Eine Wanderung durchs Vischeltal – Natur und Landschaft
Neben Teilen des Nohn- und Trierbachs, dem Dreis- und Armuthsbach bei Wershofen, dem Denntal bei Ahrbrück und dem Langfigtal bei Altenahr gehört das Vischeltal, ein Seitental der Ahr zwischen Kreuzberg/Ahr und Berg bzw. Freisheim an der Landesgrenze zu NRW, zu den noch fast intakten Tälern des Kreises Ahrweiler im nordwestlichen Landesteil von Rheinland-Pfalz (Messtischblatt 5407 Altenahr, Top. Karte 1:50.000 L 5506 Bad Münstereifel).
Es umfasst im Bereich zwischen Unterkrälingen, Berg, Kalenborn und Kreuzberg neben dem Vischelbach und seinen Nebenbächen einen geschlossenen Waldbesitz mit Eichen der Alters-klasse über 100 Jahre und Buchen über 80 Jahre, verbunden mit mehreren Buchenbeständen über 120 Jahre und einzelnen nicht mehr regelmäßig bewirtschafteten Waldflächen. Von den altholzbewohnenden Vogelarten wurde der Schwarzspecht am häufigsten kartiert, daneben Grünspecht, Grauspecht und Hohltaube (PVB (9), S. 166) . Bis Ende der 60er Jahre waren die Buchen-Altholz-Bestände noch größer (wie z.B. <im Marienthaler Busch> und im <Pfefferbusch>). An ihre Stelle traten FichtenMonokulturen. Im Urbar (Güterverzeichnis) der Reichsabtei Prüm von 893 wird Vischel zum ersten Mal erwähnt. Über 1100 Jahre ist das heutige Freiherr-Holzschuher-von-Harrlachsche Eigentum im Besitz des Adels bzw. von Kurköln („Konrad von Hochstadensche Schenkung“) gewesen, wenn man von der Französischen Zeit ab 1794 absieht. Das und die Abgeschiedenheit haben das Gebiet sicher vor seiner Zerstörung bewahrt. Die fast fehlende Besiedlung, die fehlende Industrie und Verkehrserschließung, die Ruhe, der malerische Bach mit seinen kleinen Nebentälchen (Gierenbach, Ürzemich, Eisbach u.a.), die weiten Wälder, die reine und sauerstoffreiche Luft machen „Die Vischel“, wie das Tal im Volksmund genannt wird, zu einem Kleinod, zu einem Paradies für Wanderer und Naturfreunde.
Eine Wanderung durchs Vischeltal beginnt man am zweckmäßigsten von Kreuzberg aus, wo unmittelbar neben dem Vischelbach auch der Sahrbach in die Ahr mündet. Man kann natürlich auch von Berg, Hilberath oder Kalenborn aus das Vischeltal hinunterwandern.
Blick über das
Vischeltal, 2003
Die schönste Jahreszeit ist vielleicht von Mai bis Juni, wenn alles grünt und die vielen Vögel zwitschern. Aber auch der Herbst hat seine Reize.
Man wandert zuerst in Kreuzberg an einer ehemaligen Mühle vorbei, und dann weitet sich das Tal mit ehemals genutzten, jetzt brach liegenden landwirtschaftlichen Flächen. Hier kann man auch rechts zur Ditschhardt und zur Seilbahnstation von Altenahr hinaufwandern. Im Bereich der Siedelhardt rechts des Weges verengt sich das Tal. Der westliche Teil des Vischeler Besitzes ist wegen eines Wildgeheges (vor allem Wildschweine!) eingegattert. Das Gatter grenzt hier an den Vischeler Hauptweg. Hier mündet auch bald zur Linken ein Seifen in das Haupttal.
Von den wenigen Brücken und Brückenfassungen im Vischeltal abgesehen, folgt der Bach seinem natürlichen Lauf an Prall- und Gleithang. Hier kann er auch schon mal über die Ufer treten (im Wiesental weiter nördlich, hier staut er sich auch schon einmal auf), ohne Schaden anzurichten. Die Wasserqualität ist Trinkwasser (Gewässergüte I).
Hainmieren-Erlen-Auenwald bzw. Bruchwald und eine wechselnde Hochstaudenflur begleiten den glasklaren Bach. Das ist die Heimat der Wasseramsel. Auf einer Länge von ca. 5 km wurden jedes Jahr 3 bis 4 Brutpaare nachgewiesen.
Der Vischelbach ist aber auch Laichgewässer der Bachforelle und Äsche.
