Die leere Schöffenkiste von Aremberg
VON WILHELM KNIPPLER
Auf dem Wege zum Aremberg wohnt im ersten ‚Hause rechter Hand der alte „Kolle“; er heißt Peter Luxen und war vor dreißig Jahren Ortsvorsteher. Fragt man ihn nach den alten Schriften, die zu seiner Zeit noch in der Schöffenkiste lagen, so sagt er, daß diese mit Akten und Urkunden voll war bis zum Rande. Er hatte die Schriften an ‚den Winterabenden alle gelesen, wenn der Eifelwind um die Strohdächer johlte. Vieles von dem Inhalt hatte er wortwörtlich im Gedächte nis. Die alten und uralten Schriften waren ihm keine Unbekannten, und deshalb waren Gespräche mit ihm darüber stets fruchtbringend. Er war ein lebendiges Heimatgeschichtsbuch. Die Schöffenkiste war aber auch eine wertvolle Fundgrube, denn Schriften, die hundert bis dreihundert Jahre alt waren, wurden in ihr getreulich aufbewahrt, dabei vielleicht zweihundert vergilbte Blätter. Heute ist die Kiste leer. Tragen die Kriegsereignisse die Schuld oder andere Umstände? Das soll hier nicht erörtert werden. Wir stellen nur fest: Es ist nichts mehr da von den Archivalien und Urkunden. Spätere Geschlechter können nicht mehr lesen, was den alten Vorsteher Luxen einstmals so stark interessiert hat.
Vor dreißig Jahren schrieb ich ein Inhaltsverzeichnis der Schöffenkiste ab, eine „Spezifikation“, die um das Jahr 170,0 zusammengestellt sein -mochte. Sie betrifft nur einen Teil, nur 75 Nummern. Aber diese Übersicht mag erkennen lassen, was leider an heimatkundlichen und kulturgeschichtlichen Werten verlorengegangen ist.
SPEZIFIKATION
der in der Schöffenkiste des Thals Arenberg aufbewahrten Schriften
1. Ein Scheffenbuch nach dem Bande de anno 1627 angefangen bis incl. 1777 den 11. Juli, die Käufe und Verkäufe der zur Gemeinde gehörenden Gründe, Häuser etc. betreffend.
2. ein Meßbuch vom 7. Februar 1719.
3. bis 5. unleserlich.
6. Vergleich über verschiedene Streitigkeiten wegen des Weidganges der Gemeinden Arenberg und Antweiler vom 29. 9. 1725.
7. Copie einer Verordnung vom 6. Mai 1754:
- Bei Klagen ist das Landschultheißenamt die erste Instanz, direkte Eingaben an den Hof sind den Untertanen verboten.
- Die Beamten sollen von den Untertanen respektiert werden.
- Beamten sollen zur Billigkeit (= Gerechtigkeit) gegen die Untertanen angehalten werden.
- Beamten sollen die Interessen S. Durchl. wahren, ohne sein Wissen kein Holz verkaufen und keinen Nachlaß oder Gnade erteilen.
- Keiner soll sich beschweren wegen Steuern oder schwerer Winterquartierkosten.
- Die Beamten sollen jedes Jahr einmal beim Statthalter wegen Repartition (= Einteilung) und Subrepartition zusammenberufen werden.
- Die Landmiliz soll jedes Jahr entlassen werden, an deren Stelle andere eingezogen werden, niemand soll vor Ablauf entlassen, auch keinem ungedienten Junggesellen zu heiraten gestattet werden, es sei denn, daß er richtiger Ursachen wegen vom Herzog Dispens erhalten.
- Die Kirchenrechnungen sollen jedes Jahr durch den Landschultheißen abgehört werden.
- Desgleichen die Gemeinderechnung, zu deren Führung ein Scheffe aus dem Gericht und einer der unbemittelten Gemeindegenossen anzustellen wären.
- Den Gemeinden ist untersagt, ohne Consens (= Genehmigung) Gemeindeschulden zu contrahieren (= machen). Wer selbigen etwas vorschießt, soll dessen verlustig sein.
- Den Untertanen soll gegen billige Bezahlung Holz zu Karren und Pflügen verabreicht werden, aber kein Bauholz ohne höchste Genehmigung. Viel weniger darf in der Herrschaft gekohlt werden.
