Die Landes-Lehr- und Versudisanstalt für Weinbau, Gartenbau und Landwirtschaft in Ahrweiler
VON DR. MÖHRINGER
Foto: Seeschneider
An der Straße zwischen Ahrweiler und Walporzheim liegt die Landes-Lehr- und Versuchsanstalt für Weinbau, Gartenbau und Landwirtschaft, im Volksmund, vor allem im Weinbaugebiet der Ahr, kurz Weinbauschule genannt. Sie ist eine der vier Landes-Lehr- und Versuchsanstalten von Rheinland-Pfalz (Trier, Kreuznach, Oppenheim), die alle dem gleichen Ziele dienen: Förderung des gesamten Landbaues durch Unterricht, Beratung und Versuchstätigkeit. Vor nun über 50 Jahren wurde sie gegründet, die „Provinzial-Wein- und Obstbauschule Ahrweiler“, nachdem im Bereich der Rheinprovinz für die Weißweingebiete an Mosel, Saar und Ruwer, Rhein und Nahe die Anstalten in Trier und Bad Kreuznach errichtet worden waren. Man ging bei der Gründung unserer Anstalt vor allem davon aus, daß gerade im Rotweinbaugebiet ein besonderes Interesse für die fachliche Betreuung in Weinbau und Kellerwirtschaft erforderlich sei.
Die Provinzialverwaltung glaubte, den Wünschen des Berufsstandes nicht besser entgegenkommen zu können, als die Schule in Ahrweiler, „dem Herzen der Ahr“, zu errichten. Es ist interessant, in den z. T. noch erhaltenen Akten Berichte über die Gründung nachzulesen. „Hier wird das Fundament gelegt zu vernunftgemäßer Bewirtschaftung, alte Vorurteile, schädliche Gepflogenheiten, die sich seit uralter Zeit in manchen Orten eingenistet haben, werden auf die Seite geschoben, es wird nur auf das Mustergültige hingewiesen. Die Schule in Ahrweiler soll nicht nur eine Stätte der Theorie sein, es wird vielmehr der Hauptwert darauf gelegt, daß die jungen Leute in praktischer Hinsicht eine gründliche Ausbildung erhalten. Daß die Schule die sich gestellte Aufgabe zu lösen imstande sein wird, dürfte keinem Zweifel unterliegen, da die Anstalt über fünf Morgen Weinberge in den hervorragendsten Lagen von Ahrweiler und Walporzheim besitzt.“ Gewiß wird in diesen Ausführungen besonderer Wert auf Weinbau und Kellerwirtschaft gelegt, aber auch die Bedeutung der Landwirtschaft und vor allem die des Obstbaues wird nicht verkannt. Das ergibt sich mit aller Deutlichkeit aus den noch vorhandenen Zeugnisformularen, in denen die gesamten weinbaulichen und landwirtschaftlichen Fächer, einschließlich Obst- und Gemüsebau, gleichberechtigt und gleichwertig aufgeführt sind. Vielleicht darf an dieser Stelle auch darauf hingewiesen werden, daß schon bei Gründung der Schule für die Obstbauabteilung eine Obstverwertungsstation mit damals neuesten Apparaten eingerichtet wurde; sie ist leider im Sturme der Nachkriegsjahre verloren gegangen. Der Ankauf der für die Schule notwendigen Weinberge sowie des Geländes für die Gebäude und des „Obstmuttergartens“ erfolgte im Jahre 1899. Mit den Bauarbeiten wurde im Jahre 1901 begonnen; am 1. April 1902 trat Direktor Braden seine Stelle an. Am 3. Oktober wurde die Schule eröffnet; die offiziellen Einweihungsfeierlichkeiten fanden am 8. Oktober des gleichen Jahres statt. Nicht zuletzt für diejenigen, die sich noch jener Zeit erinnern können, werden hier die Mitglieder des Lehrkörpers, soweit sie den Fachunterricht erteilten, und diejenigen des Kuratoriums genannt.
