Eine Wanderkarte für die Mittelahr aus dem Jahre 1840
Ignaz Görtz
Wandern ist heute eine der bevorzugten Freizeitaktivitäten. Ganz besonders trifft dies im Kreis Ahrweiler mit seinen verschiedenen Landschaften zwischen Rhein und Hocheifelhöhen zu. Hier findet der Wanderer auf engem Raum eine seltene landschaftliche Vielfalt, aber auch die im Laufe von Jahrzehnten gescnarrenen Einrichtungen zur Landschaftserschließung wie Wanderwege, Ruhebänke, Schutzhütten, Aussichtspunkte und -türme und nicht zuletzt ein gebietsabdeckendes Wanderkartenwerk. Dabei hat dies alles Tradition, wie eine Wanderkarte für das mittlere Ahrtal aus dem Jahre 1840 unterstreicht. Geschaffen wurde die Karte von dem Wallonen Nicolas Ponsart aus Malmedy, der ein Jahrzehnt früher bereits das Ahrtal entdeckte und die Landschaft mit ihren Sehenswürdigkeiten in Lithographien von großer Ausdruckskraft festgehalten hat. Den Grund für die Herausgabe der Wanderkarte stellt der Autor seinem Werk voran:
Ponsart: Itineraire de la vallée de l’Ahr depuis Rech á Kreuzberg, 1840
Linke Bildfolge 1-10
Beliebter Aussichtspunkt um 1840: Der „Altan der Schloß-Ruine“ (Lithographie von N. Ponsart)
»Da ich mich während meines Aufenthaltes in Altenahr überzeugte, daß die Fremden wegen mangelnder Belehrung sich darauf beschränken, auf den die Schloß-Ruinen beherrschenden Altan zu steigen und darüber eine Menge anderer nicht minder anziehender Aussichtspunkte des Ahrtals von Mayschoß bis Kreuzberg versäumen, so habe ich mich entschlossen, gegenwärtigen Itineraire für sie als Wegweiser aufzunehmen. Hoffentlich werden meine Bemühungen, deren Zweck nur dahin geht, eine der herrlichsten Naturmerkwürdigkeiten meines Vaterlandes den Reisenden zugänglich zu machen, die verdiente Anerkennung finden.« Das mit Erläuterungen in deutscher und französischer Sprache versehene »Itineraire de la vallée de l’Ahr depuis Rech jusqu’á Kreuzberg« gibt im Mittelteil eine plastische Übersicht des Ahrtals zwischen Rech und Kreuzberg. Exakt wird der Lauf der Ahr mit seinen vielen Mäandern dargestellt. Eingezeichnet sind die Verkehrswege. Besonders betont wird die erst 1834 mit der Eröffnung des Straßentunnels bei Altenahr fertiggestellte Ahrtalstraße, auf der 1839 zwischen Ahrweiler und Altenahr eine feste Postverbindung eingerichtet wurde. Auf diese Reisemöglichkeit weist in der Karte ein Postkutschensymbol hin. Für den Natur- und Landschaftsfreund sind die damals vorhandenen Wanderwege berücksichtigt, die zu den historischen und natürlichen Sehenswürdigkeiten und zu Stellen mit besonderen Aussichten führten. Im Kartenteil eingetragen sind außerdem Nummern, die auf die links und rechts anschließenden und ebenfalls nummerierten Bilder Bezug nehmen und die jeweilige Stelle markieren, von der man die betreffende Aussicht genießen konnte. Für den heimatkundlich Interessierten sind heute auch die Ortslagen in ihrer damaligen Situation von Bedeutung.
Der Bildteil greift Darstellungen auf, die Nicolas Ponsart in früheren Jahren schuf und in zwei verschiedenen großen Bildmappen unter dem Titel »Vallee de l’Ahr« 1838 und 1839 herausgab. Die Bildfolge des Itineraire beginnt links oben und zeigt folgende Motive:
I. Burg Kreuzberg, 2. Burgfelsen bei Altenburg, 3. Landschaft um Altenahr von Westen, 4. Blick auf die Heisley vom Gasthof »zum Durchbruch« (später Hotel Caspari) aus, 5. Straßentunnel bei Altenahr (damals als technisches Wunderwerk eine Sehenswürdigkeit und auf allen Landschaftsdarstellungen der Zeit wiederkehrend), 6. Ruine Are und Straßentunnel, 7. Burg Are von der Bonner Straße aus gesehen, 8. Blick vom Kirchhof auf Altenahr, Ruine Are und Tunnel, 9. Panorama vom Weißen Kreuz bei Altenahr, 10. Landschaft um Altenahr von Osten.
