Die Jugendherbergen unseres Kreises

VON JOSEF MÜLLER

Als um die Jahrhundertwende die Verstädterung viele Menschen, namentlich die jungen, aus den Städten hinaus in die Natur trieb, als der Wandervogel und dann aus ihm die deutsche Jugendbewegung entstand, da ahnte noch niemand, daß das organisierte Jugendwandern einmal Millionen deutscher Jungen und Mädchen auf Fahrt und in eigene Jugendherbergen schicken würde.

Freilich, gewandert wurde bereits seit 1890 etwa. Man schlief beim Bauern in der Scheune. Aber immer zahlreicher wurden die Wandergruppen und daher immer dringender der Ruf nach eigenen Unterkünften für die wandernde Jugend. Der aus Ostpreußen gebürtige und ins Ruhrgebiet übergesiedelte Volksschullehrer Richard Schirrmann, dessen Schwestern in Ahrweiler leben, legte in der Ferienzeit 1907 in seiner Volksschulklasse Strohsäcke auf den Fußboden, welche er zwei Jahre später durch Feldbetten ersetzte. Aber alles war nur Notbehelf, nur ein Anfang. Am 26. August 1909 erließ Schirrmann einen Aufruf zur Gründung des Deutschen Jugendherbergswerkes. Der sauerländische Fabrikant Wilhelm Münker aus Hilchenbach erkannte die einmalige Bedeutung der Gedanken Richard Schirrmanns. Erfüllt und getragen von uneigennütziger Liebe zu einem allgemeinen deutschen Jugendwerk, nahm er das Steuer in die Hand. Richard Schirrmann konnte dann 1912 auf Burg Altena an der Lenne die erste ständige Jugendherberge Deutschlands und der Welt einrichten. Der Begriff der „Jugendherberge“ hatte sichtbare Gestalt angenommen. Der Siegeszug des Deutschen Jugendherbergswerkes konnte nun nicht mehr aufgehalten werden. Vornehmlich war es die deutsche Lehrergeneration, die das Werk trug, vorantrieb und mit Hilfe von staatlichen und kommunalen Mitteln immer mehr ausbaute und ausbreitete. Im linksrheinischen Räume konnten erst ab 1925 die Pläne für die Jugendherbergen verwirklicht werden, als der Provinziallandtag der Rheinprovinz Anfang dieses Jahres RM 100000,— für die Errichtung von Herbergen an dem Eifel-Wanderweg Köln—Trier, dem sogenannten Karl Kaufmann-Weg, zur Verfügung stellte, ohne jedoch bereits Einzelheiten festzulegen. Außerdem wurden RM 30000,— für den Ausbau der Burgruine Stahleck bei Bacharach bereitgestellt. Inzwischen war in Kreisen der Herbergsfreunde die Erkenntnis gewachsen, daß an stark besuchten Orten nur eigene Herbergshäuser der Aufgabe des Jugendherbergswerkes gewachsen seien. Am zweckmäßigsten mußten es Neubauten sein, die von vornherein auf die Bedürfnisse der wandernden Jugend zugeschnitten waren. Studienrat Dr. Faßbinder, damals in Manderscheid, vertrat besonders diesen Gedanken von Trier aus. Es kostete viel Arbeit und Mühe, bis er sich allgemein durchsetzte. Dr. Faßbinder hatte inzwischen die Leitung des rheinischen Herbergswerkes übernommen. An solche „Landesverbände“ ging jetzt in der Hauptsache die Aufgabe über, da diese alle finanziellen Mittel schwerpunktmäßig einsetzen und dadurch Aufgaben übernehmen konnten, die den schwachen örtlichen Kräften niemals gelingen konnten. Der Erfolg war, daß im Frühjahr 1927 die Herberge in Manderscheid eröffnet wurde. Sie war der erste derartige Bau im linksrheinischen Gebiet und überhaupt erst die zweite Jugendherberge in Deutschland. Es war selbstverständlich, daß damit gleichzeitig der Weg für die Errichtung der anderen Herbergen gewiesen wurde, und zwar zunächst für die Jugendherberge in Altenahr, die sozusagen der nördliche Eckpfeiler der Eifel-Wanderstrecke bilden sollte. Hier stellte die Gemeinde ein Grundstück im romantischen Langfigtal zur Verfügung. Am 24. Juli 1927, zwei Monate nach der Einweihung in Manderscheid, konnte der DJH-Landesverband, damals noch „Gau Rheinland“ genannt, dieses Haus als die erste Jugendherberge des Ahrkreises der Jugend übergeben. Der Architekt, Regierungsbaumeister a. D. Ernst Stahl aus Düsseldorf, hatte seine Erfahrungen beim Ausbau der Burg Stahleck erworben.

