Ein Zeuge innigen Glaubens – Der Dreifaltigkeits-Bildstock bei Kempenich
Ein Zeuge innigen Glaubens
Der Dreifaltigkeits-Bildstock bei Kempenich
Manfred Becker
Wandert man von Kempenich aus die alte Straße nach Lederbach hoch, die Beunstraße genannt, so erblickt man rechts, hundert Meter hinter dem letzten Wohnhaus, einen uralten, historischen Bildstock. Im Hang eines Hohlweges steht dieser eherne Zeitzeuge einer längst vergangenen Epoche. Es ist kein Kunstwerk, nicht auf den ersten Blick, es ist jedoch solide, handwerkliche Arbeit des ausgehenden Mittelalters. Aus Tuffstein ist der Bildstock errichtet, fein säuberlich von kundiger Steinmetzhand gearbeitet. Wie in seiner Entstehungszeit üblich, hat das Denkmal monumentale Ausmaße. Etwa vier Fuß hoch im Hang befindet sich das Fundament, bestehend aus harten Findlingssteinen der umliegenden Feldflur. Über dem Fundament erhebt sich ein zehn Fuß hoher Bildstock, gekrönt mit einem steinernen Satteldach. Mit heutigem Maß gemessen, ist der Bildstock etwa drei Meter hoch. Der ein Meter hohe Sockel ist rechteckig, zur Straße hin sechs Fuß lang; die Breite im Hang drei Fuß. In den Sockel ist eine rote Marmorplatte eingearbeitet. Sie trägt die Aufschrift: »Gelobt und gepriesen sei die Allerheiligste Dreifaltigkeit.“ Nicht sehr alt ist die Marmorplatte. Die ursprüngliche Inschrift mag verwittert gewesen sein, als ein frommer Mitbürger unseres Jahrhunderts die neue Inschrift fertigen ließ. Das wertvolle Mittelteil ist vier Fuß hoch. In einem Rahmen aus Turfstein befindet sich das Bildnis der heiligen Dreieinigkeit. In Weiß gehalten-vermutlich Marmor – sitzt Gottvater rechts, mit wallendem Bart. So genau stellte sich der mittelalterliche Mensch den Herrgott vor. Links – ihm gegenüber – dort sitzt Jesus, der Sohn Gottes. Beide schauen erstaunt nach oben. Dort strahlt eine Taube ihren Glanz aus, die den heiligen Geist versinnbildlicht. Es ist ein Bild des unerschütterlichen Glaubens unserer Vorfahren. Ein Bild, welches uns viel zu sagen scheint. Das kleine Satteldach – auf kunstvollen Konsolen sitzend – strebt gegen Himmel und krönt ein harmonisches Bildnis.
Seit Menschengedenken pilgern gläubige Bürger am Dreifaltigkeitssonntag – dem Sonntag nach Pfingsten – die Beun hoch, um am Bildstock für eine gute Ernte zu beten. Auch Kummer und Sorgen legt man mit frommem Herzen Gott zu Füßen. Im Sommer stehen ständig frische Feld- und Gartenblumen auf den Stufen zum Altarbild. Hin und wieder wird auch ein Lämpchen hier angezündet, oder eine Kerze geopfert. Die Pilger sind jedoch seltener geworden, seit wir in Wohlstand und Überfluß leben und wir mit der heimischen Scholle nicht mehr so verbunden sind, wie unsere Vorfahren. Mancher gläubige Wanderer verweilt jedoch auch heute noch an dieser gnadenvollen Stätte, um ein stilles »Vater unser« gegen Himmel zu senden.
Als Kinder haben wir uns oft gefragt, wie alt wohl dieser Bildstock sein mag. Eine Antwort konnten uns nicht einmal die ältesten Mitbürger geben.