4 jähriger Spätburgunderstock im Ertrag 1953 Einstammerziehung Foto: Hoffmann
3jährige Müller-Thurgau Rebe im Ertrag 1953 • Einstammerziehung
Foto; Hoftmann
Der Lehrkörper bestand aus den folgenden Herren:
Braden, Anstaltsdirektor, zugleich Lehrer für Weinbau und Kellerwirtschaft; Brosius, Fachlehrer für Obst- und Gemüsebau, sowie Feldmessen und Nivellieren; Bernhard, Fachlehrer für die gesamten landwirtschaftl. Fächer, Chemie u. Mineralogie; Für die Abhaltung von Kursen im Küferhandwerk war ein Küfermeister angestellt.
Dem Kuratorium gehörten an:
1. Landeshauptmann, Königl. Regierungspräsident a. D. Dr. Renvers, Düsseldorf;
2. Königl. Schloßhauptmann und Kammerherr Graf von Fürstenberg-Stammheim, Exzellenz zu Schloß Stammheim;
3. der Vorsitzende der Landwirtschaftskammer, Königl. Kammerherr, Oberpräsidialrat a. D. Dr. Freiherr von Schorlemer zu Lieser;
4. Königl. Kammerherr und Landrat von Breuning, Düren;
5. Königl. Landrat Heising, Ahrweiler;
6. Dr. Kirchartz, Unkel, an Stelle des verstorbenen Grafen Villers zu Tempelhof;
7. Weingutsbesitzer Albert Kreuzberg, Ahrweiler;
8. Weingutsbesitzer Peter Adams, Honnef;
9. Rittergutsbesitzer J. Krewel, Vettelhoven;
10. Winzervereinspräsident Josten, Mayschoß;
11. Direktor H. Braden, Ahrweiler.
Die Lehrtätigkeit der Provinzial-Wein- und Obstbauschule hat, ebenso wie ihr Name selbst, im Laufe der Jahre manche Änderung erfahren. „Die Lehranstalt für Weinbau, Obstbau und Landwirtschaft“ gab im Jahre 1936 ein Prospekt heraus, dem folgender Arbeitsplan zugrunde lag:
1. Ein zweisemestriger Winterkursus, Beginn Anfang November, zur Ausbildung in Weinbau, Obstbau und Landwirtschaft während der Wintermonate für solche Schüler, denen es nicht möglich war, während der Sommermonate dem elterlichen Betriebe fernzubleiben. Die Unterrichtszeit war so gelegt, daß tägliche Heimfahrt ermöglicht wurde.
2. Ein zweijähriger Kursus, beginnend Anfang Oktober, zur Ausbildung für den Beruf als Aufseher, Verwalter und Betriebsleiter.
Daneben wurden Spezialkurse von l bis 4 Wochen in größerer Zahl abgehalten. Diese Lehrtätigkeit wurde ermöglicht, weil mit der Lehranstalt ein Internat verbunden war, worin die Schüler und Praktikanten bei guter Verpflegung und Aufsicht untergebracht werden konnten. Das Kostgeld betrug je Monat 30,— Mark. Für auswärtige Schüler war ein Mittagstisch gegen mäßige Vergütung eingerichtet. Das Schulgeld betrug je Jahr 100,— Mark.
Der Schulbesuch unserer Anstalt war stets gut. Die Schüler kamen in der Mehrzahl aus dem Kreis Ahrweiler, aber, im Gegensatz zu heute (leider ist das Internat der Nachkriegszeit zum Opfer gefallen), auch von weither. Auch die kurzfristigen Kurse waren gut besucht. An den zahlreichen gut eingeführten Obstbaukursen nahmen vor allem Volksschullehrer und Baumwärter teil.
Wer mit der Jugend in Verbindung steht, wird sich in seiner beruflichen Tätigkeit nicht auf das „Fachliche“ beschränken dürfen. Immer sind wir bemüht, den jungen Menschen auch in rein persönlicher Hinsicht etwas mitzugeben fürs Leben. Unser Arbeitsziel ist auch in dieser Hinsicht der junge Bauer von Format. Es ist unser besonderer Wunsch, daß unsere Schüler auch nach ihrem Abgang von der Schule in enger Verbindung mit der Anstalt bleiben. Die Vereinigung der „Ehemaligen“ (Verein der ehemaligen Ahrweiler Schüler) soll nicht zuletzt diesem Zwecke dienen.