Das Haus faßte anfangs 125 Betten und eine Reihe von Notlagern. Es wurde stark besucht. Schon 1928 zählte es 18629 Übernachtungen, 1929: 20885. Bis zum Kriegsausbruch hielt sich die Übernachtungszahl immer auf dieser Höhe. Im Kriege wurde die Herberge verschont, jedoch brachte die Fremdbenutzung nach dem Zusammenbruch viele Schäden. Ende 1947 konnte der Landesverband das Haus wieder übernehmen und von 1948 ab der Jugend mit einer Noteinrichtung zur Verfügung stellen. Heute steht die Jugendherberge Altenahr mit 150 Betten und 80 Notlagern im Jugendherbergsverzeichnis. Die Zahl der Übernachtungen betrug im Jahre 1956: 19485. Hoffentlich wird es dem Landesverband bald gelingen, die nunmehr nach einem dreißigjährigen Bestehen notwendige Grundüberholung bald durchzuführen. Das Haus hat 10 Schlafräume, 2 Tagesräume und Brausebäder. Herbergsvater ist zur Zeit Paul Lesch.

Die Provinzialverwaltung gab für den Bau einer Jugendherberge etwa ein Viertel der Kosten. Nur die Herberge in Adenau machte davon eine Ausnahme. Hier trug die Provinz die gesamten Kosten, und zwar wegen ihrer ungewöhnlichen Geschichte. Diese Herberge war nämlich im Jahre 1926 auf der großen Düsseldorfer Ausstellung für alle Gebiete der Gesundheit und Hygiene, der sogenannten GESOLEI — Gesundheit, Soziales, Leibesübungen — als Musterherberge aufgestellt worden, um weitesten Volkskreisen ein Bild von dem neuen Streben des Herbergswerkes zu vermitteln. Architekt Stahl, der auch dieses Haus wie überhaupt in der Folgezeit die meisten Herbergen erbaut hat, hatte eine transportable Konstruktion gewählt, bei der ein Fachwerk von Balken allseits durch Holzplatten verkleidet war. Nach Beendigung der Ausstellung konnte es leicht auseinandergenommen und in Adenau auf einem massiven Kellergeschoß neu aufgebaut werden, wobei nunmehr die Fächer zwischen den Holzbalken mit Steinen ausgemauert wurden. Am 29. 9. des für das Herbergswerk so ereignisreichen Jahres 1927 konnte auch dieser Bau eingeweiht werden, zu der Zeit also, die auch die Eröffnung des Nürburgringes brachte.

Die Herberge liegt am östlichen Ausgange Adenaus, dort, wo die Wege zur Hohen Acht und Nürburg den Talschluß verlassen und die bewaldeten Höhen ersteigen. Infolge der starken Besucherzahlen — Adenau liegt am Schnittpunkt der Ost-West- und Nord-Süd-Wanderwege der Eifel — wurde bereits elf Jahre später ein Erweiterungsbau seitlich zugefügt, so daß nunmehr 110 Jugendwanderer Aufnahme finden können. 13 Schlafräume, 3 große Tagesräume, ein Lese- und Schreibzimmer, eine Selbstversorgerküche, fünf Waschräume mit Brausen und Fußbädern, ein großer Spielplatz und eine Liegewiese am Berghang, dazu die Aussicht auf die majestätische Nürburg, die Berghänge am Wehrseifen und bis zum fernen Reifferscheid bieten den jungen Gästen Erholung und Stärkung. Außerhalb der Ferien wird das Heim dank seiner guten Vorzüge gerne zu Lehrgängen, Lagerwochen und als Landschulheimaufenthalte verwandt, wobei die Mitwirkung aufgeschlossener Adenauer Bürger zu einer ständigen Einrichtung wurde. Neben den Ferienzeiten sind die großen Nürburgrennen Tage des Hochbetriebes. Die das Rennen besuchende Jugend hat ihr Heim voll und ganz für sich. Eine zusätzliche Bedeutung hat die Adenauer Jugendherberge auch im Winter bei Schneelage, liegt sie doch besonders günstig im besten rheinischen Wintersportgebiet von Nürburg und Hohe Acht mit Skihängen, den Lifts, den Sprungschanzen und den schönen Höhenwanderwegen auf den Ski nach allen Richtungen. Im letzten Kriegsjahr wurde das Haus Lazarett. Nach dem Zusammenbruch zog eine kleine britische Luftwaffeneinheit ein, die sich durch ihr bescheidenes Verhalten Achtung erwarb. Nachdem diese Truppe 1955 eigene Unterkünfte in Breidscheid erhielt, konnte die Herberge wieder ihre eigene Aufgabe übernehmen. Sie wurde gründlich instandgesetzt, erhielt neuzeitliche Verbesserungen und sieht wieder das fröhliche Treiben unserer tatenfrohen Jugend. Das Haus wird von den Herbergseltern H. Manrodt verwaltet. Im Jahre 1956 wurden 9651 Übernachtungen gezählt.