- Alle geheimen und verdächtigen Zusammenkünfte der Schöffen und Untertanen sind bei schwerster Strafe untersagt.
- Die Betreibung der Landmaß wird befohlen. Die Beamten sollen das Interesse des Landesherrn wie auch das des Untertanen wahren.
- Die Kurmede soll nach dem Werte des in natura verfallenen Stückes und nicht nach dem Vermögen taxiert werden. Das Oberamt hat die Taxe einzuschicken und zu berichten, inwieweit einiger Nachlaß angedeihen zu lassen sei.
- Die Beamten/ Pastöre, Landboten und Schöffen können nicht mehr als 30 Hämmel in der Gemeinschaft frei halten. Von den übrigen sind die Maihämmel abzugeben. „
- Das Ein= und Auszugsrecht soll wieder eingeführt werden (Freizügigkeit).
- Jeder kann auf seinem Eigentum seinen Grummet ruhig genießen.
- Pastoren ist .es untersagt, sich in weltliche Händel zu mischen. Sie haben Beschwerderecht beim Statthalter und beim Herzog. Sonst gehen sie ihrer Vorrechte verlustig,
- Jagd und Fischerei ist allen Untertanen schärfstens verboten.
Aremberg/Eifel
Foto: H. Esch
8. Verordnung gegen Raubs= und Diebsgesindel, Zigeuner, Gauher. 14. 7. 1784.
9. u. 10. unleserlich.
11. Forst= und Gemeindebüschordnung vom 21. 7. 1774.
12. Forst= und Gemeindebüschordnung vom 15. i. 1781.
13. Extrakt des Herrengedingsprotokolls vom 12. i, 1774.
14. Contract vom 27. 8. 1762 zwischen der Gemeinde Arenberg und dem Glockengießer Schmitz zu Trier wegen Guß einer neuen Glocke.
15. Erlaubnis für die Gemeinde, 200 Rthl. Spec. aufzunehmen, sind aber in einem Jahre samt Zinsen aus Holzverkäufen abzutragen. 1771.
16. Extrakt des Herrengedingsprotokolls von 1778.
17. Acciseverordnung (= Steuer) vom 3. 4. 1769.
18. Vergleich wegen der Winterquartiere und Verpflegung der Mannschaften und Pferde. Blankenheim im Stabtsquartier. 13. a. 1736.
19. Die Pastöre von Arenberg, Lommersdorf und Antweiler sollen sich mit einer dreifachen Brandholzportion begnügen. 20. 10. 1773.
20. und 21. Klageschriften der drei Pastöre. 1773.
22. Klage der Schöffen von Arenberg gegen Ferd. Sturm wegen nicht verabreichtem Rotwein und eigenmächtig gesetzter Taxe. 1773.
23. Regierungsdekret vom 22. i. 1776:
a) Betr. der Steuer bleibt es bei der herzog!. Verordnung.
b) Den Schöffen gebührt nicht mehr als von jedem Herrengedings 1/2 Rthl. köln. Kurs.
c) Die Schöffen sollen von angekauftem Wein, Bier und Apfeltrank ein Maß genießen und die Taxe setzen. Den Wirtsleuten soll Yz Gewinn gelassen werden.
24. Originalvergleich zwischen Arenberg und Antweiler wegen Weidgang. 1723.
25. Verordnung des Statthalters Pin de la Borde vom 7. 8. 1744. Ansiedelung wird erschwert wegen Bevölkerungsüberschuß.
2.6. Anhang dazu vom 17. 8. 1744 verbietet Teilung und Erweiterung von Gebäuden.
27. Extrakt des Arenberger und Dorseler Herrengedingsprotokolls von 1757.
28. Dekret vom 27. 8. 1755. Arenberg soll 100 Rationen Fourage zu 9 Pfd. Hafer, 6 Pfd. Stroh und 4 Pfd. Heu zur kaiserl. Armee fahren (Polnischer Erbfolgekrieg).
29. Dekret von 1760 betr. Lieferung von Rationen an die französische Armee.
30. und 31. Ausschreibung und Reparation über die an die französische Armee geliefert ten Mund= und Pferdsportionen (7jähriger Krieg).
