Die Sinziger Musterung Anno 1649

Dr. Franz J. Burghardt

Am 8. September 1649 notiert der Sinziger Stadtschreiber Fabricius in den Ratsprotokollen1):

,,Durch Ihro Dhlt: (Durchlaucht) Vögten Herren Vögten Doctoren Coppertz die Underthanen Undt eingesesene der Statt Sintzig, Heimersheim, Westhum, Londorff und Constorff, in Krafft Ihro Dhlt: gnedlgst aufgelassenen bevelchs (= Befehls), gemustert.“

In der dann folgenden Liste werden die Personen aus dem Kirchspiel Sinzig aufgeführt, die der aus den Landeingesessenen gebildeten Miliz des Herzogtums Jülich-Berg angehörten und auch ,,Schützen“ genannt wurden.

Die Fürsten verfügten im 17. Jahrhundert in der Regel noch nicht über ein größeres stehendes Heer; vielmehr wurden in Notfällen, z. B. gegen anrückende Landesfeinde, gegen Räuber und Marodeure, die Schützen zur Landesverteidigung aufgerufen. Diese erhielten im Gegensatz zu den angeworbenen Soldaten eines stehenden Heeres nur dann Besoldung, wenn sie zum Dienst aufgerufen und eingezogen wurden. 1626 wurden z. B. vier Kompanien Landschützen unter den Hauptleuten Johann Schück und Johann de Wardt und den Leutnants Paffrath und Wey-landt gegen herumstreifende kurbrandenbur-gische Soldaten aufgeboten 3).

Von Zeit zu Zeit fanden Musterungen und Übungen statt, die häufig mit den teils sehr alten örtlichen Schützenfesten in Verbindung gebracht wurden. Man darf aber die Schützenbruderschaften, die kirchlichen Ursprung haben 4), nicht mit der hier behandelten militärischen Organisation der Landmiliz verwechseln.

Den Schützen eines Kirchspiels stand ein „Führer“ vor, der meistens eine Zeit lang in einem angeworbenen Heer gedient hatte und demnach eine gewisse militärische Erfahrung besaß. Die Feldwebel. Fähnriche, Leutnants und Hauptleute waren über das ganze Land verteilt, so daß durch das Zusammentreten der aufgebotenen Mannschaft mehrerer Kirchspiele eine geschlossene Kompanie mit allen Chargen gebildet werden konnte 2).

Die Sinziger Schützen waren in mehrere „Parteien“ aufgeteilt, die jeweils etwa zwölf Personen unter der Führung eines „Parteienmeisters“ umfaßten. Neben der Gruppe der Ratsherren und 15 weiteren Personen gab es in Sinzig fünf solche Parteien. Im Einzelnen ist die Musterungsliste des Kirchspiels Sinzig wie folgt aufgebaut:

Zunächst erscheinen die Sinziger Bürger, beginnend mit dem Bürgermeister und zehn weiteren „Rhatsverwhandten“, also die Mitglieder des Stadtrats. Es folgen 15 Personen mit dem Randvermerk ..Joist Goddart Fhue-rer. Die weiteren Bürger sind in Parteien mit 10, 14, 10, 13 bzw. 10 Personen eingeteilt, denen jeweils ein „Partheienmeister“ vorsteht. Insgesamt stellte Sinzig also 90 Bürger für die Landmiliz. In der Liste folgt „Constorff (Kolsdorf) Neunte Parthey“ mit 11. dann „Westhurrr mit 43 und schließlich „Londorff“ mit 10 Personen.

Bei fast jeder Person ist die Bewaffnung angegeben: Neben Hellebarde bei den besser gestellten Bürgern finden wir ,,Stab“, ,,Rhor“ und „Gaphell“ (= Gabel); auch einige „Musquetiere“ werden aufgeführt.

Um das Auffinden der Familiennamen zu erleichtern, möchte ich die Listen jeweils in alphabetischer Ordnung wiedergeben.

