ERNST KLEY
Das Jahrhundert der Technik erfordert zeitgemäße Berufsschulen
Kreisberufsschule Sinzig
Foto: Vollrath, Ahrweiler
„Lerne in dieser Schule so zu leben,
daß du im Leben zu lernen verstehst.“
In verschiedenen Jahrbüchern wurde bereits das Fortbildungsschulwesen bis zum Jahre 1955 geschildert. Die Verdienste der Pioniere unserer jetzigen Berufsschule wurden mit Recht gebührend herausgestellt. Daß die heutige moderne Berufsschule naturgemäß etwas anderes wurde als die damalige Fortbildungsschule, ist eine Folge der stürmischen technischen Entwicklung. Die jetzige Berufsschule gliedert sich in Fachabteilungen. Sie spiegeln den Wirtschaftsaufbau des jeweiligen Einzugsgebietes unserer Schüler. Wie bereits in dem Bericht des Jahrbuches 1954 erwähnt wurde, hat unsere Schule vier Abteilungen, eine gewerbliche (Handwerk und Industrie), eine kaufmännische, eine hauswirtschaftliche und eine landwirtschaftliche Abteilung.
Die Berufsschule ist eine Lebensschule. Sie muß auf die bereits von der Volksschule vermittelten allgemeintheoretischen Kenntnisse aufbauen und dem jungen Menschen, der in das Berufsleben eingetreten ist, die Fachtheorie vermitteln, die notwendig ist, um nach der Lehre oder als Fach= und Jungarbeiter die Fertigungsvorgänge in Handwerk und Industrie in ihren Zusammenhängen, ihrem Zweck und ihrer Bedeutung für die Wirtschaft unseres Volkes zu verstehen. Durch die zunehmende Spezialisierung und Automatisierung der Betriebe wird heute von der Wirtschaft auch ein fachpraktischer Unterricht als unabdingbar notwendig gefordert, da es für den jungen Menschen (durch das Fertigkeitstempo in Handwerk und Industrie) kaum mehr möglich ist, ganzheitlich die Arbeitsvorgänge zu begreifen. Als Beispiel möge das Kraftfahrzeughandwerk dienen. Dieses Handwerk, das aus der Industrie hervorgegangen ist, beweist diese Notwendigkeit. Der Lehrling dieses Handwerks lernt jeweils einseitig nur die Motoren des Werkes kennen, dessen Vertretung sein Meister hat. Es ist aber nötig, daß seine fachliche Ausbildung zunächst in die Breite und später in der Spezialisierung in die Tiefe gehen muß. Aus diesem Grunde muß in jedem Berufsschulneubau ein Demonstrationsraum vorhanden sein, in dem die Motore verschiedener und sich im guten Sinne konkurrierender Werke aufgebaut sind. Die vorzeitige Spezialisierung würde allzufrüh eine geistig=seelische Verkümmerung hervorrufen und den jungen Menschen zu einem kritikunfähigen Werkzeug der menschlichen Gesellschaft machen. So ist es verständlich, daß jetzt Schul Werkstätten, oder besser gesagt Demonstrationsräume, in modernen Schulen vorhanden sind, die von der Theorie, aber auch von der Arbeitspraxis her gesehen, die unterweisende Aufgabe des Lehrherrn unterstützen. Daß mit dieser Aufgabe des Erziehers der berufsbildenden Schule ein wesentlicher und entscheidender Bestandteil bleibt, sei nur noch am Rande vermerkt. Wie alle anderen modernen Berufsschulbauten haben auch die Neubauten des Kreises Ahrweiler in der Kreisstadt und in Sinzig diese Forderung der Wirtschaft berücksichtigt. Ihre Notwendigkeit wurde ausführlich in einem bereits erwähnten Beitrag des Jahrbuches 1954 dargelegt. Auf Grund der Kreisstruktur und seiner wirtschaftlichen Belange beschulen wir die Lehrlinge des gesamten Handwerks und die gewerblichen Lehrlinge der Industrie und die Hausgehilfinnen zwischen Heimersheim und Altenahr ebenso wie die landwirtschaftlichen Klassen der mittleren Grafschaft und der jugendlichen Winzer der Ahr in der Kreisstadt Ahrweiler. In den Schulstandorten Ahrweiler und Sinzig werden sowohl Klassen des Großhandels, Einzelhandels, der Industrie wie jeweils ein vollständiger Zweig der Handelsschule unterrichtet. Ihre Einschulung erfolgt nach geographischen Gesichtspunkten. In Sinzig sind mehrere Jungarbeiterklassen — verständlich durch den industriellen Schwerpunkt am Rhein — sowie alle jugendlichen Hausgehilfinnen der gesamten Rheinstrecke des Kreises Ahrweiler und die Parallelklassen des Metallgewerbes sowie jugendliche Tankwarte eingeschult. Infolge dieser durch einen Kreistagsbeschluß festgelegten Aufteilung wurden in der Kreisstadt 18, in Sinzig 8 Klassenräume gebaut. Hinzu kommen für beide Schulen Klassennebenräume von wenigen Quadratmetern, die entweder die Unterbringung der Lehr= und Lernmittel der jeweiligen Fachrichtung oder als Kleiderablage der Schüler dienen. Beide Schulen besitzen je zwei Lehrküchen. Die erste dient der hauswirtschaftlichen Abteilung, die zweite der landwirtschaftlichen Hauswirtschaft sowie den gewerblichen und kaufmännischen Schülerinnen und der Handelsschule für die vorgeschriebenen Unterrichtsstunden der Kochpraxis. Zwischen den zwei Küchen befindet sich sowohl in Ahrweiler als auch in Sinzig ein Eßraum, der den jungen Mädchen die Möglichkeit gibt, die selbst hergerichteten Mahlzeiten dort einzunehmen. In diesem Raum lernen sie auch eine Festtafel zu gestalten für die verschiedensten Feieranlässe im Leben einer Familie. Gleichzeitig besitzt die hauswirtschaftliche Abteilung in jeder Schule eine Waschküche, einen Bügel- und Hauswirtschaftsraum, Nähraum und Säuglingspflegezimmer. In jedem Schulbau befindet sich ein Aufenthaltsraum, in dem die Schüler sich während der Mittagspause aufhalten können. Es ist die Möglichkeit gegeben, nichtalkoholische Getränke (Milch, Kakao, Fruchtsäfte) dort zu kaufen. In Ahrweiler kommen zu diesen Räumen Demonstrationsräume für das Metall= und Holzgewerbe hinzu. Für die Malerklassen wurde ein Kombinationsraum geschaffen, der die Möglichkeit des theoretischen Unterrichtes, aber auch fachpraktische und maltechnische Übungen an einer Übungswand bietet. Dieser Raum stellt eine besonders glückliche Lösung dar, weil mit ihm ein Werkraum eingespart werden konnte und er trotzdem die fachpraktische Aufgabe in idealer Weise erfüllt.
