Ein erfülltes Priesterleben
VON HERMANN COMES
Pfarrer i. R. Franz Müller weilt seit August des Jahres 1968 als Hausgeistlicher auf der Insel Nonnenwerth. Sie ist ihm, wie aus seinen eigenen Worten hervorgeht, zur zweiten Heimat geworden; denn er sagte: „Auf der Insel gefällt es mir sehr gut, wenn ich es so richtig sagen soll: sie ist ein Paradies!“ Und wer es nicht glauben wollte, der braucht sich nur eine seiner vielen Farbaufnahmen anzusehen, in denen er die schönen Winkel der Rheininsel, das Kommen des Frühlings und die Blütenpracht festhielt. Dazu muß man wissen, daß das Fotografieren sein Hobby ist. Auf dem Eiland vollendete er auch sein 70. Lebensjahr. Dieser Tag sollte nicht ohne ganz besondere Überraschung bleiben. Als Ehrengast kam der Dompropst von Berlin, Professor Dr. Wolfgang Händly, in hohem Auftrag zur Gratulationscour. Er war der Abgesandte von Kardinal Bengsch und überbrachte die Ernennungsurkunde zum Geistlichen Rat. Tun wir einen Blick in diese Urkunde, in der der Dank an einen verantwortungsbewußten Seelsorger und die Würdigung dessen, was er geschaffen hat, zum Ausdruck kommt:
„In Würdigung Ihrer Verdienste um den Bau der Bernhard – Lichtenberg – Gedächtniskirche und Ihres selbstlosen priesterlichen Dienstes verleihe ich Ihnen hiermit den Titel .Geistlicher Rat‘. Möge der Herrgott Ihnen noch viele Jahre der inneren und äußeren Zufriedenheit schenken. Mit Gruß und Segen
Alfred Kardinal Bengsch,
Erzbischof, Bischof von Berlin.“
Foto: Stang
16 Jahre war Geistlicher Rat Pfarrer i. R Franz Müller Pfarrherr in Berlin-Tegel-Süd Er war es, der in dieser Pfarrei, die bis dahin nur eine Notkapelle hatte, die St.-Bernhard-Lichtenberg-Gedächtniskirche erbaute. Im Jahre 1960 wurde sie von Kardinal Döpfner konsekriert. Es ist sein Lebenswerk, und sein Name wird in den Annalen der St.-Bernhard-Pfarrei einen gebührenden Platz für die Nachwelt erhalten.
Geistlicher Rat Pfarrer i. R. Franz Müller gab uns einen Einblick in das, was ihn besonders mit Bernhard Lichtenberg verbindet. Als Bernhard Lichtenberg Pfarrer der Herz-Jesu-Pfarrei in Berlin-Charlottenburg war, war er in den Jahren von 1924 bis 1929 bei ihm als Kaplan tätig. 56 000 Seelen zählte die Pfarrei, die nur eine Kirche hatte. Als Pfarrer Lichtenberg als Dompropst zur St.-Hedwigs-Kathedrale kam, die heute im Ostsektor der Stadt liegt, hatte Charlottenburg sechs Kirchen; fünf hatte er gebaut. Pflicht- und verantwortungsbewußt betete Bernhard Lichtenberg in den schweren Jahren nach 1933 von der Kanzel aus mutig für die Opfer in den Konzentrationslagern, und besonders wandte er sich gegen den Massenmord an den Juden, den er in aller Schärfe öffentlich verurteilte. Damit schuf er sich die damaligen Machthaber zum Feind. Doch das störte ihn, den aufrechten und väterlich besorgten Seelsorger, nicht. Zwei Jahre war er im Gefängnis — doch auch das konnte ihn nicht erschüttern. Auf dem Transport in das Konzentrationslager Dachau verstarb er am 5. November 1943 in Hof. In der St.-Hedwigs-Kathedrale, wo er als Dompropst segensreich wirkte, hat er seine letzte Ruhestätte gefunden. Denen, die ihn kannten und in Hochachtung von seinem selbstlosen Einsatz sprechen, ist er „der Märtyrer-Dompropst von St. Hedwig.“