Eigentümer der bisher beschriebenen Altenahrer und Adenauer Jugendherberge ist auf Grund allgemeiner vermögensrechtlicher Regelungen das Deutsche Jugendherbergswerk, Landesverband Rheinland-Pfalz.

Die Geschichte der Jugendherberge in Ahrweiler läuft in etwa parallel mit der Entwicklung des Deutschen Jugendherbergswerkes. Als vor dem ersten Weltkriege vielerorts Schülerherbergen entstanden, welche schon besser als die Heustall- und Scheunenlager eingerichtet waren, wurde eine solche auch in der Kreisstadt, und zwar auf dem Anwesen der Kohlenhandlung Schlecht, Mühlenstraße, gegründet. Nach 1918 wurde der Gedanke einer Jugendherberge sehr stark durch den verstorbenen Leiter der Ahrweiler Volksschule und Kreisjugendpfleger Rektor Christoph Strauck, durch den Gastwirt Matthias Mies (Hotel „Vier Winden“) und später auch durch den Lehrer Matthias Käufer vorangetrieben. So konnten bald zwei als Behelfsherbergen zu bezeichnende Unterkünfte eingerichtet werden, und zwar die eine mit 80 Betten in dem großen Hinterhause der Bäckerei Koch (jetzt Schulte), Eingang Altenbaustraße, und die andere 14 Betten zählende in dem zum Gasthause „Vier Winden“ gehörenden, heute noch als Wohnung dienenden Gebäude hinter der Synagoge. Im Jahre 1929 baute dann der „Turnverein Ahrweiler 98″ das von der Familie Stefan Schöneberg käuflich erworbene frühere Frhr. von Loesche Besitztum in der Adenbachhutstraße zu einer Jugendherberge mit 7 Schlafräumen, 80 Betten mit Decken, 40 Notlagern, zwei Tagesräumen, einem Brausebad und Kochgelegenheit aus. Zehn Jahre bestand diese Herberge als Rehfeldt-Becker-Haus, sie erreichte eine jährliche Übernachtungszahl von 12000. 1939 mußte sie ihren Betrieb einstellen.

Jugendherberge in Altenahr

Von der Notwendigkeit der Schaffung einer neuen Jugendherberge durchdrungen, stellten Bürgermeister Christian Ulrich und der Rat der Stadt im Jahre 1953 einmütig das frühere Jugendheim in der Peter Friedhofen-Straße, das vorübergehend dem Staatlichen Forstamt als Unterkunft diente, zur Ausgestaltung als Jugendherberge zur Verfügung. Dieses Haus liegt in unmittelbarer Nähe der Ahr, des Schwimmbades und des Ahrstadions. Die nach dem eifrigen Förderer des Jugendherbergswesens Rektor Christoph Strauck benannte Christoph Strauck-Jugendherberge ist Eigentum der Stadt. Sie hat bisher erhebliche Mittel zur Ausgestaltung dieses Hauses zu einer behaglichen Herberge zur Verfügung gestellt. Es hat 78 Betten, 5 Schlafräume, 2 Tagesräume, eine große Küche und modern eingerichtete sanitäre Anlagen. Die jährliche Übernachtungszahl beträgt durchschnittlich 10000. Neben der Herberge ist noch ausreichend Platz zum Aufstellen von Zelten, wenn in der Hauptwanderzeit nicht mehr alle Wanderer Aufnahme finden können. Die Herbergseltern sind Karl und Karoline Appel.