Auf der rechten Bildseite sind dargestellt:
11. Blick von Ruine Are, 12. Altenahr, 13. Saffenburg, 14. Reimerzhoven mit der Rabenley, 15. Kreuzberg, 16. Lochmühle mit Felseinschnitt der Ahrtalstraße, 17. Landschaft um Mayschoß von Osten, 18. Laach und die Guck-ley, 19. Burgtor der Ruine Are, 20. BJick auf die Heisley (mit einer Baustelle im Vordergrund, die auf den damaligen Neubau des Gasthauses an der neuen Ahrtalstraße, heute Rheinischer Hof, hinweist).
In den Ecken der Karte werden schließlich vier »Ausflüge« — ebenfalls in französisch und deutsch — vorgeschlagen, die auch heute noch zu den meistbegangenen Wanderrouten zählen. Interessant bei diesen Beschreibungen sind sowohl die sprachliche Fassung wie auch die Hinweise für die Durchführung der Wanderungen.
»1 er Ausflug. In Rech angelangt, steigt man aus dem Wagen und lasse ihn bei der Lochmühle halten. Ist die Brücke überschritten, so folgt man dem Pfade längst dem Berge, der uns durch die Weinberge zu den Ruinen von Saffenburg führt. Hat man sich an der entzückenden Aussicht hier gelabt, so kehre man bis zu dem Fußpfade zu-_ rück, der an die Brücke von Mayschoß führt. Eine Wanderung nach dem Berge Guckley unterlasse man ja nicht. Die Figuren auf dem Blatte deuten die guten Stellen an, wo man rasten muß, und die Nummern diejenigen, wo die Ansichten aufgenommen wurden.«
»2er Ausflug. Der Berg gegen Reimerzhoven über, auf dessen Gipfel man über den so malerischen Fußsteg der Laacher Brücke gelangt, ist den Malern bekannter als den Touristen. Das wahrhaft imposante Naturschauspiel, das man bei Sonnenuntergang am Rande des Plateau’s im Angesicht der Breitley genießt, läßt sich wahrlich nicht beschreiben. Man versäume nicht dem Rande des Berges rechts nahe genug zu treten, um Reimerzhoven zu gewahren, welches sich im Thalgrunde gleichsam wie eine Gruppe schweizerischer Sennhütten unsern Blicken darbietet.«
»3er Ausflug. Die Freude wilder Naturschönheiten werden mir es Dank wissen, wenn ich sie durch das von den Windungen der Ahr bei Altenahr gebildete dunkle Labyrinth (gemeint ist das Langfigtal) führe. Um die drei Führten zu überschreiten, muß notwendig für die Damen eine Art Tragesessel improvisiert werden. Gefahr ist keine vorhanden, und für die kleine Mühe wird man reichlich entschädigt. Der junge Wilhelm Schäfer, den ich in dieser Hinsicht gehörig belehrt habe, eignet sich ganz vorzugsweise zum Führer.«
»4er Ausflug. Der herrliche Anblick des Thals bleibt für den Rückweg über das weiße Kreuz, die Weingärten und den Gebirgskamm von Rabenley vorbehalten. Bevor man nach Mayschoß über den freundlichen Buchenhain heruntergeht, steige man noch auf die Bergspitze – Auf der Blicke (heute: Ümmerich) genannt. Dies ist unstreitig der ergreifendste Punkt des reizenden Ahrthals und der Hauptgegenstand dieses Ausflugs. Der Wagen erwartet uns bei der Lochmühle; der Beistand des obengedachten Führers ist aber hier unentbehrlich.«
Soweit die »Ausflüge« vom Jahre 1840! Bis heute hat sich das Bild des Wanderns — allein schon von der Bekleidung her — gewandelt. Geblieben ist jedoch das große Interesse an diesem Wanderland zwischen Felsen, Wald und Reben.
Rechte Bildfolge 11-20, Repros Görtz