(Abkürzungen: a: „absens“ (= nicht anwesend), B: Bürgermeister. Fe. „Fendrich“ ( = Fähnrich), Fh: Führer, G: „Gaphell“, Ge: Geschworener, Gs: Gerichtsschöffe, H: „Heipart“ (= Hellebarde), M: „Musquetier, P: Parteienmeister. R: ,,Rhor“, Ra: Ratsverwandter, S: ..Stab“)

Stadt Sinzig:

Johann AdamsR
Adolph AldenkirchenR
Wilh. AustR
Joh. BentzHRa
Naleß BeymR
Theiß BonnefeldR
Joh. Bopparta
Hans Heinr. BornR
Bernd BürresheimR
Joh. ContzlerR
Adolph CronenbergH
Peter CronenbergR
Winandt DhamR
Emmerich DrexlerM
Herm. DuedenrhatR
Michel EschR
Wilh. EschHRa
Drieß FleischR
Christian FloheR
Wilh. FloheHRa
Henr. FuchsS
Peter FuchsaRa
Joh. GeseltgenSP
Nes(?) GodesbergR
Joest GoddartFh
Adam HammerichsR
Gerlach HartmannS
Martin HoenHRa
Manes(?) HoffmannR
Bernhard HugoR
Bertram HutigHP
Werner HutigR
Wilhelm HutigM
Joh. IrmgartzR
Joh. KlotzG
Thones KorfferS
Joh. KrachR
Wilh. Kredtera
Philips KremerR
Claß LeiendeckerR
Leonhard LeiendeckerR
Gerh. LeufgenR
Lambert LeufgenR
Philips LiefedorfR
Georg MannebachR
Thones Müllera
Naleß MuntzHP
Bertram NagelschmidtR
Mattheiß NagelschmidtR
Jommes Nahrenng (?)R
Adam NehrendorfR
Werner NetzlerM
Peter NiekR
Hilg(er) NoenR
Joh. NoenaRa
Joh. von NoenS
Simon Nosa
Emmerich Noß Jun.R
Emmerich NoßS
Dietr. RandaßR
Joh. ReudtR
Hans RhamerM
Joh. RhorrR
  1. Landeshauptarchiv Koblenz. Best. 13 Nr. 353 (Sinziger Ratsprotokolle)
  2. Corbach, G.: Geschichte von Waldbröl; Köln 1973
  3. Fahrmbacher. H.: Vorgeschichte und Anfänge der kurpfälzischen Armee in Jülich-Berg 1600—1685: Zeitschrift des Berg. Geschichtsvereins Bd. 42 (1909), p. 35-94
  4. Bruchhäuser. K.: Heimatbuch der Stadt Sinzig: Sinzig 1953
Thomas RhorraRa
Reinhard RomerFeRa
Peter RonnersbachR
Thones SeesR
Peter SimonsR
Reinhard SontagR
Wilhelm Sontgena
Thebes StrunckM
Joh. SchaeffR
Mauritz SchaffR
Peter SchallR
Joist SchefferHRa
Thones SchefferR
Claeß Schillinga
Thones SchmidtsR
Herbert SchmitzR
Mattheiß SchopenR  P
Henr. ThielenR
Peter ThonnenbachR
Lentz Tuchscherer  H  P
Lambert UnckelbachR
Michel UnckelbachR
Simon VeirckHRa
Joh. VoetzR
Joh. WintzHBRa
Michel WeiterR

(Viele der hier genannten Sinziger Bürger erscheinen auch 1666 bei der Erbhuldigung5).

Koisdorf:

Edmundt BuchellR
Georg DuppenbeckerR
Hilger GroßR
Victor KlefußRGs
Joh. MoherR
Georg OverbachR
Peter OverbachR
Hugo RiekR
Johann RiekR
Gerhard ScheferRB
Joh. Strohea

Westum:

Goddart BautzR
Thones BerndR
Vester (?) CulschenbachR
Reinh. CulstgenbachR
Thones EichR
Joh. FuchsRGe
Mattheis GemeinR
Richard GemeinR
Peter GeseltgenR
Sevas HaffmannSGe
August HeuserR
Joh. HeuserR
Peter HeuserR
Jacob HersbachS
Peter HilgersR
Servas KalenberRGe
Theis Kuli (?)R
Peter LangenheltzR
Joh. MirgellR
Adam NoenS
Peter PützSS
Theis ReudtR
Wilh. ReudtR
Mattheis RheuterRB
Dries RiddenS
Theis RiekR
Johann RubachR
Theis SimonR
Joh. StroheRGe
Theis StroheR
Gerlach SchefferR
Thones SchefferR
Tilm ANN SchefferR
Adam SchellR
Jastegh (?) SchellR
Peter SchellR
Thonnes Schellr
Gerlach VierckR
Servas WansR
Joh. WildenburgR
Peter WitschR
Gerlach WolffM
Urban WolffR

