Die Sage von Schloß Ahrenthal
Von G. Reiff
Wer gibt uns endlich doch einmal vom alten Turme Kunde,
Der in der Burg zu Ahrenthal vermauert bis zur Stunde?
Es ächzet in des Sturmes Wucht der morsche Turm geborsten,
Und durch des Talgrunds enge Schlucht heult scheu das Wild der Forsten.
Noch hat die Zeit es nicht vermocht zu scheuchen alte Märe,
Die treu uns beut vom argen Vogt im Mund des Volk’s gewähre.
Gefürchtet in dem Gau der Ahr, herrscht keck er schon seit Jahren,
Dieweil der Graf gezogen war fern mit des Kaisers Scharen,
Indes die Gräfin, sanft und mild, beschenkte reich die Armen,
Peitscht er die Dürftgen roh und wild vom Burghof ohn‘ Erbarmen.
Und wenn die Zeit der Andacht rief, ritt er hinaus zum Jagen,
Und praßt bis in die Nächte tief bei Spiel und Festgelagen.
Der Junker sah’s mit trübem Sinn, zu schwach doch, daß er’s wehre,
Sehnt heißer nach der Zeit sich hin, wo heim der Vater kehre.
Da springt ein Knapp‘ zum Tor herein, die Burgfrau zu erfreuen,
Er traf noch heut vor Abend ein, der Graf mit seinen Treuen.
Und schnell belebt das ganze Schloß ein vielgeschäft’ges Regen;
Die Reiter steigen flugs zu Roß, hinaus dem Zug entgegen.
Voran der Vogt im argen Groll, der Junker ihm zur Seite,
Der Vogt, des bittern Unmuts voll, der Junker voller Freude.
Und wo am äußern Waldesrand drei Kreuze zierlich prangen,
Da wählt der Vogt sich seinen Stand, den Grafen zu empfangen.
Dort harrten sie bis spät zum Tag, der Humpen ging im Kreise,
Und manchen leert beim Festgelag der Vogt, gewohnter Weise.
„Bewährt, süß Herrlein“, hob er an, „die Kunst im Waffenspiele,
Ein Junker zeige, was er kann, nehmt Euch das Bild zum Ziele!“
„Herr Vogt“, erwidert er sofort, erstaunet ob des Hohnes,
„Entweiht nicht durch solch Frevlerwort das Bild des Gottessohnes!“
Drauf jener keck: „Wie doch so stolz das Herrlein weiß zu blähen!
Wer bangt vor einem Bild von Holz, wird keinem Manne stehen.“
Und taumelnd faßt des Speeres Schaft er selbst, der Sinnberaubte,
Und schleudert ihn mit wilder Kraft nach des Erlösers Haupte.
Vom Speer durchbohrt erbebt das Bild des hehren Opfergutes,
Und aus des Hauptes Wunde quillt ein Strom frischroten Blutes.
„Nun tut mir nach, mein Junkerlein, es lohnt doch des Versuches!“
Und in den Hohn noch mischt er ein ein grimmes Wort des Fluches.
Der Junker sinnt — er faßt den Speer, sein Auge glüht und glitzet,
Mit starkem Arm wirft er die Wehr, sie schwirrt dahin und blitzet.
Getroffen stürzt, die Stirn durchbohrt, der Burgwart röchelnd nieder;
Er lallt das letzte Frevlerwort und reckt zum Tod die Glieder.
Da kommt der Graf und sieht zur Frist im Kopf des Vogt’s das Eisen,
Der Junker spricht: „Gelobt sei Christ, der Herr, der mich’s geheißen.“