Die Traßlandschaft des Brohltals
Von Zita Larscheid
TRASSGRUBE IM BROHLTAL
Foto: Bapt. Schneider
„Dich grüß‘ ich und preis‘ ich, du herrliches Land . . .“, schrieb einstmals ein Freund und Kenner Brohltals, und wohl niemand kann sich dem Reiz der Naturlandschaft des unteren Brohltals entziehen, der vor allem bestimmt wird durch die Traßwände und Traßpartien, die bald rechts, bald links, bald auf beiden Seiten des Brohlbaches aufragen.
Das Traßgebiet beginnt, von Brohl kommend, hinter der ersten Brücke, die über den Brohlbach führt, und zwar auf der rechten Talseite; links stehen Devonfelsen an. Bald aber lagert auch auf der linken Seite Traß auf dem Devongebirge auf. Das Hauptverbreitungsgebiet beginnt bei der Einmündung des Püntertals. Die größte Mächtigkeit erreichen die Traßschichten bei der Orbachsmühle bis zur Einmündung des Tönnissteiner Tales. Hier steht der Traß in mächtigen hell-
grauen bis gelblich-grauen Schichten an, die stellenweise von einer dunkleren Verwitterungsschicht überdeckt sind. Die Traßfelsen des Brohltals sind größtenteils ungeschichtete Sandmassen, deren Verbindung untereinander wechselhaft fest ist. Während die oberen Schichten nur locker verbacken sind, steigt die Festigkeit (und damit die Qualität des Gesteins) nach unten zu. Diese unteren Schichten sind oft so fest verkittet, daß sie beim Abbau nur durch Sprengen gewonnen werden können. Die Verkittung des Gesteins erfolgte mit Hilfe des kohlensäurehaltigen Wassers, das in diesem Vulkangebiet vielerorts dem Boden entströmt.
Die lockeren oberen Schichten, die oft auch noch Einschlüsse des durchschlagenen Gesteins enthalten, wodurch hier und da eine Schichtung angedeutet ist, werden wegen ihrer Verunreinigungen „wilder Traß“ oder „Bergtraß“ genannt. Er wird nur als Abraum abgebaut. Oft ist der Traß auch von Gehängeschutt, der sich mehr und mehr an den Wänden herabzieht, verunreinigt. Diese verunreinigten Schichten bezeichnet man als „Sandköpfe“. Zwischen ihnen ist das brauchbare Gestein abgebaut. In den oberen Schichten ist oft eine sogenannte „Britzbank“ (verhärtete Aschenschicht) eingeschaltet. Das Wurzelwerk der Deckschicht vermag sie nicht zu durchdringen. Bäume und Gestrüpp gehen ein, und wir stehen vor kahlen Traßbergen.
AUFGESCHICHTETE »ARKEN« IM BROHLTAL
Foto: Bapt. Schneider
Fragen wir nun: Um was handelt es sich eigentlich bei dem Traß? Erkundigt man sich bei den Bewohnern des Brohltals, so spricht der eine von Tuff, der andere von Duckstein, der nächste von Traß. Der Name wird auf verschiedene Weise erklärt. Hopmann (in seinem „Vulkangebiet des Laacher Sees“) leitet ihn von dem holländischen „tyraß“ = Kitt ab, Jakobs nimmt ‚die verwandte lateinische Bezeichnung „terras“ = Erde. Beide Bezeichnungen sind aus dem geschichtlichen Verlauf der Traßindustrie genommen, auf die ich noch zurückkommen werde.
Traß im geologischen Sinne ist ein aus zerriebenem Bimstein entstandener vulkanischer Tuff von hellgrauer Farbe, der nur der unmittelbaren Laacher Umgebung eigentümlich ist (Jakobs). Der Traß enthält viel Kieselsäure, ist im Gegensatz zu den Tuffvorkommen im oberen Brohl- und Nettetal leuzitfrei). Auf seinem hohen Alkaligehalt beruht seine hydraulische Wirkung, d. h. Traß wird im Wasser härter, je länger er darin ist. Damit steht er im Gegensatz zu anderen Gesteinsarten, die im Wasser ausgelaugt werden.
Über die Entstehungsart des Traß herrscht bei den Geologen auch heute noch keine Übereinstimmung. Ich kann daher lediglich eine Zusammenfassung der Ansichten geben, ohne mich für die eine oder andere zu entscheiden.
