Ein Fremdling erobert die Ahrufer – Das „Drüsige Springkraut“
Dem aufmerksamen Naturbeobachter wird es kaum entgangen sein, dass eine auch im Kreis Ahrweiler neue Pflanze, ein sogenannter Neophyt, die Ahrufer erobert hat und die ehemals artenreiche bunte Ufervegetation aus Blutweiderich, Gilbweiderich, Mädesüß, Wasserminze und Beinwell zu verdrängen scheint, da sie dem Konkurrenzdruck dieses Neulings nicht mehr gewachsen sind. Es handelt sich um das Indische oder Drüsige Springkraut, das schon bei geringer Berührung seine reifen Kapseln öffnet und Samenkörner hinausschleudert (daher Springkraut!). Sein wissenschaftlicher Name ist Impatiens glandulifera Royle, ein Balsaminengewächs (Balsaminaceae). Die einjährige Pflanze, 50-300 cm hoch, mit oben verzweigtem, bis 5 cm dickem, glasigen Stängel, ähnelt unserem einheimischen Kräutchen >Rührmichnichtan< (Impatiens nolitangere, vgl. lat. impatiens = ungeduldig, nolitangere = rühre nicht an), hat jedoch violette, purpurrote, rosa oder weiße Blüten in aufrechten 2- bis 14-blütigen Trauben, inkl. Sporn 25-40 mm lang. Das Springkraut heißt „drüsig“, weil zwischen Blattstiel und -grund kleine, rotspitzige Drüsen stehen (glanduliferea, lat. = „drüsentragend“).
Herkunft / Ausbreitungsgeschichte / Ausbreitungswege
Die in Ostindien und dem westlichen Himalaja beheimatete <Hummelorchidee> wurde 1832 im Botanischen Garten Dresden kultiviert, 1839 kam sie als Zierpflanze nach England. Dort wurden die ersten wild wachsenden Pflanzen schon 1855 gefunden und bald in viele europäische Gärten verbracht. Als Gartenpflanze ist sie auch heute noch beliebt. Zur Ausbreitung haben aber vor allem Imker beigetragen, die die Art vielfach als Bienentrachtpflanze ausgebracht haben. Gartenabfälle in der Nähe von Fließgewässern spielten sicherlich auch eine große Rolle. In der Schweiz gab es bereits 1904 Berichte über Verwilderungen, von dort erfolgte wohl die Besiedlung rheinabwärts nach Baden-Württemberg, wo sie in den 1920er Jahren schon stellenweise häufig war. Etwa 1930 hatte das Drüsige Springkraut Karlsruhe erreicht und drang ab etwa 1950 in die Oberrheinische Tiefebene und später zum Mittel- und Niederrhein vor. Kurz danach begann auch die Besiedlung außerhalb des Rheintals, nicht nur entlang der Flüsse, sondern auch entlang der Verkehrswege. Der Neophyt (Neubürger) ist heute in ganz Deutschland verbreitet und häufig (nach Starfinger & Kowarik).
Massenhaftes Auftreten des Drüsigen Springkrauts an der Ahr im Naturschutzgebiet Ahrschleife bei Altenahr
Biologie
Die Vorliebe von Gartenfreunden für das Indische oder Drüsige Springkraut ist nicht ganz unbegründet, muten die stark duftenden Blüten doch wie umgekehrt aufgehängte Glocken oder Füllhörner mit empfangsbereiten weißen oder zartrosa Flügeltoren an, die so ausladend einladen und doch keinem Schmetterling offen stehen (Johannes Roth, 1989). Die Blüten sind jeweils nur zwei Tage geöffnet. Der Nektar (4 gr. Nektar pro qm) wird in einem Kronblattsporn tief in der höhlenartigen Blüte gebildet. Kein Wunder, dass die Pflanze von den verschiedensten Insekten wie Bienen, Wespen und Hummeln besucht wird, die es auf den in großer Menge gebildeten Nektar abgesehen haben, der eine hohe Zuckerkonzentration (53 % vol.) aufweist und daher sehr nahrhaft ist. Der Bestäubungserfolg ist daher auch sehr gut, wie man an der hohen Rate des Samenansatzes ablesen kann (meist 100 %). Eine Pflanze kann bis über 4000 Samen produzieren, in Reinbeständen können so 32000 Samen/m2 gebildet werden. Bei der Reife genügt ein leichter Druck von außen, die Nähte reißen auf und die Fruchtklappen rollen sich plötzlich spiralig auf und die weißen Samen fliegen im weiten Bogen davon. Sie können dabei Entfernungen bis 7 m erreichen. Der Schleudermechanismus soll mit 25 atü arbeiten. Mit fließendem Wasser kommt es zu Fernausbreitung über sehr weite Distanzen, bei starker Strömung werden die Samen am Grund mit dem Sediment transportiert, getrocknete Samen können auch schwimmen. Auch mit fließendem Wasser verdriftete Sprossteile können zu ganzen Pflanzen heranwachsen. Umgeknickte Pflanzen treiben an den Knoten Wurzeln und können dann aufrecht weiterwachsen. Daneben kommt es zu Samentransport mit Bodenmaterial bei Baumaßnahmen. Die Samen haben eine hohe Keimrate ( 80 %). Von der Keimung bis zur Blüte vergehen etwa 13 Wochen. Die Blütezeit hält etwa 12 Wochen an. Das Drüsige Springkraut ist als frostempfindlich bekannt, Spätfröste im Frühjahr können Pflanzenkeime vernichten, die erwachsene Pflanze lebt im Herbst bis zu den ersten Frösten. Auch gegen Dürre ist sie empfindlich.
