Eine lustige Begebenheit der dreißiger Jahre in Kesseling.
Zeichnung: Stud. Rat Theo Deisel
Krach um Jolanthe
Von Josef Hoß
In den Nachkriegsjahren war die Wildschweinplage in den Eifelgemeinden teilweise unerträglich geworden. Mühsame Arbeit des Landmannes wurde oft in einer einzigen Nacht zunichte gemacht. Überall schritten die Eifelbewohner zur Selbsthilfe. Der Schwarzkittelplage wurde man jedoch erst Herr, als der deutsche Jäger wieder Ordnung schaffen konnte. Uns allen ist das tapfere Schneiderlein ein Begriff. Eine seiner „Heldentaten“, die mehr durch Klugheit als durch körperliche Tüchtigkeit zustande kamen, war die Gefangennahme eines Einhorns, das der Schneider in eine Kapelle lockte und hinter dem er die Türe zuschlug. Viele von uns erinnern sich auch noch eines Films „Krach um Jolanthe“, in dem ein Borstentier eine nicht geringe Rolle gespielt und zu einem zünftigen Krach beigetragen hat. Ein ähnlicher Fall ereignete sich vor etlichen Jahren auf einer Wildschweinjagd in Kesseling, deren dramatischer Ausgang hinterher gebührend belacht worden ist. Auf einer Jagd im Januar wurde in dem ersten Jagdbezirk ein Wildschwein eingekreist. Die bestellten Jäger rückten am Nachmittag dem Schwarzkittel zu Leibe. Aber, o Schreck! Das Borstentier sprang durch die Schützenkette hindurch, ohne von einem Schuß getroffen zu sein. In schnellstem Tempo lief es dem Dorfe zu, schwenkte von der Landstraße ab, raste über eine Brücke und war damit im zweiten Jagdbezirk angelangt. Anstatt nun das Dorf zu meiden, eilte es durch eine Seitengasse in die Dorfmitte. Es gelangte in den Hof eines Landwirtes, dessen Scheunentor gerade offenstand. Husch, war es in der Scheune verschwunden. Ein zufällig vorbeikommender Ortseinwohner sah dies, machte schleunigst die Tür zu, und — der Schwarzkittel war gefangen!
Natürlich war in wenigen Augenblicken das ganze Dorf auf den Beinen. Eine Wild= sau in der Scheune — das gibt es nicht alle Tage. Zufällig kam auch der Förster hinzu und gab dem anwesenden Metzgermeister den Auftrag, das so unwaidmännisch gefangene Tier zu erlegen. Das geschah, und die eben von der Jagd zurückkehrenden Jäger waren sprachlos ob solcher „Jägerei“. Somit wäre alles nun in Ordnung und das Schwein „erlegt“. Doch — und nun begann der Krach um Jolanthe —, wem gehörte es nun??? Man war ratlos. Der Jagdhüter des Bezirks 2 nahm es mit nach Hause, denn in seinem Bezirk war es gefallen. Der Jagdhüter des Bezirks l glaubte Anspruch darauf zu haben, weil die Jagd in seinem Bezirk veranstaltet wurde. Und der Schwarzkittel wechselte den Besitzer: eine höhere Jagdbehörde hatte es dem zugesprochen, der die Jagd veranstaltet hatte. Doch das war noch nicht das Ende. Der Jagdhüter des zweiten Bezirks konnte nachweisen, daß keine Jagdfolge zwischen den beiden Pächtern vereinbart war. Die Rechtslage und der Besitzer der Sau änderten sich erneut: der Schwarzkittel wanderte wieder zurück zum Pächter des zweiten Besitzer. Doch diesem war die unwaidmännische Angelegenheit inzwischen leid geworden und er ließ die so heiß umstrittene Sau unter arme Dorfbewohner verteilen. Noch selten soll im Dorf über ein Wildschwein soviel gelacht worden sein wie damals, und oft wurde noch nach Jahren im Scherz die Frage gestellt: „Wann wird end= lieh mal wieder eine Sau in einer Scheune gefangen?“