Blauflügel-Prachtlibelle und Gebänderte Prachtlibelle sind, wie an der Ahr, hier ebenfalls anzutreffen.
Büchs1) führt sogar aus, dass „während der Gemeinschaftsexkursionen der AG rheinischer Coleopterologen (Käferkundler) in den Jahren 1984 und 1985 im Bereich des Vischeltals beispielsweise über 700 verschiedene Käferarten nachgewiesen wurden“.
Die Käferfauna des Vischelbachsystems, seiner Talauen und Hangbereiche sei derart bemerkenswert, dass sie allein für die Begründung einer Unterschutzstellung ausreiche.
Unter den nachgewiesenen Käferarten fänden „sich beispielsweise ein Neufund für die BRD, drei Neufunde für das Rheinland (ehemalige Rheinprovinz), 60 Erstfunde für das Einzugsgebiet der Ahr, 50 Arten der ,Roten Liste’, fast 160 Arten, die als Bioindikatoren für intakte Feuchtbiotope, Ufer und Bäche gelten sowie zwei Arten, die im gesamten Rheinland und 16 Arten, die im Ahrbereich seit über 50 Jahren als verschollen bzw. ausgestorben galten.“
„Schloss Vischel“, 2003
Das Vischeltal enthalte somit ausgesprochen seltene Arten und stelle ein Refugium dar, in dem Restpopulationen infolge besonderer Lebensbedingungen überdauern könnten. Besonderheiten seien z.B. auch der „Große Schillerfalter“, „Kleine Pechlibelle“, „Gelb-bauchunke“ u.a.
Bachbegleitende Wiesen mit Akelei und Feuchtwiesen mit Kuckucks-Lichtnelke, Wiesen- bzw. Schlangenknöterich etc. oder andere sumpfige Bereiche mit Mädesüß, Wasserdost, Gemeiner Gilbweiderich, Blut-Weiderich oder das Großseggenried mit Seggen, Sumpfdotterblume, Wald-Simse, Wollgras, breitblättrigem Knabenkraut (geschützt) u.a. säumen rechts den Weg.
Einige Pflanzen sind auf der „Roten Liste“ oder ganzjährig geschützt! Kleine Stillwasserflächen gestalten das Tal abwechslungsreich. Sie haben die Funktion als Amphibienlaichgewässer für allgemein verbreitete Arten, z.B. Grasfrosch oder Teichmolch.
Vor einigen Jahren konnte ich hier aber auch einmal Wasserrallen beobachten.
Die Vischel war (oder ist noch?) der einzige Standort der Trollblume im Reg.-Bez. Koblenz (außer Westerwald). Das Vorkommen wurde aber durch Holzrückmaßnahmen zerstört. Ob es sich wieder einstellt, muss man abwarten. Die Waldhyazinthe („geschützt“) und das Weiße Waldvögelein („geschützt“) sind aber noch vorhanden.
Bald mündet der Eisbach von links ins Vischeltal. Von hier kann man nach „Wilma-höhe“ und Krälingen hinaufwandern.
Hier befanden sich einmal die ehemaligen Rittersitze Eitgenbach im Tal und Tungenburg auf der Höhe im Wald, heute Wüstungen. Sie sind noch auf der Tranchotkarte von 1803-1820 eingezeichnet. Der Weg wendet sich jetzt scharf nach Osten und dann wieder nach Norden, wo man durch das „Gassen Loch“ nach Weißerath hinaufsteigen kann. Hier hat sich der Vischelbach tief eingeschnitten.
Am Spring, wo ebenfalls einmal ein Hof gestanden hat („Sringhof“ Springmühe, s. Tranchotkarte), zweigt ein breiter Fahrweg nach Kalenborn, Altenahr (durch das Bodenbachtal) oder Weißerath ab. Wir wandern aber bis zur Lindenallee, wo ein steiler Weg nach Vischel hinaufführt. Ein Besuch der Vischeler Kirche mit Friedhof und ein Blick auf das Schlösschen Vischel lohnen sich.