32. Verordnung von Brüssel, 1762: An den Hof keine Bittschriften zu richten.
33. Klageschrift von Leyendecker, Münstereifel gegen Gemeinde Arenberg auf Zurücknahme eines Bauplatzes.
34. Dekret wider Leyendecker, der auf der Gemein übergebaut, sich abzufinden oder zu vergleichen. 15. 6. 1705.
35. Gemeinde Arenberg bittet um gerichtl. Besichtigung des Baues Leyendecker und daß selbiger eingestellt werde. Bewilligt, Düsseldorf, den 22. 6. 1705.
36. bis 38. Beschwerden und Vergleich in gleicher Sache. 1729, 1750, 1752.
39. Vorladung der Gemeinden Arenberg und Dorsel wegen der Grenzstreitigkeiten. 9. 7. 1773.
40. Ebenfolls vom 7. 6. 1775.
41. Bittschrift um Genehmigung zum Bau eines neuen Hauses, 1. 4. 1776.
42. Bittschrift um Beibehaltung des köln. Geldkurses bei Steuern.
43. Dieses abgeschlagen, 1. 6. 1772.
44. Wiederholte Bitte.
45. Bittschrift und Genehmigung vom 26. 7. 1758: Die Gemeinde Arenberg soll von der Wacht auf dem Schloß wie von alters frei sein.
46. und 47. Verordnung betr. Landmaß vom 24. 3. 1764 und Rechnung vom 7. 5. 1768.
48. bis 50. Büschteilung zwischen dem Herzog und den Gemeinden Arenberg, Lommersdorf und Antweiler. Brüssel, 25. 5. 1765.
51. Lommersdorf bittet um Absonderung des Gemeindeweidganges. 22. 7. 1785.
52. und 53. Bittschrift und Genehmigung vom 10. 9. 1739: Bei Frohnungen sind Traktamente (= Speise und Trank) zu verabreichen.
54. Bittschrift um Wiedereinführung des köln. Geldkurses.
55. Befehl des Landschultheißen betr. Baumpflanzung, Nachtwache und Wegeausbesserung. 1752.
56. Dekret von 1762: Die Regstiratoren haben den Empfang von Suppliquen (= Bittschriften) zu quittieren. Nach 40 Tagen ohne Bescheid können sich die Untertanen bei Hof verwenden.
57. bis 61. Unwichtig.
62. Gesuch und Genehmigung zum Fällen von 80 Klaftern Holz. 1778.
63. Copie über ein am 25. 10. 1688 aufgenommenes Kapital von 200 Rthl.
64. Danksagung der Gemeinde Arenberg wegen nachgelassener Gelder, die anläßlich der Heirat des Herzogs zu zahlen waren.
65. Befehl vom 25. 2. 1750: Die Schöffen müssen für Ordnung im Handel sorgen.
66. Klage der Frau Neuendorff, Daun gegen Lersch wegen Nichtbezahlung einer Schuld von 1000 Rthl. und fälliger Zinsen. 1776.
67. Anordnung über das Setzen neuer Grenzsteine.
68. Ablösung der Kurmede bewilligt. 11. 1. 1753.
69. Befehl vom 28. 4. 1707, die Landmaß vorzunehmen.
70. Verordnung von 1784 betr. Durchmarsch kaiserlicher Truppen.
71. Alle nicht lehnbaren Fesche (= Wiesen mit Obstbäumen) usw. sind in Grundpachtanschlag bei der Renovation (= Erneuerung) zu nehmen.
72. Resolution der Regierung und der Landschaften wegen der 1000 Rhtl., die anläßlich der Geburt des Erbprinzen 1786 zu zahlen sind.
73. Amtsbefehl von 1783: Nach Torf suchen zur Holzersparnis.
74. Freiwillige Abdankung des Herrn von Seigneux als Statthalter, 1783 und Ernennung Bornschlegels.
75. Bittschrift um Wiedereinführung des kölnischen Geldkurses. 1775.
So ergibt schon die Inhaltsangabe der Aremberger Schöffenkiste ein anschauliches Bild der zu Ende gehenden feudalen Zeit.