Kreisberufsschule Ahrweiler
Foto: Kreisbildstelle, Ahrweiler
Die reguläre Decke des Klassenzimmers wurde bis in den Dachstuhl hineingeführt. Eine freischwebende Treppe führt auf einen balkonartigen Vorsprung, der an der Innenwand längsseitig gebaut wurde. Die Decke über der Malwand läßt durch Milchglasplatten Tageslicht an die Malwand gelangen. Eine Rinne unterhalb der Malfläche ermöglicht ein bequemes Abwaschen dieser Malwand, an der die Malerlehrlinge werkgerechte, dekorative Malereien durchführen. Die Demonstrationsräume des Metall= und Holzgewerbes sind mit neuzeitlichen Maschinen, die den jeweiligen Stand der Technik darstellen, ausgestattet. Alle Räume erhielten einen fachlich abgestimmten Anstrich, der dezent und vornehm wirkt. In den Fluren wurden Schaukästen angebracht, in denen Lehrer und Schüler der einzelnen Fachrichtungen die Möglichkeit haben, Materialien, eigene oder fremde Arbeiten und sonstige, die Schüler interessierende Dinge auszustellen. Zwischen den Klassenräumen der kaufmännischen Abteilung befindet sich je ein Schreibmaschinensaal. Die Verwaltungsräume, so das allgemeine Büro, Direktorzimmer, Lehrerzimmer und Sprechzimmer, die gleichzeitig den Direktor-Stellvertretern als Arbeitsraum dienen, sind ebenfalls nach neuzeitlichen Gesichtspunkten geschaffen worden. Der sogenannte Schulhof wurde sowohl in Ahrweiler wie auch in Sinzig aufgelockert durch gärtnerische Anlagen. Auf ihm werden asphaltierte Wege angelegt, die in den Pausen als Spazierwege der Erholung dienen sollen. Beide Schulhöfe wurden mit einer Fahrradhalle abgeschlossen. Auch auf eine künstlerische Gestaltung der Gebäude, die in einem anderen Beitrag behandelt wird, wurde ein besonderer Wert gelegt.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß nach 22 bzw. in Sinzig 23 Jahren des Bestehens einer Kreisberufsschule des Kreises Ahrweiler (nach verschiedenster Unterbringung in mehreren Gebäuden) jetzt ein Werk geschaffen wurde, das denen zur Ehre gereicht, die es beschlossen, planten und finanzierten, der werktätigen Jugend als Verpflichtung.
Ich möchte nicht versäumen, im Namen der Jugendlichen und Lehrkräfte ganz besonders dem schulfreudigen Landrat unseres Kreises Ahrweiler, W. Urbanus, seinem Kreistag und Kreisausschuß, unserem leider allzufrüh verstorbenen Sanitätsrat Landtagsabgeordneten Dr. Habighorst als Vorsitzenden des Haushalts= und Finanzausschusses des Landes, der die Zuschüsse des Landes maßgeblich beeinflußte, den Dienststellen des Kultusministers in Mainz, aber auch der Bezirksregierung in Koblenz zu danken. Auch meinen Kolleginnen und Kollegen, insbesondere meinen Herren Dir.=Stellvertretern Gies und Wallura, die mich bei der Vorplanung des Raumbedarfes und seiner Einrichtung, besonders in fachpraktischen Fragen unterstützt haben, möchte ich recht herzlichen Dank sagen. Auch die maßgeblichen Herren der Kreisverwaltung, die für die Planung und Ausführung der Bauten zeichnenden Herren, Regierungsbaurat Theo Weiller und Architekt Matth. Klein sowie seine Mitarbeiter, seien. besonders erwähnt. Ebenfalls gebührt den beiden Städten Ahrweiler und Sinzig für die finanzielle und ideelle Unterstützung eine besondere Anerkennung. Möge der Segen Gottes auf diesem Werke ruhen und unserer Berufsschuljugend eine Stätte der Bildung und Besinnung sein.