Einige ältere Geologen behaupten, daß die Vulkanausbrüche (Eruptionen) von heftigen Regengüssen begleitet waren, die sich mit den Aschen verbanden und als Ströme talwärts flössen. Jüngere Geologen vertreten die Ansicht, daß aus den „vulkanischen Mündungen“ Wasserdämpfe hochstiegen und sich mit den Aschenprodukten verbanden. Sie stützten sich dabei auf die Beobachtungen am Mont Pelee auf Martinique im Jahre 1902, wo solche „Eruptionswolken“ aus dem Krater hochstiegen, sich mit den Bimssteinen, Aschen und Stücken durchschlagenen Gesteins verbanden und über den Kraterrand flössen. Beide Theorien vertreten also die richtige Ansicht, daß ‚Feuer und Wasser den Traß geformt haben.
In Verbindung mit der Entstehungsart sei noch kurz auf Alter und Herkunft des Traßstroms hingewiesen. Ansichten älterer Geologen besagen, daß der Traßstrom den Kunksköpfen entstammt. Andere behaupten, daß er, vom Dachsbusch herkommend, das Gleeser Tal bis Burgbrohl erfüllte, in das Brohltal einmündete, an der steilen Devongebirgswand östlich Burgbrohls aufstaute, von ‚da besonders das Tönnissteiner Tal erfüllte und weiter bis zum Rhein floß. Jaiko’b weist in diesem Zusammenhang auf die mineralogische und chemische Ähnlichkeit des Trasses mit dem Bims und Tuff des Laacher-See-Kessels hin und die beiden Einschnitte im Kraterwall. Danach hat sich der Traß der Hauptmasse nach ins Tönnissteiner und Gleeser Tal ergossen und von hier aus das Brohler Tal erfüllt.
Wie schon erwähnt, lagert der Traß stellenweise auf Löß oder Devon auf, enthält Bimseinstreuungen und nach Jakobs und Hopmann Reste von Bäumen und Sträuchern, die heute noch in dieser Gegend vorkommen. Damit fiel das Alter der Traßablagerungen in die Jungdiluvialzeit. W. Ahrens datiert das Alter der Bimsausbrüche in das 10. bis 9. Jahrtausend v. Chr. Die Traßausbrüche wären demnach nur wenig älter. Die Pollenforschung bestätigt die Ansicht von Ahrens. Daß die Talbildung beim Traßausbruch schon vollendet war, beweist die Tatsache, daß der Brohlbach heute noch über Traß fließt und die ehemalige Talsohle noch nicht wieder an allen Stellen erreicht hat. An verschiedenen Orten hat er sich auch ein neues Bett gegraben, so hinter Burgbrohl, wo die vorstehenden Devonfelsen deutlich das ehemalige Flußniveau zeigen. Der Brohlbach hat sich also zweimal sein Bett graben müssen, nachdem das erste zugeschüttet war. Dabei wurden natürlich im Laufe der Zeit Teile der Traßablagerung weggespült und Traßschichten mit Geröll und Sanden bedeckt.
‚Einiges über die Bedeutung des Trasses für die Bauindustrie sei noch gesagt. Die Vorzüge des Trasses liegen in der großen Dichte, der geringen Schlammbildung (geringe Ausspülung), in der Unempfindlichkeit gegen Nässe, Frost und Seewasser. Der Traß hat, wie schon gesagt, die charakteristische Eigenschaft, daß er in Verbindung mit Kalk und Wasser hart wird. Dieser Verhärtungsprozeß nimmt sogar unter Wasser zu. Traß wird also vor allem zu Unterwasserbauten verwandt. Da es sich im unteren Brohltal meist um ungeschichteten Traß handelt, der außer den dazwischen geschalteten Sandbänken keinerlei Verunreinigungen enthält, kann er ohne viel Mühe im Tagebau gewonnen werden. Große Blöcke werden losgesprengt, zerkleinert und dann in sogenannten „Arken“ zum Trocknen aufgestellt. Der Bau einer Arke, die viele Jähre stehen bleibt und gegen Wind und Wetter gefeit sein muß, gelingt nur dem gelernten Traß-arbeiter. Die trockenen Traßstücke werden zu feinem Mehl zermahlen, in Säcken gefüllt und versandt. Je feiner der Traß desto größer seine hydraulische Wirkung.
Die Traßmühlen, die meist mit der Wasserkraft des Brohlbachs getrieben werden bzw. wurden, sind zum Teil nicht mehr in Betrieb. Mit der Erfindung des künstlichen Zements galt der Traß nur noch wenig. Den größten Mühlenbetrieb hat augenblicklich die Firma Jakob Mittler, Orbachsmühle. Holland ist Hauptabsatzmarkt für den Traß. Ein Holländer soll auch im 17. Jahrhundert die erste Traßmühle im Brohltal gebaut haben.