkenntnis der vorgeschichtlichen Siedlungsspuren im Kreisgebiet.
Dennoch: Die Entdeckungen vorgeschichtlicher Besiedlungsspuren ließen mich nicht los. War es Spürsinn-Instinkt: Du mußt in die Baugrube — dort sind bestimmt vorgeschichtliche Spuren zu finden. So ahnte ich es. Unvergeßlich: Auf einer dienstlichen Fahrt beobachtete ich an der Ahrweiler Straße einen beginnenden Aushub für eine Baustelle. Leider konnte ich nicht an der Baustelle verweilen, erst gegen Feierabend fuhr ich noch einmal an der Baustelle vorbei — fast magisch angezogen: Der Schaufelbagger stand still, die Bauleute tummelten sich in diesem Moment in der Baugrube: Sie hatten »etwas entdeckt«, das war mein erster Gedanke. Ein Sprung in die Baugrube und schon erkannte ich die Bruchstücke einer sehr frühen Keramik. Ein fast ganzes Gefäß hing noch hoch in der Schaufel des Baggers —. Darüber hinaus konnte ich noch Fragmente von fränkischen Waffen u. a. Sax usw. bergen. Immerhin war eine fränkische Siedlungsspur in der Ahrweiler Straße entdeckt. Die Fundstücke wurden umgehend als »fränkisch« vom Amt bestätigt.
Aber noch viel aufregendere Beobachtungen konnte ich machen: Beim Baubeginn der Brük-kenbauten für die Autobahn 61 wurde 1972 die große Talbrücke über das Bengener Tal gebaut. Die Pfeilergründungen hatten wieder mein Interesse erweckt: Hier muß eine Fundstelle sein. Ein Blick in die Masse der ausgehobenen Erdmassen verriet sofort: Römisch! Der aufsichtsführende Ingenieur war sehr erstaunt, als ich ihm die römischen Siedlungsspuren – Ziegel, Keramiken sowie Metallbruchstücke – zeigen konnte. Ein großer römischer Gutshof war erkannt. Natürlich wurde der Fund sofort der Dienststelle, dem Staatl. Amt für Vor- und Frühgeschichte in Koblenz gemeldet. Mit einer Besichtigung der Fundstelle durch die Experten aus Koblenz war es sicher: Ein römischer Gutshof war entdeckt.
»Du hast aber ein »Naschen« für Entdeckungen«, meinten meine Bekannten. Es sollte sich bei den umfangreichen Erdbewegungen beim Bau der Zufahrtsstraßen im Raum Ahrweiler bewahrheiten. Ende Januar 1973. Ein mäßig warmer, sonniger Urlaubsnachmittag verlockte zu einem Spaziergang in Richtung Baustelle Lan-tershofener Bachregulierung. Ein neuer Ableitungsgraben für den Lantershofener Bach wurde durch einen Schaufelbagger ausgehoben. War es Zufall? Dieser Abschnitt zog mich an: Der Bagger hatte seine Arbeit eingestellt – Feierabend – die Schaufel wurde von dem anhaftenden Erdreich befreit, da Frostgefahr an diesem Abend bestand. Mein Weg führte mich an dem Aushub vorbei. Und plötzlich: Grüne Klumpen im Lößlehmboden, Keramikbruchstücke aus Terra sigillata, ein Stück Bronzeblech — hier war eine einmalige Fundstelle. Der Baggerführer hatte von diesen Funden nichts bemerkt. Die schnelle Notbergung wurde zu Hause flüchtig überprüft. Urteil: sehr frühe römische Keramik, Bronze, ein Öllämpchen in Fußgestalt aus Bronze – helle Begeisterung im Hause. Natürlich eine sofortige Meldung an das Staatliche Amt in Koblenz und nach Bonn.
Diese Fundstelle, ein großes römisches Brandgrubengrab, hatte für für einige Zeit einen lebhaften wissenschaftlichen Disput zwischen zwei Dienststellen ausgelöst. Das Bronzefüßchen ist reumütig nach langer Irrfahrt in das Ahrgaumuseum heimgekehrt. Gott lob.
