„Dilledöpp und Mömmesse“ – Spielzeug von anno dazumal
Da kramte ich neulich in einer alten Holzkiste. Die Neugierde hatte mich gepackt. Eigentlich war dies gar nicht meine Absicht, denn aus einem ganz anderen Anlaß war ich auf den Speicher, Dachboden oder wie man im rheinischen Volksmund sagt, »auf die Lauf« gestiegen. Es ergab sich, als ich die Fernsehantenne zum besseren Empfang drehte, daß ich verstaubt in der äußersten Ecke der »Lauf« eine Kiste entdeckte. Irgendwo steht in jedem Haus, gleich ob im Keller oder Schuppen oder sonst in einem Abstellraum so ein Ding mit allerhand „Brassel“.
Die Kiste, übrigens eine alte Wäschetruhe mit halbrundem Deckelverschluß von meinen Groß-eltern mit handgeschmiedeten Eisenbeschlägen, hat schon manchem Sturm und Drang der Zeiten standgehalten. Sie mag wohl älter als hundert Jahre sein. Der Inhalt dieser Truhe, es ist so allerhand Krimskrams, erinnert mich an meine Kindheit. Was man hierin nicht so alles wiederfindet, Malbücher, Malstifte, die Schiefertafel aus den ersten Schuljahren, dazu die hölzerne, rechteckige Griffeldose, Schiefergriffel mit buntem Papiereinschlag im oberen Drittel. Da tauchte die Laubsäge auf, mit der man an den langen kalten vorweihnachtlichen Winterabenden durch das dauernde »Ritsche Ratsche« oft genug den Eltern auf die Nerven fiel. Und nicht selten wurde hierbei auch noch Mut-ters Küchentisch angesägt. Gleich hinterher griff ich zu den ersten Künsten meiner Laubsägearbeit, »made in Germany 1940/41«. Mir machte damals der Umgang mit Sperrholz und Laubsäge viel Spaß. Zwerge, Krippenfiguren, Sterne, die bunt bemalt als Christbaumschmuck Verwendung fanden und sonstige Gebilde wurden ausgesägt. Sperrholz, das war in den damaligen Kriegsjahren Mangelware. Man mußte schon Beziehungen haben, um in den Besitz von Sperrholz zu kommen.
Als nächstes kam die damals bei uns Burschen vielgeliebte Schleuder zum Vorschein. Zwar wurde immer wieder von den Eltern der Besitz einer Schleuder strengstens verboten. Aber wer hatte nicht als rheinischer Stropp so ein Ding heimlich in seinem Besitz. So eine »Ritsch« hatte ihren Reiz, denn allzu gern wurden hiermit unbeobachtet Fensterscheiben durchlöchert. Voller Stolz rühmte sich ein jeder, die beste und zielsicherste Schleuder zu haben. Die Konstruktion einer Schleuder war ganz einfach. Benötigt wurde eine Holzgabel (Ypsilon-Form). Die Gabelform war in Haselnußsträuchern unter anderem zu finden. Gummi und die Steineinlage, die aus Leder sein mußte, waren in der damaligen Zeit gefragte Sachen. Kriegszeit war, und alles war knapp. Da ließ man einen bei den Hausfrauen in damaliger Zeit so begehrten Gummiring vom Einmachglas, der für die Herstellung der Schleuder erforderlich war, klammheimlich verschwinden. Das Leder für die Steineinlage wurde einfach aus der Lasche von einem Schuh abgeschnitten. Wir wußten uns zu helfen.
Ich kramte weiter in der Truhe und entdecke den so beliebten Dilledopp. Viele Kinder werden heute fragen, was ist denn eigentlich ein Dilledopp? Ein Dilledopp ist ein Kreisel. Mit einer Schnur von etwa 50 Zentimeter Länge, die an einem Stock befestigt ist, wird der Dilledopp getrieben. Zum Dilledoppjagen eigneten sich in damaliger nur die noch wenigen Straßen und Plätze mit schönen glatten Flächen.
Dann entdeckte ich ein Säckchen mit Klickern, wir sagten »Mömmesse«. Oft hatten wir in Kinderjahren von diesen kleinen, verschieden farbigen Kugeln, aus tonähnlichem Material hergestellt, ganze Taschen voll. Daneben gab es buntstreifige größere Glaskugeln, die wir »Waggele« nannten. Im Frühjahr und Herbst war » Mömmessezeit“. Beliebte Orte für dieses Spiel waren wenig befahrene, nicht geteerte Wege und Plätze. Nicht ausgebaute Sttaßen- und Wegeflächen waren zur damaligen Zeit keine Seltenheit. Drei, sechs, neun, oder einundzwanzig nannten wir die Spiele mit den runden Kugeln.
Ganz verrostet entdeckte ich dann auch noch meine Schlittschuhe, mit denen man so gern über das Saumeis am Rhein zur winterlichen Zeit glitt. Saumeis auf dem Rhein, das war früher in Frostperioden gang und gäbe. Da vom Spielzeug anno dazumal die Rede ist, sei ergänzt, daß auch das Reifenschlagen, oder» Reif jagen« früher große Mode war. Welches Kind treibt oder jagt heute noch einen Holz- oder Eisenreifen über die Straße? Am liebsten hatten wir für dieses Spiel ausgediente Fahrradfelgen. Als besondere Errungenschaft galt es in jener Zeit, wenn jemand von uns Burschen noch eine Felge mit Schlauch und Mantel zum Reifjagen hatte.
Was war das damals für herrliches Spielzeug!
Kinderspiel „Häschen in der Grube“ vor der Sinziger Kirche, um 1960
Wir waren zufrieden mit dem was wir hatten. Doch die Kinder unserer Zeit sind anderer Meinung. Sicher auch mit Recht, denn sie können sich in die damalige Zeit, wo es nur wenig technisches Spielzeug gab, nicht versetzen.
Für sie gibt es heute eben andere Spielsachen und Spiele, die sie, ebenso wie wir damals, herrlich finden. Und noch eins sollte man dabei bedenken: Früher gehörte die Straße uns Kindern und heute . . .