Eigentlich sind es 2000 Jahre – Remagen beging seine 750-Jahr-Feier als rheinische Stadt

Eigentlich sind es 2000 Jahre

Remagen beging seine 750-Jahr-Feier als rheinische Stadt

VON HARRY LERCH

Mit Volksfest und Feierstunden, mit einer großen stadtgeschichtlichen Ausstellung beging Remagen 1971 die 750-Jahr-Feier seiner Stadtwerdung. Genau besehen, ist Remagen 2000 Jahre alt, denn hier stand das Castellum Rigomagus mit Hafen, Wachstation und Kastell. Eine Reihe historischer Veröffentlichungen aus der Feder von Dr. Klaus Fink belegte die geschichtlichen Beweise und Geschehnisse. Wir greifen zwei der Ereignisse heraus: einmal die Stunde, als der schöne Bildband an die Öffentlichkeit übergeben wurde, andermal der Augenblick, als zwei Jupitersteine zurückgegeben werden. Das Glück der Stunde hatte sie zutage gefördert, als in der St.-Peter-Paul-Kirche Fundamente freigelegt waren.

Zunächst der Bericht jener Stunde, als der Bildband übergeben wird. Er ist für alle Zeiten lesenswert und stimmt froh. Denn Remagen ist hier am Sonntag und am Wochentag gezeigt.

Es ist keiner jener glatten, man möchte sagen: aalglatten Bände, die heute auf perfektestem Glanzpapier herauskommen und doch so viel beschönigen.

Fotografische Liebeserklärung

In diesem Augenblicke beneiden wir uns selbst, zur Presse zu gehören, denn ihren Vertretern übergibt Bürgermeister H. P. Kürten die ersten Exemplare des Bildbandes REMAGEN. Zuge-gcn ist Verleger Rommerskirchen (Oberwinter) und vor allem der Maler Fritz Rübbcrt (Kripp). Er hat genau ein Jahr dafür verwendet, fotografisch heiter und leicht im Bilde darzustellen, was und wie Remagen ist. Sein Alltag, sein Sonntag. Sein Gesicht.

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Blättern wir darin . . . Auf dem Titelbild muntere Schiffe auf dem Rhein, es wehen die Wimpel im frischen Wind, dahinter die nadelfeinen Türme der Apollinariskirche. Fotos vom Rolandsbogen bis zur Mündung der Ahr … die größer gewordene Stadt ist Bild geworden. Im übrigen kommen die Bürger nicht im Frack, sondern in der Uniform der Schützen, der Spielleute und der Jecke, denn Karneval wird ja hierzulande gut gefeiert.

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Von Fritz Rübbert die Fotos, von Dr. Klaus Fink der Text. Bild und Wort lassen Remagen kennenlernen und liebgewinnen. Da sind des Stromes hochgesegnete Gebreiten prächtig dargestellt, aber auch eine verträumte Bachbrücke, wie überhaupt das regsame und das stille Leben Objekt der Kamera sind. Kinder am Rhein, Reiter im roten Frack, die Stadt im Rauhreif, der Alltag, der Festtag. Die Prozession kniet vor dem Fronleichnamsaltar, die Schützen stehen wie Säulen mit gezogenem Degen.

Foto: Stang, Remagen
Das Pfarrhoftor an der Kirche in Remagen (750-Jahr-Feier)

Blättern wir weiter . . . St.-Martins-Zug und das „Krabbeln“ der Kinder, ein Schiff kommt an, Jakobstag in Remagen, Salutschüsse bollern, Buben spielen Fußball.

„Marcel Marceau, der Pianist Stefan Askenase gehören zu uns, die Botschafter von Frankreich und Rußland“ sagt der Bürgermeister stolz, und das mit gutem Recht. Sie sind ja Remagener Bürger.

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Blättern wir weiter. . . der Rolandsbogen im Grünen, es ist Sommertag. Die Insel Nonnenwerth im Schnee, und da lächelt und lacht Carlo Schmid auf dem nächsten Bild am Bahnhof Rolandseck, wie nur er lachen und lächeln kann. Zarapkin ernst, es schmunzelt der Chansonsänger Charles Aznavour . . .