Die fachliche Beratung ist eine der wichtigsten Aufgaben der Anstalt. Ungezählte Praktiker kommen im Laufe des Jahres, um sich bei uns Rat und Hilfe zu holen. Immer wieder rinden Besichtigungen und Beratungen draußen in der Praxis statt. Es ist ein Geben und Nehmen zum Wohle unseres Berufsstandes.
Über die Versuchstätigkeit der Anstalt kann an dieser Stelle nicht näher berichtet werden. Sie stand von jeher im Dienste der Praxis. Ungezählte Versuche in Weinbau, Obstbau und Landwirtschaft wurden durchgeführt und immer wurde darauf geachtet, daß sie, praxisnahe, alle jene Versuche in Angriff nahm, die für die Bewirtschaftung der hiesigen Betriebe von besonderer Bedeutung waren. Zur Förderung der Versuchstätigkeit, vor allem in der Landwirtschaft, wurde im Frühjahr 1925 der Altenwegshof bei Ahrweiler gekauft. Wir bedauern heute, daß er im Frühjahr 1940 verkauft wurde.
Der Krieg und die Nachkriegszeit haben der Anstalt schwere Wunden geschlagen. Der größte Teil der fachlichen Sammlungen und andere wertvolle Einrichtungen gingen verloren. Lange Jahre war das Hauptgebäude durch das Gymnasium belegt. Als es im Frühjahr 1953 sein eigenes, neugebautes, modernes Heim beziehen konnte, waren für die Anstalt wertvolle Jahre des Aufbaues verloren gegangen und es galt vorerst, die Gebäude, die sich nach den Kriegsjahren und den längeren anderweitigen Benutzungen in einem sehr schlechten Zustand befanden, wieder in Ordnung zu bringen.
Winzer der alten Generation bei der Frühjahrshacke
Foto: Vollrath
Unweit der Landes-Lehr- und Versuchsanstalt Ahrweiler — nur drei Kilometer entfernt — liegt die Staatliche Weinbaudomäne Marienthal. Das im zwölften Jahrhundert gegründete Augustinerinnen-Kloster in Marienthal wurde im Jahre 1803 säkularisiert und gelangte nach wechselvollem Schicksal in den Besitz des preußischen Staates, der hier eine Rotweindomäne errichtete. Sie wurde durch den Direktor der weit entfernt liegenden Staatsdomäne Niederhausen verwaltet, bis der Herr Minister für Landwirtschaft, Weinbau und Forsten, den wiederholt vorgebrachten Bitten der ‚hiesigen Bevölkerung Rechnung tragend, ihre Verwaltung dem Direktor der Landes-Lehr- und Versuchsanstalt in Ahrweiler übertrug. Die Domäne gehört seit 1952 als wesentlicher Bestandteil zur Landes-Lehr- und Versuchsanstalt und. ist damit eingegliedert in ihre Lehr-, Versuchs- und Beratungstätigkeit.
Die Landes-Lehr- und Versuchsanstalt Ahrweiler schaut auf ein halbes Jahrhundert ihrer Geschichte zurück. Sie hat nach ihrem glücklichen Aufstieg schwere Schäden in der Kriegs- und Nachkriegszeit erlitten; aber schon geht es wieder aufwärts. Der Schülerbesuch ist gut, die Versuchs- und Beratungstätigkeit intensiviert, auch der Wiederaufbau der Gebäude macht befriedigende Fortschritte. Wir wissen, daß wir keine Zeit zu verlieren haben.
Der deutsche Bauer, der Winzer, der Gärtner, alle sind heute mehr als je eingespannt in das große politische Weltgeschehen. Wir hören manche mahnende Stimme, die an unseren Berufsstand gerichtet ist, und es fehlt auch nicht an den nie aussterbenden sterilen Pessimisten. Wenn wir aber zusammenstehen, Berufsstand und Fachschulen, werden auch die kommenden Schwierigkeiten gemeistert werden. Wer etwas weiß und etwas kann, hat sich noch immer im Leben behauptet. Die Voraussetzung hierzu zu schaffen, ist, kurz gesagt, die Aufgabe der Landes-Lehr- und Versuchsanstalt.
Spätburgunder bei Drahterziehung • Entfernung derBogenrebe 80 cm vom Boden
Foto: Hoffmann