Die Walpoden von Bassenheim auf Olbrück
Nach Dr. Ludwig Wirth (+ 1926) von Leo Stausberg
Das an Naturdenkmälern und Merkwürdigkeiten reiche Gebiet des oberen Brohltals wird weithin beherrscht von einem bewaldeten Phonolithkegel, der sich an der Südgrenze des Kreises Ahrweiler im alten Zissener Ländchen erhebt und über den ein gigantischer vierkantiger Burgturm emporragt. Er zwingt den Blick des Wanderers zu sich hinauf. Spärliche Mauerreste gruppieren sich um den Riesen. Merkwürdig klingt der Name dieser Burg: „Olbrück“. Ein Widersinn? In der ältesten Urkunde über diese Burg aus dem Jahre 1112 lautet er „Ocburg“‚. Namengebend war der am Fuße des Perlerkopfes entspringende Ocbach, der heute Brohlbach heißt. Durch Lautwandel wurde aus „Ocburg“ „Olbrück“ (Dissimilation des r in l, Metathesis des r vor 11).
Von dem fast 40 m hohen Turm schweift der Blick bei guter Sicht nordwärts bis zum Siebengebirge und zu den Türmen des Kölner Domes. Ein Graf Burkhard von Wied erbaute die Burg um das Jahr 1100. Bis zum Jahre 1188 besaßen die Grafen von Wied sie als Allod (freies Eigentum). Damals verkaufte der Graf Theoderich von Wied diesen Besitz für 400 Mark an den Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg und empfing ihn als kurkölnisches Lehen zurück. Dabei verblieb es auch in der Folgezeit. Es lag im Zuge der kurkölnischen Territorialpolitik, sich hier im Süden einen militärischen Stützpunkt zu schaffen, wie es schon unter Philipps Vorgänger, Reinald von Dassel, dem Kanzler Barbarossas, mit Erfolg angebahnt war, als dieser die Burg Rheineck und den Reichshof zu Andernach erwarb.
Die Herrschaft und Burg Olbrück gehörten in der Folge einer oft wechselnden Ganerbenschaft, die teils durch Hei-
rat mit wiedischen Edelfräulein dort Besitz- und Wohnrecht erwarb, teils durch Pfandbesitz ansässig wurde. Die adligen Bewohner mochten sich in der trutzigen Feste sicher fühlen. Sie lag abseits des unruhigen Rheintals. So wurde die Olbrück eine typische Sippenburg, die meist von verschiedenen Familien gleichzeitig bewohnt war, deren Anteile, Gerechtsame und Pflichten in immer wieder neu festgesetzten Burgfriedensverträgen niedergelegt werden mußten.
Die Herrschaft Olbrück umfaßte die Ortschaften Hain, Wollscheid, Hannebach, Schelborn, Ober- und Niederdürenbach, Buschhöfe, Rodder, Ober- und Niederzissen, Oberweiler, Galenberg, Brenk und Fußhölle und hatte ein Areal von 38000 Hektar.
Von zwei wiedischen Anerben, den Edelherren von Eppstein (Taunus) und von Isenburg-Braunsberg (Westerwald), hatte ein Ritter Peter von Eich (bei Andernach) in den Jahren 1269 und 1272 deren Anteile an der Burg und Herrschaft Olbrück in Pfandbesitz genommen. Die von Eich und ihre Sippe (von Rheineck, von Orsbeck u. a.) behaupteten sich mehrere Jahrhunderte in diesem Pfandbesitz. Die Letzte des Geschlechtes derer von Eich, Elisabeth, Tochtes eines Peter von Eich und der Gertrud von Saffenberg (Ahr), vermählte sich mit Gotthard, Ritter von Drachenfels, und brachte ihm ihren Olbrücker Anteil zu.
Die Grafen von Wied trachteten um diese Zeit danach, ihre ursprüngliche Besitzung Olbrück, die sie nur mehr als Afterlehen besaßen, wieder fest in die Hand zu bekommen. So kaufte im Jahre 1485 der Graf Friedrich I. von Wied-Runkel (Lahn) von dem Ritter Glas von Drachenfels dessen Anteil an der Herrschaft Olbrück für 6000 Goldgulden.
Einer der drachenfelsischen Erben, Anton Walpod von Bassenheim, jedoch erkannte diesen Verkauf nicht an und behauptete seinen Anteil an Olbrück als Eigentum. Seine Söhne Johann, Anton und Otto bemächtigten sich der Burg und hielten sie besetzt (1493). Sie unterließen es sogar, um eine Belehnung nachzusuchen. Ihre Rechte wurden schließlich anerkannt. Am 22. April 1555 verkaufte Graf Friedrich von Wied, der spätere Erzbischof von Köln, Burg und Herrschaft Olbrück an die drei Brüder für 15 000 Goldgulden mit der Maßgabe, daß der Besitz ganz als kölnisches Lehen empfangen werden sollte. Nachdem bereits am 25. April Friedrichs Bruder, Graf Johann IV. von Wied, den Verkauf genehmigt hatte, belehnte Erzbischof Adolf von Köln die drei genannten Brüder feierlich für sich und ihre männlichen Leibeserben am 4. Juli 1555 „mit ganzer gemeiner Burg und Herrlichkeit Olbrück mit allem Zubehör, mit Ausnahme des orsbeckischen Anteils.“ Als Adolfs Nachfolger, Erzbischof Johann Gebhard, die Belehnung an die drei Walpoden am 22. März 1561 erneuerte, fügte er auch noch den Orsbecker Anteil hinzu.