Die Baustelle im Bereich »An den Ulmen« sollte noch weit aufschlußreichere Fundnachrichten bringen. Die Vorarbeiten für den Abfahrdamm in Richtung Ahrweiler wurden mit der Erstellung und Verlegung des Abwässerkanals eingeleitet. Diese sehr tiefen Erdbewegungen — ca. 2 Meter tief — wurden zur Aufnahme der Rohrleitungen ausgeführt. Wer kroch in diesen Gräber herum? Leicht zu erraten. Mitten im Schneegestöber stapfte ich durch die Gräben und entdeckte Fundamente aus einwandfrei gesetzten Grauwackensteinen. Eine beträchtliche Strecke — ca. 16 Meter — von Fundamenten wurde an den folgenden Tagen durch das Staatl. Amt vermessen. Weitere Beobachtungen ließen noch weitere Fundamente erkennen. Leider konnte diese umfangreiche Fundstelle nicht wissenschaftlich untersucht werden. Das Staatl. Amt lehnte aus wohlüberlegten Gründen eine Freilegung dieses Komplexes ab, so daß leider keine Klärung über Bedeutung und Art dieses immerhin bedeutsamen Befundes vor den Toren der Stadt Ahrweiler herbeigeführt wurde. Den gesamten Siedlungskomplex »An den Ulmen« halte ich für den wichtigsten römischen Siedlungskomplex unmittelbar vor den Toren der Stadt Ahrweiler. Denn: Hier waren Siedlung, Gräber und Produktion (Ziegelei) einwandrei erkannt.
Wo gebuddelt wird — irgendwie tauche ich an diesen Stellen auf. Üben diese Flächen eine Anziehungskraft aus? Mag sein! In jüngster Zeit (Frühjahr 1981) wurde im Bereich Ahrweiler Straße ein Abwasserkanal ausgehoben. Eine kurze Orientierung an Ort und Stelle. Sofort erkenne ich eine vorgeschichtliche Urne im Lehm. Nach kurzer Rücksprache mit dem leitenden Ingenieur der Baustelle über Beobachtungen in seinem Abschnitt über frühere Siedlungsspuren: »Wir hebbe nix«. Sofort konnte ich darauf hinweisen: Dort hängt eine vorgeschichtliche Urne im Lößlehm! Diese Feststellung war für den Ingenieur unfaßbar. Die Urne aus vorgeschichtlicher Zeit konnte geborgen werden. Immerhin ein Hinweis auf die frühere Anwesenheit einer Siedlungsgruppe, einer Gemeinschaft, die ihre Toten beerdigte — vor dem alten Arwillere!
Doch sind damit alle Erinnerungen an beglük-kende Fundstellen erwähnt? Noch eine merkwürdige Begegnung mit einem äußerst seltenen Fund. Eine Hofeinfahrt im Ringener Raum ließ als Absicherung des Tores einen merkwürdigen Stein erkennen. Das gibt es doch nicht! Ein kurzer Blick auf das Objekt: Ein neolithischer Fund — ein Napoleonshut — diente treu und brav als Torstein. Viele Leute sind an dieser Stelle vorbeigegangen, gefahren und sahen nichts. — Instinkt? Ein sehr alter Zeuge der Besiedlung in unsrem Raum war entdeckt.
Vielleicht sei hier eine Zwischenbemerkung erlaubt: Gibt’s ehrliche Finder? Ist es Erziehungssache? Ist ein Fundstück nicht wert, daß es in sicherer Aufbewahrung der wissenschaftlichen Deutung zugeführt wird? Mag dieser Hinweis dazu anregen: Hände weg von Funden zu eigener Anschauung, zur Aufbewahrung in eigenen Vitrinen. Seid keine »Raubgräber«!
Die Zeit eilt — die Erinnerung an eigene geborgene Fundstücke oder erkannte Fundstellen ist so lebhaft, so daß es doch ein wenig nützlich erscheint, diese Erinnerung wach zu halten. Ich habe es versucht. Dennoch wird mich die Entdeckung einer Fundstelle immer wieder sehr stark bewegen: Silberberg. Endlich eine systematische Ausgrabung in Ahrweiler!
Die zu erwartenden umfangreichen Erdbewegungen am »Silberberg« hatten bereits im Spätherbst 1979 meine Aufmerksamkeit erregt. Erste Spuren von römischem Fundgut — Ziegelbruchstücke, Nägel und Putzstücke — konnte ich beobachten und erste Hinweise auf römische Siedlungsspuren dem Denkmalamt in Koblenz unmittelbar übermitteln.
Doch dann: Ende März 1980 begannen erneute, umfangreiche Erdbewegungen unterhalb des »Silberberges«. Die Baggerschaufel legte alsbald einen Abschnitt frei, der zahlreiche Hinweise auf Siedlungsspuren zeigte. Hier muß ein Fundament sein: Dieser Gedanke ließ mich nicht los. Ein wenig mit dem Spachtel gekratzt — eine bemalte Putzschicht trat zu Tage. Das war der Alarm. Sofortige Informierung der Dienststellen löste dann den Grabungsbeginn im März 1980 am Silberberg aus. Und dieser Grabungsbeginn wird wohl ein sehr beglückendes Datum in meinen bescheidenen Entdeckungsbeiträgen bleiben.
Kann man rückblickend doch hoffen, daß der » archäologisch fundleere Kreis Ahrweiler« noch einen gebührenden Platz in der vorgeschichtlichen Forschung erhalten wird?