Eifeler Mutterwitz:

„Dressjüngelche von 7O Johr“

Karl Holtz

Foto: Lorenz

In einer geselligen Runde bei einer Flasche guten Ahrrotweins philosophierten die Zecher über das Altern und das Alter, über jugendlich gebliebene alte und frühalternde Jüngere Menschen. Da meinte einer, auch mit dem Alter sei alles relativ, es käme auf den Standpunkt an und begründete seine Weisheit mit einer Anekdote, die, wie er „met dausend Dudsünde“ bekräftigte, den Vorzug habe, wahr zu sein. Obschon das Erlebnis nicht ganz neu, aber ein treffendes Beispiel Eifeler Mutterwitzes sei, regte der Landrat als der „Höchste“ in der Runde an, dieses Geschehen im Heimatkalender der Nachwelt zu erhalten.

Das war so: In Dorsel, auf der Höhe bei Antweiler-Ahr, gab es zwei Männer mit dem Vornamen Hubert, der Landwirt Britz und der Schmiedemeister Thiebes, beide 1862 in Dorsel geboren, wo sie zusammen die Schule besuchten und ihr Leben verbrachten. Hier genossen sie auch einen ruhigen, harmonischen Lebensabend. In der krummen Pfeife Trierer Strang rauchend, das bemooste Haupt bedeckt mit einem schirmlosen runden Käppchen, spazierten sie durch die Straßen oder saßen auf der Bank, von der aus sie von der Höhe die schone Landschaft mit der alten Stahlhütte überschauten, von der „guten alten Zeit“ erzählten, Erinnerungen wachriefen an eine harte Jugendzeit.

Als sie 95 waren, kam Besuch ins Dorf. Zwei Zeitungsleute wollten über die beiden rüstigen Alten etwas in der Heimatzeitung berichten. „Su, su, von der Zeidung seid Ihr“ sagte Thiebes, „on von os wollt Ihr jet schreiwve on e Bildche mache“. Mit verschmitztem Lächeln kam dann von Britz, wie aus der Pistole geschossen, die abgeklärte Weisheit des Alters, zuerst noch einmal kräftig an der Pfeife ziehend: „Ja, Hubät, dat sen die Manne von de Zeidung, die die Dressjüngelche von 70 Johr zom Jeburtsdag gratuliere“.

Sie durften das sagen, denn sie waren ja 25 Jahre älter und beide noch sehr rüstig. Hubert Britz starb 1958 im Alter von 95 1/2 Jahren, und 1959 schloß Hubert Thiebes mit 96 1/2 Jahren die Augen für immer.

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