Die Schiffswerft Oberwinter GmbH hat die Weichen für die Zukunft gestellt
VON HERMANN COMES
Wo der Rolandsbogen und der Drachenfels wie eherne Wächter von den Bergen ins Rheintal grüßen und die Rheininseln Non-nenwerth und Grafenwerth den Hauptarm des Rheinstromes teilen, dort liegt wenige hundert Meter rheinaufwärts die Schiffswerft Oberwinter GmbH.
Es ist ein Betrieb, der sich nach dem 2. Weltkrieg aus den kleinsten Anfängen zu einem Unternehmen entwickelte, das sich nicht nur in der Binnenschiffahrt, sondern auch im Ausland eines ausgezeichneten Rufes erfreut.
Doch eines sei an den Beginn dieser Betrachtungen gestellt: Diese Schiffswerft zählt heute rund 230 Beschäftigte, sie ist zu einem beachtlichen Wirtschaftsfaktor in diesem Mittelrheinraum geworden. Der überwiegende Teil des Facharbeiterstammes ist ein Leben lang mit dem Schiffbau vertraut, und von diesen Männern wurde der Nachwuchs in der eigenen Lehrwerkstätte fachgerecht herangebildet.
Wir werfen einen Rückblick auf über zwei Jahrzehnte. Die Kriegseinwirkungen auf die Binnenschiffahrt waren geradezu verheerend. Was bot sich unseren Augen: stark zerstörte Schiffe, viele lagen versenkt im Rhein. Die damalige französische Besatzungsmacht wollte die Binnenschiffahrt wieder beleben. So wurde auf ihre Veranlassung in Oberwinter, im Ortsteil Rolandseck, ein Reparaturbetrieb eingerichtet, der mit einer Slipanlage ausgerüstet war und Schiffe bis zu einer Länge von maximal 87 m auf Land nehmen konnte. Damit war die erste Aufgabe gestellt: die durch Kriegseinwirkung beschädigten und auch die wieder gehobenen Schiffe wurden repariert und fahrtüchtig gemacht. Im Dezember des Jahres 1951 wurde die Slipanlage Oberwinter von der Rechtsvorgängerin, der Gesellschaft für Schiffahrt und Handel mbH, Mülheim/Ruhr, gekauft und in die heutige Schiffswerft Oberwinter GmbH umgewandelt.
Im Jahre 1952 begann ein neuer Abschnitt: Es wurden Schiffsneubauten konstruiert, projektiert und angeboten. 1955 wurde als erster Auftrag das Motorschiff „Charlotte“ auf Kiel gelegt. Es war ein verbessertes Schiff vom Typ „Gustav Koenig“, hatte eine vergrößerte Seitenhöhe und wurde in ganz geschweißter Bauausführung erstellt. Kurz danach wurde mit dem Bau von drei Schwerlastfähren für die französische Besatzungsmacht begonnen, und im gleichen Jahre konnte ein Motorgüterschiff auf Kiel gelegt werden. Wir sehen in den einzelnen Stufen der Aufwärtsentwicklung der Schiffswerft: die Reparaturen, die Motorisierung von ehemaligen Lastkähnen, den dann folgenden Neubau von Binnenschiffen. Es kam dann der Zeitpunkt, da der Binnenschiffahrtsmarkt gesättigt war, Es wurde auf Reparaturen umgestellt, Spe-zialschiffe gebaut. Einen entscheidenden Wendepunkt in dieser gesamten Entwicklungsphase muß man im Jahr 1964 sehen: In diesem Jahr wurden nämlich die Weichen für ein zukünftiges Arbeitsgebiet gestellt, es wurden die ersten Vorbereitungen für die Seeschiffahrt getroffen. Damit hat die Werftleitung sich einen Markt erschlossen, auf dem auch für die Zukunft das Schwergewicht liegen dürfte.
Acht Seeschiffe wurden bisher abgeliefert, davon fünf für die „große Fahrt“ und drei für die Küstenschiffahrt. In diesem Jahr (1969) wurde die „Merc Astra“ nach Dänemark geliefert. Insgesamt gingen fünf dieser Schiffe nach Dänemark, eines nach Norwegen; zwei wurden für deutsche Reedereien gebaut.
Doch auch im Fährschiffbau bot die Schiffswerft Oberwinter GmbH sich an: Fünf Fähren wurden bisher hier gebaut, eine davon im Sommer 1969 für die Fährgesellschaft Bad Honnef-Rolandseck.
Auch die „Köln-Düsseldorfer-Deutsche Rhein-Schiffahrt AG“ weiß die Qualitätsarbeit dieser Schiffswerft zu schätzen. Viele Reparaturen und Umbauten wurden und werden im Auftrag der „weißen Flotte“ hier durchgeführt.
Seit drei Jahren hat sie sich aber auch einen Namen im Fahrgastschiffbau gemacht. Auch auf diesem Gebiet ist sie mit auf dem Markt. Von Schweizer Reedereien wurden und werden Neubauten in Auftrag gegeben.
Foto: Wim Mager
Die Aufnahme zeigt das Seefrachtschiff „Ulrik Wiese“. Es wurde auf der Schiffswerft Oberwinter GmbH für eine dänische Reederei in Kopenhagen gebaut und am 23. Mai 1969, über die Toppen geflaggt, abgeliefert. Es ist ein Seefrachtschiff für „große Fahrt“ mit 399 BRT.
Es bedarf keiner Frage: Um dem weitgespannten Aufgabenbereich mit den besten Fachkräften gerecht werden zu können, mußten selbstverständlich auch die betrieblichen Voraussetzungen geschaffen werden. Und das muß man sagen: Der Werftleitung war jede technische Neuerung für den sich stets vergrößernden Betrieb gerade gut genug. Es wurde fortlaufend modernisiert und im Arbeitsablauf rationalisiert. Ebenso groß war und ist das stete Bemühen um die Verbesserung der Bedingungen am Arbeitsplatz. Wie dringend notwendig eine Ausdehnung des Werftgeländes in nördlicher Richtung ist, erkennt jeder, der sich mit dem Platzmangel an Ort und Stelle vertraut macht. Hier geht es um ein bedeutendes Unternehmen, das mit seinen Arbeiten den Namen Oberwinter in die Welt hinaustrug, der vielen Familien den gesicherten Arbeitsplatz für den Mann und Vater bietet: hier muß jede Stelle ihren Beitrag leisten, wenn es gilt, der Werftleitung die Sorge um den mangelnden Platz zu nehmen. Doch der eingeschlagene Trend zum Seeschiffbau wird die Zukunft der Schiffswerft Oberwinter GmbH maßgeblich mitbestimmen. Es ist keine Frage, daß darüber hinaus der Binnenschiffahrtsneubau und auch die Reparaturen nicht vernachlässigt werden.