Die letzten Wölfe in der Ost- und Zentraleifel
Egon Haarmann
Wenn wir in unserer geliebten Eifelheimat wandern und dabei oft alte Waldbestände, aber auch dunkle Tannenforste sehen, dann kommt uns in Erinnerung, daß es gerade etwas mehr als 120 Jahre her ist, als noch Wölfe durch unsere Eifelwälder streiften.
Während des gesamten Mittelalters wird über das Vorkommen des Grauwolfes (Canis Lupus) in der Eifel berichtet, der unter dem Wild, aber insbesondere unter den Haustieren verheerend wirkte. Durch zahlreiche Urkunden ist uns überliefert, daß die Landbevölkerung sehr unter Wölfen litt, insbesondere in kälte- und schneereichen Wintern. Ganze Wolfsrudel durchstreiften unsere Wälder und kamen dabei bis in die Mitte der Dörfer, wobei sie in den Ställen das Vieh rissen und selbst vor Hofhunden keinen Respekt zeigten. Sie wurden, da es sich meist um Kettenhunde handelte, von den Wölfen zerrissen und aufgefressen. Die Wolfsplage war so stark, daß bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein die Landbevölkerung zur Teilnahme an Wolfsjagden mit Hunden, Äxten und Beilen und zur Errichtung von Fanggruben durch ihre Landesherren verpflichtet wurde. Während der zahlreichen napoleonischen Kriege erfolgte aus den Ardennen und Vogesen ein starker Zuzug. Die Dichter Ernst Moritz Arndt und Hoffmann v. Fallersieben, die nach den Befreiungskriegen die Eifel besuchten, berichten uns von starken Wolfsvorkommen. Tiere und vereinzelt auch Menschen, so bei Büllingen im Kreise Malmedy und bei Kerpen, gehörten zu den Opfern der Wölfe. Infolgedessen wurde durch öffentliche Bekanntmachung angeregt, daß jeder, der durch die Eifel reiste oder zur Arbeit außerhalb gewohnter Orte ging, sich mit irgendeiner Waffe, Heugabel oder festem Knüppel, versehen sollte.
Das preußische Jagdreglement von 1814 brachte allerdings eine Änderung, indem Vergiftung und verstärkter Abschuß angeordnet wurden. Im ersten Jahr der preußischen Herrschaft wurden im heutigen Kreis Ahrweiler etwa 90 Wölfe gestreckt. 1816 wurden allein im Adenauer Bezirk 58 Jung- und 56 Altwölfe erlegt. für die der Staat eine Belohnung in der damals noch gültigen Währung von 1 180 französische Francs zahlte. 1817 stieg der Abschuß in diesem Bezirk auf 159 Stück. Im gesamten Regierungsbezirk Koblenz wurden 1816 in einem Monat 25 Altwölfe getötet, 1817 sogar 32.
Trotz der intensiven Bekämpfung hielt sich der Wolf noch lange in der Eifel. 1833 wurden im Raum Ahrweiler noch 33 und 1838 noch 12 Wölfe zur Strecke gebracht. Nach den 50er Jahren kam das Raubwild nur noch vereinzelt bei uns vor. Aber noch 1868 wurden für neun Wölfe und 1871 noch für 26 Wölfe Prämien gezahlt.
Die damaligen Kriegsereignisse sind wohl die Ursache, daß sowohl in der Eifel, wie vor allen Dingen in den östlich gelegenen Gebieten ein verstärkter Zuzug aus den Ardennen erfolgte.
1878 wurde einer der letzten Wölfe im Gebiet des Kreises Ahrweiler, und zwar in Pützfeld, erlegt. Dort in Pützfeld sah der Pastor, der sich zur Abendmesse rüstete unter einem alten Pflug, der mit Schnee bedeckt war, es war Ende Januar, einen grauen, großen Wolf erschöpft liegen. Da er selbst leidenschaftlicher Waidmann war, holte er seine „moderne“ Perkussionsbüchse, schlich sich etwa 60 Schritt an das erschöpfte Tier an und erlegte es. Nach alten Aussagen hat wohl das Tier den braven Mann der Kirche erblickt, aber keine Reaktion gezeigt, so daß wir heute annehmen müssen, daß der Wolf, denn es war ein solcher, an der damals kaum bekannten Tollwut erkrankt war. Die Gegend heißt heute noch „Wolfsgraben“.
Auch ist uns durch alte Belege bekannt, daß im Mittelalter die einsam gelegenen Orte, wie etwa Cranscheidt nahe Kesseling, welches heute eine Wüstung ist, von Wölfen in schneereichen Wintern geradezu bedrängt wurden. Keiner wagte es damals bei Anbruch der Dunkelheit, sein Haus zu verlassen oder gar den Wald zu betreten.
In den dunklen damals noch urwaldähnlichen Beständen des Denntales heulten in den meisten Wintermonaten bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts die Wölfe.
Nicht nur durch Jäger und Forstbeamte wurden die Wölfe dezimiert und letzthin dann ausgerottet, sondern durch die Besiedelung der Landschaft, durch den systematisch angepflanzten Kulturwald und die Monokulturen und vieles mehr.
Noch heute erinnert uns in unserer Heimat so mancher Orts- und Flurnamen an dieses leider zu Unrecht verfluchte und gnadenlos bejagte Raubwild, wie etwa Wolfsgarten, Wolfsburg, Wolfskaul, Wolfsgraben, Wolfspesch. Wölfe hatten in der Natur auch ihre Aufgabe, denn sie waren wie das ebenfalls ausgestorbene und ausgerottete Bär- und Luchswild Polizisten des Waldes, sie rissen und jagten meist nur kranke, schwache und alte Tiere. Heute schädigen andere Elemente unsere Wälder, Felder, Seen und Flüsse. Der Wolf ist dagegen direkt eine liebenswerte Kreatur. Daß man nicht ganz auf den Canis Lupus verzichten möchte, sieht man daran, daß vor etwa 15 Jahren im Bayerischen Nationalpark wieder ein Rudel europäischer Grauwölfe ausgesetzt wurde. Diese haben sich gut vermehrt und können in Freiheit dort in urwaldähnlichen Wäldern ihr freies Leben führen.