Auf anderen Blättern die Würde der Steine kunstgeschichtlicher Kostbarkeiten, dort schaut ein Kind zum Fenster hinaus, da hebt der Chordirigent die Hand zum frohen Lied am Maienmorgen.

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Die Stadt, die Steine, der Tag, die Nacht, der Rhein und die Menschen künden, daß Geschichte Leben ist und Leben Geschichte. Seit 2 000 Jahren.

Mit der Poesie der Kamera leuchtet das aus jedem Blatt.

Die Jupitersteine wieder da

Das ist die andere Stunde: die Jupitersteine. Lesen wir in unserem Pressebericht noch einmal nach, lesen Sie mit:

Es freuen sich Pfarrer Hammes, die Pfarrfamilie und die Bürger der Stadt. Die Jupitersteine sind wieder da! Sie stehen in der Kirche — dahin gehören sie auch, denn hier wurden sie gefunden.

Als jüngst die Fundamente der Kirche St. Peter und Paul gelockert wurden für den Bau der Heizung, kamen zwei große Weihesteine der Römerzeit zutage. Kombinationen über den Fundort ergeben zwei Möglichkeiten: entweder war hier eine Weihestätte für Jupiter und die christliche Kirche wurde darüber gebaut. Oft ist ein Kultbau über dem anderen entstanden. Die andere Möglichkeit bedeutet, daß die beiden Steine für das Fundament — gefunden in der Landschaft — verwendet wurden, ohne ihre Bedeutung zu erkennen.

Weihesteine dieser Art sind nicht immer im römischen Kultbau aufgestellt worden. Sie standen am Wegesrand — nicht anders als unsere Wegekreuze an den Straßen, aus Basalt gehauen, zum Segen des Ackers oder als Grab- und Erinnerungsstein an einen verstorbenen „Ackermann“, •wie es in alten Urkunden heißt. So oder so — die Steine sind zurück aus dem Koblenzer Amt für Vor- und Frühgeschichte. Allzulange waren sie dort zur Datierung. Der Leiter des Amtes, Dr. Eiden, sprach über sie, als zum Stadtjubiläum sich die Arbeitsgemeinschaft für Landesgeschichte und Volkskunde zusammenfand.

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Steine sind Urkunden… was sagen sie? Zunächst einmal der Stein, der an seinem oberen Rand eine Volute hat, deren Gegenstück am anderen Rand abgebrochen ist. Seine Inschrift ist gut lesbar. Wörtlich zu übersetzen ist sie nicht, da sie viele Abkürzungen enthält. Außerdem — die Steinmetzen der Römer konnten nicht in jedem Falle lesen. So geschieht es gelegentlich, daß Buchstaben fehlen. Errichtet ist dieser Weihealtar an Jupiter als Schutzgeist des Ortes von einem Beneficiarus Consularis Titus Far Bena Januarius und Hauptmann der XXXV. Legion in Remagen. Dr. Eiden fügt lakonisch hinzu: „Ein Hauptmann, abkommandiert an eine Gendarmeriestation.“ Der zweite Stein: Ebenfalls ein Weihestein an Jupiter. Errichtet von Sextus Senius Secundinus als Soldat der Ersten, in Bonn stationierten Legion, kommandiert als Landgendarm nach Remagen.

Offenbar hat in Remagen für die durchziehenden Legionäre und für das Kastell selbst eine Art Feldgendarmerie bestanden, meint Dr. Eiden.

Auf jeden Fall: Remagen hat diese Steine zurück, die einst auf seinem Boden und in der Flur gestanden haben. Ihren Standort haben sie in der Pfarrkirche, in der sie gefunden wurden. Hier hat sie die Erde wieder hergegeben als Zeichen, daß Götter und Leben nebeneinander waren in der Zeit des römischen Kastells. Das Pfarrhoftor an der Kirche: ein rätselhaftes Bildwerk der romanischen Plastik. Alttestamentarische, heidnische und christliche Symbolik ist in den Reliefs verschmolzen.