Eine aufschlußreiche Akte zu einer früheren Ahrweiler Synagoge
Eine aufschlußreiche Akte
zu einer früheren Ahrweiler Synagoge
Udo Bürger M.A.
Den meisten von uns ist die Ahrweiler Synagoge in der Altenbaustraße bekannt, die 1894 eingeweiht wurde. Aber auch weit vor 1894 gab es Juden in Ahrweiler, und so stellt sich die Frage, wo diese ihren Synagogengottesdienst abhielten.
Aufschluß darüber gibt eine im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf aufbewahrte Akte, aus der hervorgeht, daß von 1773 bis noch nach 1792 eine Synagoge, auch „Judenschule“ genannt, in einem Keller der Ahrweiler Niederhutstraße eingerichtet war.
Am 23.6.1773 kaufte der Ahrweiler Schutzjude Kosel Abraham mit seiner Ehefrau Gedela Isaac dem Ahrweiler Wilhelm Heinrich Todemann und dessen Frau Margaretha Giersberg, wohnhaft im „Haus Sommersberg“, ein Haus in Ahrweiler mit Hof, Garten und allem Zubehör für 950 Reichstaler ab. Der Kaufvertrag wurde verfaßt und unterschrieben vom „ludi magister“ (Schulmeister) Stephan Kündgen.
Dieses Haus ließ Abraham „gleich nach dem ankauft zu bequemer haltung der Judenschule oder Synagoge“ einrichten. Und zwar entstand die neue Synagoge im Keller des angekauften Hauses, zu welchem Zweck Abraham ein Kellergewölbe bauen ließ, eine Synagoge erforderte nämlich „eine besondere Struktur und ein Gewölb“. Ebenso sorgte Abraham für die Einrichtung eines Bades „für das Juden trauen Voick“.1) Die jüdischen Ritualbäder waren sowohl für die Männer als auch für die Frauen bestimmt, weil sie aber vorwiegend von Frauen benutzt wurden, hat sich vielerorts die Bezeichnung „Frauenbad“ eingebürgert.2)
Im Jahre 1791 führte Abraham in einem Schreiben an die kurfürstliche Regierung darüber Klage, daß ein ihm und seinem „wenigen Gewerbe verfeindeter Christ“ versuche, ihm das Haus durch die Geltungmachung eines Vorkaufsanspruchs (Einstandsrecht) wieder streitig zu machen. Er sah hierin ein Beispiel dafür, daß im Erzstift Köln die Unterdrückung der Judenschaft immer mehr zunehme. Abraham führte zu seinen Gunsten an, daß er beträchtliche Kosten zur Herrichtung des Kellers als Synagoge aufgebracht habe und daß in einem vergleichbaren Fall in Königswinter ebenfalls zugunsten der dortigen Juden entschieden worden sei.
Wandnischen im Kellersystem der Häuser 56-68 in der Ahrweiler Niederhutstraße.
Ab 1773 befand sich in diesen Räumen die Synagoge.
Für die Belange Abrahams setzte sich im November 1791 auch der Vorsteher der Judenschaft des Erzstifts Köln ein, indem er betonte, daß es sich bei dem Haus Abrahams nicht bloß um ein privates Wohnhaus handele, sondern um „ein zum Schul- und Gottesdienste eingerichtetes Gebäude“, welches dem Wohle aller Ahrweiler Juden diene.
In einem anderen Schreiben des Jahres 1791 heißt es, daß vor der von Abraham eingerichteten Synagoge „auch immer eine Juden schuhl“, also Synagoge, in Ahrweiler gewesen sei.
Der Kontrahent Abrahams, Mathias Dünwald aus Ahrweiler, berief sich in einer Rechtfertigung seiner Vorkaufsklage auf die kurkölnische Landesordnung, die die Juden im Hinblick auf den Besitz von Immobilien stark beeinträchtigte.3) Schon in einer landesherrlichen Verordnung vom Februar 1720 heißt es: „Die gegen die Juden-Ordnung durch Juden erworbenen Immobilien können, gegen Erstattung des erweislichen Kaufpreises und der angewendeten redlichen Kosten, von Bürgern und anderen Eingesessenen des Erzstiftes wieder eingezogen werden.“4)
Außerdem führte Dünwald an, daß die Kosten für die Synagoge gar nicht so hoch gewesen seien. Beispielsweise sei zur Einrichtung des Bades nicht viel Mühe notwendig gewesen, da ein „Wasser“ – der an dieser Stelle heute kanalisierte Mühlenteich – direkt an der Synagoge vorbeifloß.
Ein Ende 1791 in Bonn verfaßtes Gutachten bezüglich dieses Rechtsstreits tendierte dazu, „die Sache der Juden hier zu Vertheidigen“, wobei erläuternd angeführt wird: „die Judenschaft ist einmal in das Erzstift aufgenohmen und bisheran ihr auch die öffentliche ausübung ihres gottesdienstes gestattet worden; ein Recht also, welches der Judenschaft ohne unbilde nicht geschmälert werden kan, hat sie hierdurch erworben“ – es sei darauf zu achten, daß den Juden „aller Vorschub zu Erziehung ihres gemeinschaftlichen Zweckes geleistet werde“.