Durch die intensive Erforschung der Heimatgeschichte in den letzten Jahren ist es nunmehr gelungen, das Geheimnis um die Entstehung des Bildstockes zu lüften. Als am Aschermittwoch des Jahres 1670 Pastor Nicolaus Esch verstorben war, präsentierten die Herren von EItz, die zu dieser Zeit das Kempenicher Ländchen beherrschten, den aus Boppard stammenden Quirinus Mies als Nachfolger von Pastor Esch. Mies war ein sehr frommer und got-tesfürchtiger Mann, der die Kempenicher Kirchengeschichte entscheidend mitgestaltet hat. Er war insgesamt fünfzig Jahre Priester in Kem-penich, solange wie keiner vor-und keiner nach ihm.
Erst 1719 mußte er diese Erde verlassen; am 16. März. Er wurde in der Kempenicher Pfarrkirche beigesetzt. Sein Name steht auf dem alten, aus Basalt gefertigten Missionskreuz, an der Rückwand der Einfriedungsmauer des Kempenicher Friedhofes. Das Missionskreuz ließ der Sendscheffe Schmitt aus Engeln im Jahre 1717 errichten.
Pastor Mies ließ im Jahre 1688 den Grundstein der Lederbacher Kapelle legen und segnete im gleichen Jahr die Kapelle ein. Das kleine Dorfheiligtum wurde derAllerheiligsten Dreifaltigkeit und dem heiligen Bartholomäus geweiht.
Als 1939 die Bevölkerung von Lederbach wegen des Truppenübungsplatzes Ahrbrück evakuiert wurde, wurde auch die Kapelle zerstört, weil sich angeblich lichtscheues Gesindel in dem Gotteshaus aufhalte. Die Figur des Schutzheiligen Bartholomäus siedelte in die Kapelle im Kempenicher Kreuzwäldchen um und darf durchaus als politischer Flüchtling gelten.
Dreifaltigkeitsbildstock bei Kempenich
Doch zurück zu unserem historischen Bildstock. In das Jahr der Erbauung der Lederbacher Kapelle fällt auch die Errichtung unseres Bildstockes, der die Zeiten überdauert hat und uns bis heute erhalten blieb. Unglückselige, arme Zeiten herrschten damals im Kempenicher Ländchen. Der Dreißigjährige Krieg war gerade vierzig Jahre vorbei und der Schrecken dieses Krieges beschäftigte noch die Herzen unserer Ahnen.
Neues Unheil kam über unser Heimatdorf im Jahre 1661. Eine entsetzliche Feuersbrunst zerstörte fast das ganze Dort. Lediglich drei Häuser blieben von den Flammen verschont. Es müssen einzelstehende Gebäude gewesen sein. Auch das Kirchendach brannte ab und das Pfarrhaus mit dem wertvollen Pfarrarchiv. Mauern und Türme der ehemaligen Befestigungsanlage wurden eingerissen und für den Wiederaufbau freigegeben. Aber es sollte noch viel schlimmer kommen. Im Jahre 1666 wütete der „Schwarze Tod« – die Pest – im Kempenicher Ländchen. Fast die gesamte Bevölkerung fiel dieser schrecklichen Seuche zum Opfer. Nur etwa 100 Menschen überlebten die entsetzliche Krankheit. Zu allem Überfluß fielen die Horden des Sonnenkönigs Ludwig des XIV. mordend und plündernd in unsere Heimat ein. Am Sankt Thomastag des Jahres 1678 wurde der Sendscheffe Nicias Lenz am Engelner Weg von den Franzosen erschossen. Im Jahre 1680 lebten noch insgesamt 24 Familien in Kempenich und auf den umliegenden Gehöften.
Sie lebten in bitterster Armut, so daß sie kaum fähig waren, den Zehnten an ihre Herren zu entrichten. Fester und unerschütterlicher Glaube war jedoch unseren Ahnen, trotz härtester Schicksalsschläge, geblieben. So errichteten sie mit Pastor Quirinus Mies manches auch heute noch erhaltene historische Wegekreuz und unseren einmaligen Bildstock.
Der Dreifaltigkeits-Bildstock von Kempenich hat üble, böse Zeiten überdauert und manchen Bürger zur Buße und Einkehr bewegt. Eingerahmt in immergrüne Nadelgehölze, wird er auch in der Zukunft die Menschen mahnen und an ihre Vergänglichkeit erinnern.