DIE NÜTZLICHEN MAULWÜRFE
Eine heitere Anekdote aus der Grafschaft
von Leo Stausberg
Vor hundert Jahren amtierte im Dorfe Ringen im Kreise Ahrweiler als Lehrer, Küster, Organist und Glöckner ein gewisser Herberg. Das war ein fortschrittlicher Mann, der vor allem in landwirtschaftlichen Dingen mehr verstand als die meisten Bauern. Er machte sich mit den Ideen eines Justus Liebig über chemische Düngung und mit anderen agrarischen Neuerungen bekannt, die damals eine Revolution in der Landwirtschaft herbeiführten. Der wackere Schulmeister hielt mit seinen Kenntnissen und Erkenntnissen nicht hinter dem Berge und schulte die Grafschafter Bauern durch aufklärende Vorträge. — Später ist er übrigens, da man seine Fähigkeiten höheren Ortes erkannte, als erster landwirtschaftlicher Wanderlehrer in der Rheinprovinz eingesetzt worden. — Wer das Mißtrauen des Landmannes gegen alles Neue kennt, kann sich denken, daß auch Herberg bei seinen Belehrungen oft auf hartköpfige Ablehnung stieß und daß es bei den Diskussionen im Dorfwirtshaus manchmal recht hitzig zuging. Einmal stand die Frage zur Debatte: „Ist der Maulwurf schädlich oder nützlich?“ Der Lehrer versuchte nachzuweisen, daß der Maulwurf kein schädliches Tier sei, das man ausrotten müsse, sondern der kleine Bergmann Im schwarzen Samtpelz habe auch vom Standpunkte des Landwirtes aus gesehen seine Daseinsberechtigung, ja sogar einen großen Nutzen als Insektenvertilger. Es erhob sich jedoch heftiger Widerspruch, und als man sich spät heimbegab, hatte sich nur ein kleiner Teil der Bauern zu dem von Herberg so warm verteidigten nützlichen Maulwurf bekehrt. Wir wissen übrigens heute, daß der schwarze Einsiedler in der Tat nur relativ nützlich ist und daß beispielsweise seine Lieblingsnahrung, der verachtete Regenwurm, eine wichtige Funktion bei der Durchlüftung des Bodens und bei der Humusbereitung ausübt und dadurch Aufgaben erfüllt: die des Pfluges und die des Düngers. Daran dachten aber die damaligen Maulwurfsgegner gewiß noch nicht. Ihnen waren die Maulwurfshügel in ihren Wiesen verhaßt, weil ihre Sensen so leicht darin hängen blieben, und sie ärgerten sich über die durch Maulwurfsgänge zerwühlten Gartenbeete.
Zu den Maulwurfsgegnern gehörte auch der Dorfschmied, der als ein Schalk bekannt und stets zu losen Streichen aufgelegt war. Auf dem Heimweg kam ihm eine Idee, die er alsbald ausführte. Mit einigen Freunden fing er mit viel Geduld etliche Dutzend Maulwürfe lebend und brachte sie eines Nachts in den gepflegten Garten des Schulmeisters. Es war Ende April und auf den sauberen Rabatten sproßten allenthalben die jungen Triebe der Erbsen, Mohren, Zwiebeln und Bohnen.
Als der Lehrer am anderen Tag in seinen Garten ging, bot sich ihm ein trauriger Anblick. Die von ihm so gelobten nützlichen Tierchen hatten in den Beeten schlimm gehaust. Um vor ihnen Ruhe zu haben, mußte er wohl oder übel den Kampf mit ihnen aufnehmen. Er begann zu ahnen, daß man ihm einen losen Streich gespielt. Wer es aber gewesen ist, hat er nie erfahren.