Die Windmühle, einst die Zierde unserer Landschaft

VON HEINRICH O. OLBRICH

Die allgemein üblichen und bekannten Wassermühlen waren nicht überall, namentlich nicht in ausgedehnten Ebenen, verwendbar. Man suchte für die billige Wasserkraft einen entsprechenden Ersatz und kam auf den Gedanken, den Wind als Treibkraft einzufangen und zu nutzen. Es war für damalige Zeiten ein kühnes Unterfangen, sich mit diesem Problem zu beschäftigen, zumal die Windrichtungen und die Windstärken ständig wechselten. Nach langen Überlegungen und Versuchen, wobei die Holländer das erste Verdienst für diese Entwicklung haben, wurden die ersten Windmühlen konstruiert. Wesentlich war dabei, daß die Achse der Windmühlenflügel so eingebaut wurde, daß sie — je nach der Windrichtung — drehbar war. Die Stellung der Flügelflächen entsprach der Wirkung der Segel. Man müßte annehmen, daß die Römer als erstes segelfahrendes Volk im Mittelmeer, auf diese Konstruktion gestoßen wären. Auch den verschiedenen Windstärken konnte dadurch begegnet werden, indem die Flächen der Flügel vergrößert oder verkleinert werden konnten. Nach einer angelsächsischen Urkunde wird dort die erste Windmühle im Jahre 833 genannt.

Für die Völker und ihre Brotproduktion, deren Wassergefälle nur schwach war, hat diese Neuentdeckung eine ungeheure Bedeutung erreicht. Die ganze nordeuropäische Tiefebene hat diese Neuerung freudig aufgenommen. In Frankreich werden Windmühlen seit dem Jahre 1105 genannt; während in Deutschland die erste Windmühle in Speyer im Jahre 1332 errichtet wurde. Aber auch hier mußten nachweislich Fachkräfte aus Holland geholt werden, welche die Windmühlen zu bauen hatten. Die Einführung dieser Neuerung erzeugte auch neue juristische Streitigkeiten, so lächerlich sie uns auch heute erscheinen mögen. Als die Mönche des Augustinerordens in Overyssel 1391 eine Windmühle bauen wollten, legte der benachbarte Graf Protest gegen dieses Vorhaben ein, weil der Wind über sein Gebiet streiche. Er wollte dafür entschädigt werden. Daraufhin gebot der Bischof von Utrecht, daß die ganze Provinz unter seinem Winde allein läge. Viele Müller von Friesland mußten ihren Grafen eine Jahresgebühr für die Windbenutzung zahlen. Die Streitigkeiten dehnten sich über Jahrhunderte aus.

Die Windmühlen wurden in ihrer Bauart bis ins späte Mittelalter stark bewundert. Ein Gelehrter dieser Zeit schreibt: „Ich vermag nicht mit Schweigen hinwegzugehen über etwas, das ich nicht glauben wollte, ehe ich’s nicht mit meinen Augen sah. Manche sprachen bereits davon, aber es schien mir unmöglich zu sein. Nun, mein Wissensdurst überwand meine Scheu, und ich habe mich davon überzeugt: in manchen Teilen in Frankreich stehen Mühlen, die vom Wind gedreht werden.“

Ebenso wie um die alten Wassermühlen entfaltete sich auch um die Windmühlen ein eigener Mythos, der allgemein verbreitet war. Man meinte, daß die Mühle ächze und jammere, wenn sie im Mahlgang stand. Sie wurde mit geheimnisvollen Vorgängen und Gespenstern in Verbindung gebracht.

Da sie sich durch ihre besondere Bauart mit den mächtigen Flügeln aus der Umgebung herausgehoben hat, stand sie stets im Blickpunkt der

Menschen, so daß Dichter und Sänger oft nicht nur die Mühle, sondern auch den Müller und die Müllerin besungen haben. Unsere wandernde Jugend besucht noch heute sehr gern die alten Windmühlen, die häufig als Jugendherbergen genutzt werden.

Die südlichste Windmühle der Rheinlande war die Fritzdorfer Windmühle, von der unser Jahrbuch 1959 berichtete. Der erhaltene Turm ist noch heute das Wahrzeichen der „Grafschaft“.