Vorkommen im Kreis Ahrweiler
Abgesehen von einigen früheren Vorkommen stufen BERLIN & HOFFMANN 1975 das Drüsige Springkraut noch als „selten“ ein (Auengebüsche, feuchte Uferwiesen) und sprechen von Funden im Brohltal oberhalb Brohl und auf dem Vulkan Bausenberg. Im Kempenicher Gebiet und Bergland werde das Drüsige Springkraut zudem vielfach als Zierpflanze in Gärten gezogen. An der Ahr stammen die ersten Funde aus dem Mündungsgebiet bei Kripp, wo 1975 das erste Exemplar, 1979 weitere acht und 1980 schon ca. 70 Pflanzen gefunden wurden. Nach Krause (1983, 1990) ist die Art 1988 zwischen Blankenheim und Kripp nahezu durchgehend anzutreffen. Sie fehlt keinem der von der Ahr berührten Messtischblätter mehr. Er erklärt das so: „Das Drüsige Springkraut ist nahe der gemauerten Quellfassung der Ahr in Blankenheim eine nach Auskunft von Anwohnern seit vielen Jahren beliebte Gartenpflanze. Offensichtlich erfolgte von hier aus – flussabwärts -die Ausbreitung und nicht, wie zunächst erwartet, von den Vorkommen im Mündungsgebiet ausgehend, Ahraufwärts“. Heute ist das Drüsige Springkraut an den Ufern aller Flüsse im Kreis Ahrweiler verbreitet und eingebürgert, ja auch entlang der Nebenflüsse und Bäche, ja bis in die Höhenlagen weit in die Eifel bei Kelberg hinein (600 m ü. NN), wie Hoffmann (2003) für das nördliche Rheinland-Pfalz darlegt, und nennt z.B. auch Vorkommen im Vinxtbachtal und Brohltal, während er für den Laacher See (vorerst) keine Angaben macht (Mdl. Mitt.).
Mögliche Auswirkung und Maßnahmen
Da das Drüsige Springkraut in den letzten Jahrzehnten sehr stark zugenommen hat und besonders auffällige Dominanzbestände aufbaut, wird ihm häufig eine starke Bedrohung einheimischer Arten nachgesagt. Tatsächlich liegt die Wirkung dieser Bestände weniger im Verdrängen anderer Arten als in der Veränderung von Dominanzverhältnissen, vor alleman Gewässern im Hochsommer. Über die Verdrängung anderer Pflanzenarten durch das Springkraut gibt es unterschiedliche Ansichten, sie reichen von „sehr problematisch“ bis „praktisch kein Effekt“. Auf Tiere hat das Balsaminenspringkraut vor allem positive Wirkungen: Ihr reiches Nektarangebot macht sie zu einer hochattraktiven Pflanze für Blütenbesucher. Sie wird von vielen großen Hymenopteren (Hautflügler) besucht, besonders Bienen und Hummeln. Zusätzlich bieten ihre extrafloralen Nektarien Nahrung für zahlreiche kleine Insekten. Auch in der nächsten Stufe der Nahrungskette ist ein positiver Effekt bemerkbar: Das Drüsige Springkraut (I. glandulifera) beherbergt mehr Arten an Blattlausfressern als seine einheimische Verwandte I. nolitangere. Die Attraktivität für Blütenbesucher kann so weit gehen, dass andere Pflanzen weniger von Bestäubern besucht werden. Ob das über die Reduktion von Samenansatz zu einer Verdrängung dieser Pflanzenarten beiträgt, muss weiter untersucht werden (nach Starfinger & Kowarik). Auch über Maßnahmen der Bekämpfung kann man geteilter Meinung sein. Aussaaten durch Imker sollten außerhalb von Siedlungen grundsätzlich unterbleiben. Dazu gehört der Verzicht auf Ausbringung auch in gewässernahen Gärten und entsprechende Umsicht bei Baumaßnahmen, die Erdtransporte mit sich bringen. Erste Bestände am Oberlauf von Gewässern sollten entfernt werden, bevor durch den Samentransport flussabwärts ein ganzes Tal mit Springkraut besiedelt wird (nach Starfinger & Kowarik).
Literatur:
ANDRES, H. (1920): Flora des Mittelrheinischen Berglandes. – Wittlich, 381 S. und 14 S. (Nachträge und Berichtigungen)
BERLIN, A. & HOFFMANN, H. (1975): Flora von Mayen und Umgebung. Eine Gefäßpflanzenliste der östlichen Hocheifel und des Mittelrheinbeckens. – Beiträge zur Landespflege in Rheinland-Pfalz (Oppenheim) 3, 171-391
Hoffmann, H. (2003): Archäophyten, Neophyten, unbeständige und häufig kultivierte Pflanzenarten im nördlichen Rheinland-Pfalz, Decheniana (Bonn), 156, S. 217-243
Kowarik, I. (2003): Biologische Invasionen: Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa. Ulmer, Stuttgart.
KRAUSE, A. (1983): Zur Entwicklung des Seifenkraut-Queckenrasens (Saponaria officinalis-Agropyron repens-Gesellschaft) im Mündungsgebiet der Ahr, in: Decheniana (Bonn) 136, S. 20-29 Krause, A. (1990): Neophyten an der Ahr. Stand der Ausbreitung 1988. -Tuexenia 10: 49-55
LAVEN, L. & THYSSEN, P. (1959): Flora des Köln-Bonner Wandergebietes.
– Decheniana (Bonn), 112, 1-179
Roth, J. (1989): Gartenlust – Frankfurter Allgemeine Magazin, Hrsg. T. Schröder, Keysersche Verlagsbuchhandlung
Starfinger, U. & Kowarik, I. (2004): Impatiens glandulifera Royle (Balsaminaceae), Drüsiges Springkraut, Institut für Ökologie der TU Berlin [Internet]