Man kann den Ort aber auch links liegen lassen und weiter nach Norden wandern. Hier ist rechterhand der Marienthaler Busch, einst ein über hundertjähriger Buchenbestand, der in den 60er Jahren abgeholzt und mit Fichten aufgeforstet wurde. Bald münden von Osten zwei kleine Wiesentäler ins Vischeltal, die „Ürzemich“ und ein anderes Wiesental mit dem „Langenbruch“ am Ende, westlich von Kalenborn, ein altes Quell- und Hangmoor. In den 60er Jahren wurde aus jagdwirtschaftlichen Gründen (Herrichtung eines Wildackers und einer Reh- und Wildschwein-Fütterung, heute nicht mehr vorhanden) in der Mitte ein Graben gezogen und das von Nordosten einsickernde Hangwasser nach Süden abgeleitet. Dadurch fiel die westliche Hälfte völlig trocken, weil sich hier westlich noch der Steilhang eines Tales befindet. Die östliche Hälfte blieb aber immer nass, weil immer wieder Hangwasser nachsickerte und nicht vollständig abfloss. Es wäre zu überlegen, ob man die ganze Fläche wieder vernässt und somit das alte Hang- und Quellmoor renaturiert, indem man den Abzugsgraben verfüllt. Geeignete Maßnahmen hat die Kreisverwaltung Ahrweiler nach meiner Kenntnis eingeleitet. Der Moorbereich ist aber bereits gemäß § 24 Landespflegegesetz (LPflG) pauschal geschützt.
Denn hier finden sich noch die Restpflanzen des alten Hangmoors: Arnika (Arnica montana, „geschützt“, Mücken-Händelwurz, „geschützt“, Pfeifengras, div. Binsen, Heil-Ziest, Bertram- bzw. Sumpf-Schafgarbe an den Gräben am Weg, also auch zwei weitere geschützte Pflanzen.
Von den Schmetterlingen sei hier nur das Blutströpfchen genannt.
Wir sind bald an der Stelle angelangt, wo der Gierenbach in den Vischeler Bach mündet.
Auf den Nass- und Feuchtwiesen kommen der Violette Perlmutterfalter und der Braunfleck-Perlmutterfalter, auf Magerwiesen und strukturreichen Halboffenlandbiotopen Hornklee-Widderchen und Blutströpfchen-Widderchen, Rundaugen-Mohrenfalter und Großer Perlmutterfalter wie auch der Fieberklee vor.
„Die Vischel“ ist als Landschaftsschutzgebiet (<Rhein-Ahr-Eifel>) und Vogelschutzgebiet (<Ahrgebirge>) ausgewiesen und nach der EG-Vogelschutzrichtlinie („Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten“) genießt das Vischeltal zwar schon einen gewissen Schutz, es sollte aber m. E. zum Naturschutzgebiet (NSG) oder FFH-Gebiet (wie das Nitztal) erklärt werden.
Schwarzspecht
Literatur
- Büchs, W. (1985): Antrag auf Ausweisung des Vischelbachtales und seiner Nebentäler zwischen Berg und Kreuzberg, Kreis Ahrweiler, als NSG (im Namen der <Gesellschaft für Naturschutz und Ornitologie Rheinland-Pfalz E.V.> (GNOR)>
- Bundesamt für Naturschutz, „Rote Liste“ (RL) gefährdeter Pflanzen Deutschlands Schriftenreihe für Vegetationskunde, Heft 28, Bonn-Bad Godesberg 1996
- Happe, H.: Das <Langfigtal> bei Altenahr, 13. Naturschutzgebiet des Kreises Ahrweiler? In: Rhein. Heimatpflege, Jg. 19 (1982), 1. S. 25ff,
- derselbe: Das <Langfigtal> bei Altenahr. In: <Die Eifel>, Jg. 79 (1984), 2. S. 88ff.
- Koch, K. (1968): Käferfauna der Rheinprovinz. – Decheniana, Beih. 13: 1-382, Bonn, und die Nachträge (1978,1993)
- Mildenberger, H. (1984): Die Vögel des Rheinlandes, Bd. I. u. II. Beiträge zur Avifauna des Rheinlandes, Kilda-Verlag
- Ministerium für Umwelt und Gesundheit Rheinland -Pfalz (Hrsg.): Rote Liste (RL RLP) der in Rheinland-Pfalz ausgestorbenen, verschollenen und gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen, 3. Aufl. 1988 (Stand: 31.12.1985)
- Oberdorfer, E. (200l): Pflanzensoziologische Exkursionsflora. – 8. Auflage, 1051 S., Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2001
- „Planung Vernetzter Biotopsysteme“ (PVB), Bereich Landkreis Ahrweiler, hrsg. vom Ministerium für Umwelt Rheinland-Pfalz, Kaiser- Friedrichstr. 7, 55116 Mainz und des Landesamtes für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz, Amtsgerichtsplatz l, 55276 Oppenheim, 1994
- Wendling, W.: Die Ahr und ihr Tal. In: Die Mittelrheinlande. Festschrift zum 36. Dt. Geographentag. Wiesbaden 1967, S. 273ff,