Kehren wir noch einmal zurück in die Eifel. Da entstand in den letzten Jahren noch eine Jugendherberge in Nürburg, deren Bedeutung heute nicht unterschätzt werden darf. Das Gebäude, in dem sich nun die Jugendherberge befindet, wurde 1898 errichtet, diente zeitweilig als Pfarrscheune bzw. Pfarrstall. Es ist Eigentum der katholischen Pfarrgemeinde. Seit dem Juni 1948 wurde das Gebäude als Notherberge eingerichtet, da, wie oben gesagt, die Adenauer Jugendherberge von den Engländern belegt war. Dann vollzogen sich die Umgestaltungsarbeiten Zug um Zug. Eine Wohnung für die Herbergsmutter Frau Karola Gillesen, drei Schlafräume mit 80 Pritschen und ein Aufenthaltsraum wurden hergerichtet. 1950 wurden dann 40 Betten, 1951 weitere 40 Betten bereitgestellt. In den Jahren 1952/53 wurden die Waschanlagen verbessert und modernisiert und Klosetts eingebaut. Alle Umbauten wurden von der Pfarrei finanziert. Das Mobilar wurde vom DJH-Landesverband gestellt. Im Sommer 1957 wurde die Jugendherberge mit 10000 DM durch den Landesverband Rheinland-Pfalz weiterhin verbessert und instandgesetzt, ein zweiter Tagesraum wurde geschaffen, und die sanitären Anlagen erhielten eine wesentliche Verbesserung. Ein Viertel der Umbaukosten trug die Pfarrei. Die Jugendherberge in Nürburg gilt jetzt als vollwertige Jugendherberge und steht im Jugendherbergsverzeichnis. Weiter bleibt die private Jugendherberge in Brohl noch zu erwähnen. Eine solche besteht dort schon seit vielen Jahren und ist dem DJH-Landesverband angeschlossen. Die heutige Privatherberge des Gastwirts Nonn wird nach den allgemeinen Richtlinien des Deutschen Jugendherbergswerkes geführt und vom Landesverband auch etwas finanziell unterstützt. Herbergsvater ist Franz Nonn. Die Herberge faßt 98 Betten, 60 Notlager und hat sechs Schlafräume, zwei Tagesräume und einen Zeltplatz.

Die Herbergsväter an Rhein und Ahr und in der Eifel stehen in den Sommermonaten immer wieder vor derselben schwierigen Lage: tausende jugendliche Wanderer müssen wegen Überfüllung der vorhandenen Herbergen abgewiesen werden. Wieviele Jugendliche aber könnten im Räume Rolandseck — Sinzig — Heimersheim in den Hauptwanderwochen aufgefangen und mit einer ordentlichen Unterkunft bedacht werden, wenn am Mittelrhein mehr Jugendherbergen beständen! Jährlich werden nun in den fünf Jugendherbergen unseres Kreises an die 60000 Übernachtungen gezählt. Das ist eine sehr erhebliche Zahl. Viele Tausende dieser jugendlichen Wanderer werden sicherlich einmal als erwachsene Menschen wieder zum Rhein, zur Ahr und in die Eifel zurückkommen. Die Landschaftsräume gewinnen ständig neue Freunde, die Bedeutung der Jugendherbergen für den Fremdenverkehr unseres heimatlichen Lebensraumes ist groß.

Aber die Jugendherbergen sind, wie ein Blick in die Übernachtungsbücher bestätigt, nicht nur zu Heimen unserer deutschen Jugend geworden. Die Zahl der Ausländerübernachtungen ist verhältnismäßig hoch und vielerorts im Steigen begriffen. Besonders sind es die Jugendlichen aus den benachbarten westeuropäischen Ländern, die auf ihren Fahrten durch die deutschen Landschaften beste Aufnahme in den Jugendherbergen finden. Europäische Jugend setzt sich in den Tagesräumen an einen Tisch, europäische Jugend lacht, spielt und singt und überbrückt damit nationale Vorurteile, wo solche etwa noch bestehen sollten. Mehr noch, unsere Jugendherbergen werden zu Heim- und Begegnungsstätten der Jugend der Welt; denn da die Jugendherbergsausweise international sind, kommen auch aus den überseeischen Ländern mehr und mehr Jugendliche zu uns. Möge nun das Jugendherbergswesen in unserem schönen Kreise Ahrweiler weiter wachsen zum Wohle unserer Jugend! Mögen alle kommunalen Stellen, soweit sie dazu etatsmäßig in der Lage sind, durch Zuschüsse an das DJH mit dazu beitragen, die Ausgestaltung und den Neubau von Herbergen zu verbessern und zu fördern!