Löhndorf:

Franz Abell   R
Zens Bous  R
Peter DeckerR
Hubert Framer (?)R
Lambert GoddartzR
Joh. HaesR
Lambert LendtSGs
Theis RadmacherR
Thones SchlaghweinRB
Jannes WeigßSa

Der Führer der Sinziger Schützen , Joist Goddart, hatte im 30jährigen Krieg als Soldat in kaiserlichen Diensten gestanden; er stammte aus Ürzig a. d. Mosel und heiratete 1646 eine Tochter des Sinziger Bürgers Johannes Royr. Drei Jahre später wird er selbst „bürgerlich ahngenhomen“, worüber ein Ratsprotokoll vom 11. 2. 1649 berichtet:

  1. Burghardt, F J. Die Sinziger Bürgerschaft 1666: Heimat-Jahrbuch 1978 für den Landkreis Ahrweiler. p. 40—42

,,Ist der Herr Lieutenandt Joist Goddartz, so vorhin in Ihro Kayß: Maytt: (kaiserl. Majestät) Kriegsdienst gewesen, bürgerlich ahngenho-men, undt gethatigt ad Zwey goltgl. (Goldgulden), ein ledderer Eymer undt den wein wie prömplich. Dabey versprochen, waß woige. (wohlgeehrter) H (err) Lieutenandt bis hiehin undt zwischen dies undt negst ahnstehenden Sontag verzapft und verzapfen wirdt, auriß (?) frey passiert werden solle; Künfftig aber soll (er) sich allerdings bürgerlich verhalten“.

Demnach gab es wohl einen Verhaltenskodex für die Bürger, an den sich Joist Goddart aber erst ab „nächsten“ Sonntag zu halten braucht; was er bis dahin anstellt („verzapft“), soll nicht geahndet werden, sofern es sich nicht gerade um eine Straftat handelt.

Am 14. Oktober 1655 muß sich Joist Goddart vor dem Stadtrat gegen eine Anklage des Peter Hellenmüller wegen Erpressung verteidigen. Zunächst heißt es im Ratsprotokoll 1):

Demnach Peter Hellenmüller im negst abgewichenen Jahr ipsa dominica (am gleichen Sonntag) als der ange/ebte Bürgermeister Joannes Bentz vorgeste/t undt proc/amirt5), des morgens vor Uffgang der Stattpfortzen mit seiner Hausfrawen uff Henrich Fuchsen Feldt Rüben genhomen, undt von Joesten Goddartz a/s dhama/igen veraidten (vereidigtem) Fe/dtschützen ertapfet.., “ Peter Hellenmüller präzisiert diese Angabe, ,,sagend (er) hatte uff einem Sontag zu morgen etwa vor Tag nach Londorff gehen wollen, hefte seine Hausfrau mithgenhomen undt derselben ein Rüb umb zu kochen geplückt (und) mitgeben. Darüber wehre Joest Goddartz un-gefehr kommen und ihn mit der Frawen auffm Rübenfeldt ahngegriffen.. . “ Draufhin hätte Joist Goddart gedroht, ihn anzuzeigen, falls er nicht sieben Sester (1 Sest€r = 15 Liter) Korn liefern würde. So hefte er (Peter Hellenmüller) einem meinaidigen Dieb und Schelmen sein Korn geliefert“. Stadtschreiber Fabritius notiert weiter, daß der Kläger dieselbe Scheldtwort lhaut schreiendt offt widerholt“.

Obwohl sich Joist Goddart zu seiner Tat bekennt, scheint ihm dieser Vorfall nicht weiter geschadet zu haben, denn am 12. Januar 1657 wird er „Oberführer“ genannt 1).