Neben diesem Aspekt, der durchaus den Gedanken einer aufkommenden Toleranz gegenüber den Juden zu erkennen lassen scheint, spielte auch ein konkreter wirtschaftlicher Punkt eine Rolle. Man befürchtete nämlich den Wegzug der wohlhabenderen Ahrweiler Juden, wenn man der Judenschaft in Ahrweiler die Abhaltung ihres Gottesdienstes so erschwere, daß sie schließlich genötigt sei, diesen in einem „benachbarten Lande“ zu verrichten. Der Gutachter legte jedoch die Empfehlung nahe, Abraham „zum Ersatz der Kosten zu Verdammen“, weil er versäumt habe, eine Konzession zum Bau der Synagoge zu beantragen. Dem Gutachten folgend lehnte die kurkölnische Verwaltung im März 1792 das Anliegen Dünwalds ab.
In der Düsseldorfer Akte ist die Lage der Synagoge genau beschrieben. Sie lag in der „adenbachsheiden“ bzw. „Adamirhuth“ – damit ist wohl das Viertel Adenbachhut gemeint -, zwischen dem Haus des Ratsverwalters Rigans und dem der Erben von Anton Kölls (Kuitz), im „vornehmsten Teile der Stadt, auf der schönsten und gangbahrsten Straße“. Diese Straße war vornehmlich von Christen bewohnt, und die Synagoge hatte auch einen so großen Abstand zur Kirche, daß der „katholische Gottesdienst in der Kirchen nicht gestöhret“ werden konnte.5)
Anhand eines Verzeichnisses6) über die Besitzverhältnisse in der Stadt Ahrweiler seit 1775 läßt sich die Lage der Synagoge nachvollziehen: sie befand sich im Keller eines Hauses im Bereich der heutigen Niederhutstraße 56-58. Diese Häuser Nr. 56 und 58 weisen noch heute ein offensichtlich sehr altes Kellersystem auf. Die Frage ist nun, ob dieser Keller noch derselbe ist wie der, in dem 1773 die Synagoge eingerichtet wurde. Heute noch vorhandene auffällige Wandnischen sprechen dafür. Sie könnten zum Abstellen von Lampen oder auch zur Aufbewahrung des Thora-Schreins gedient haben. Die Konstellation der heutigen Kellerräume läßt eine damalige Unterteilung in Vorraum, Bad, Betsaal und Schulstube denkbar erscheinen. Schließlich sprechen auch die Dekkengewölbe – solche sind ja in der Akte erwähnt – dafür, daß es sich bei den heutigen Kellerräumen um die damalige Synagoge handelt.
In Griedel, Wetterau-Kreis, ist 1984 ein ebenfalls in einem gewölbten Keller gelegenes jüdisches Bad mit Wandnische wiederaufgefunden worden, das der Ahrweiler Lokalität ähnelt.7) Nach der Schließung derAhrweiler Kellerbetstube – das wird nicht lange nach 1792 der Fall gewesen sein8) -, besuchten die Ahrweiler Juden die Betstube in Dernau.9) Eine solche war dort um 1796 eingerichtet worden.10) Vorher haben die Dernauer Juden möglicherweise die Kellerbetstube in Ahrweiler besucht.11)
Um 1844 richteten sich die Ahrweiler Juden wieder eine eigene Betstube in Ahrweiler ein,12) wohl die in der Plätzerstraße, die bis zum Bau der Synagoge in der Altenbaustraße 1894 für gottesdienstliche Versammlungen diente.
Anmerkungen:
- HS1A Düsseldorf. Best. Kurköln II Nr. 5337. vgl. auch; LHAK Best, 2 Nr. 1259.
- Altaras, Thea: Synagogen in Hessen • Was geschah seit 1945? Königsstein 1988, S. 10 und 14
- Akte Düsseldorf (wie Anm. 1).
- Scotti: Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem vormaligen Churfürstenthum Cöln … ergangen sind, Bd. 1. Düsseldorf 1830. S. 616 (Nr. 339).
- Akte Düsseldorf (wie Anm. 1).
- Ulrich. Christian: Besitzverhältnisse innerhalb des Mauerberings
- der Stadt Ahrweiler seit dem Jahre 1775. in: Stadtnachrichten 1953. 7|Altaras. a.a.O. (wie Anm. 2). S. 12: Raumaufteilung S. 10 ff.
- 1843 war dem Ahrweiler Landrat die Kellerbetstube gar nicht mehr bekannt, s. LHAK Best. 441 Nr. 9694,
- ebda,, vgl, auch: StA Ahrweiler Akte Nr. 1449 (Schreiben von 1848)
- LHAK Best. 441 Nr, 9705 (Nachweisung von 1856: „seit 60 Jahren bestehe die Dernauer Betstube),
- StA Ahrweiler Akte Nr. 1449 (1848: vor mehreren Jahrzehnten sollen die Dernauer Juden nach Ahrweiler gegangen sein),
- LHAK Best.441 Nr. 9705 und StA Ahrweiler Akte Nr, 1449 (1848: vor ungefähr vier Jahren sei die Ahrweiler Betstube eingerichtet worden)