So war die ganze Burg und Herrlichkeit Olbrück in den Besitz der Familie der Walpoden von Bassenheim gelangt.. Der eigentümliche Titel „Walpoden“ oder „Walbotten“ bedeutete ursprünglich eine richterlich-militärische Funktion im mittelalterlichen Lehensreich, ähnlich „Kämmerer“, „Herzog“ und „Graf“ wie die Titel „Truchseß“, „Marschall“, (Greve). Es stecken darin die alten Worte „Wal“ =Kampf und „Bote“ (vgl. Gebot, Verbot, Gebiet,Gebieter, entbieten, Fronbote, Sendbote u. a.).
Im Jahre 1554 teilten sich die Brüder Johann, Anton und Otto in drei Linien auf: Die Walpoden von Bassenheim zu Bassenheim, die W. v. B. zu Königsfeld und Gudenau (im Drachenfelser Ländchen), und zu Olbrück und Bornheim. Die drei Walpoden ließen indes den Ol-brücker Besitz als Ganerbenschaft bestehen wie bisher. Die Gudenauer Linie erlosch im Jahre 1735 im Mannesstamm und schied aus der Ganerbenschaft aus, da Olbrück ja ein Männerlehen war. Im Jahre 1767 nahmen die beiden noch übrigen Linien, die freiherrliche von Olbrück-Bornheim und die inzwischen gräflich gewordene von Bassenheim eine Teilung des Landbesitzes vor: Während die Burg selbst Gemeinbesitz blieb, wurde das Gebiet wie folgt getrennt: Die Walpoden von Bassenheim erhielten Oberweiler, Brenk, Galenberg, Fuchshöll, Wollscheid und Hannebach, während die Bornhei-mer Walpoden Nieder- und Oberdürenbach, Rodder, Schelborn, Krummenthal und Buschhof bekamen. Die Orte Ober- und Niederzissen sowie Hain wurden durch eine Grenzabsteinung in zwei Hälften geschieden. Man nannte das ganze Olbrücker Herrschaftsgebiet gewöhnlich das „Zissener Ländchen“.
Die großen kriegerischen Ereignisse des 17. Jahrhunderts zogen die Burg, die im Mittelalter jedem Feind hätte trotzen können, schwer in Mitleidenschaft, denn seit der Entwicklung der Feuerwaffen war die Glanzzeit der Ritterburgen dahin. 1632 nahmen die Schweden sie ein, im folgenden Jahre spanische und kurkölnische Heerhaufen. Nicht minder schlimm, wenn auch kürzere Zeit, verheerte die durch den kurkölnischen Prätendenten Egon von Fürstenberg heraufbeschworene Invasion der Soldaten des Sonnenkönigs im Jahre 1689 auch das Zissener Ländchen. Wie so viele Burgen und Schlösser unserer Heimat, ging auch die Olbrück damals in Flammen auf und wurde teilweise niedergerissen. Nachdem ward sie wieder aufgebaut.
Das Ende der „Herrschaft Olbrück“ kam, wie für alle anderen Lehensbesitze, mit der großen französischen Revolution. Nach erfolgter Annexion des linken Rheinufers wurde sie als Nationalbesitz erklärt und später an Private verkauft. Die gewaltigen Mauermassen der Burg boten sich den Umwohnern als bequemer Steinbruch dar. Vor 100 Jahren (1854) erwarb die preußische Regierung die Ruine und stellte sie unter Denkmalschutz. Es fand sich später (1875) ein baltischer Freiherr, Oskar von Ekespare, der die Burg kaufte und vor weiterem Verfall bewahrte. Der Stammbaum dieses Barons wies Ahnen aus dem Geschlecht der Ritter von Eich auf, die einst bekanntlich Teilhaber der Burg gewesen waren. Dieser letzte „Olbrücker“ starb am 16. Januar 1926 in Arensburg auf der Insel Oesel. Danach kaufte den Besitz ein Dr. F. E. Schmidt-Berlin. Burgwart ist seit vielen Jahrzehnten der Wirt Radermacher in Hain.
Der Heimatfreund würde es“ begrüßen, wenn erneuten Verfallserscheinungen energisch Einhalt getan würde an einem geschichtlichen Denkmal unseres Heimatkreises, das seinesgleichen sucht.