Die Hammerzunft in Adenau
Von Ernst Wollmann
Auf jedem größeren Gutshof fanden sich nach den Anordnungen Karls des Großen die nötigen Handwerker. Den Stamm der späteren Zunftgenossen bildeten somit die auf dem Herrensitz Adenau hörigen Handwerker, die sich dann unter dem milden Regiment der Erzbischöfe von Köln und dem Schutz, den die späteren Besitzer des Hofes, der Johanniterorden, gewährten, zu freien Zunftgenossen emporarbeiteten. Die Zahl der Angehörigen der einzelnen Handwerkszweige war zu gering, um für jedes Gewerbe eine eigene Zunft zu bilden. Deshalb vereinigten sich die Zusammengehörigen zu drei Verbänden: Rotgerber-, Wollweber- und Hammerzunft. Infolge des rauhen und unwirtlichen Klimas der Eifel fand man damals nur solche Handwerker, die für den einfachen Lebensbedarf Rechnung trugen, dagegen zur Befriedigung höherer Lebensbedürfnisse gar nicht in Erscheinung traten. Die Vereinigungen zu eigenen Genossenschaften waren ursprünglich kirchliche Verbrüderungen (Bruderschaften), und alle auf das gewerbliche Leben sich beziehende Anordnungen und Satzungen waren getragen und durchdrungen vom Geiste der Kirche.
Man zählte das Jahr 1746, als sich zu der schon lange vorher bestehenden Gerber- und Wollweberzunft noch eine dritte hinzugesellte. Es war die Hammerzunft. Auf Antrag der Schmiede, Schlosser, Nagelschmiede, Zimmerleute, Schreiner, Glaser, Leyendecker und Maurer im Marktflecken Adenau, eine eigene Zunft zu errichten, wurde durch Kurfürst und Erzbischof von Köln Clemens August zu Bonn, den 6. Dezember 1746, die Errichtung der Hammerzunft gestattet und die vorgelegten Zunftartikel in allen Stücken bestätigt und gutgeheißen.
Davon berichtet das noch vorhandene, in der Zunftlade wohlverwahrte und behütete alte, vergilbte Zunftbuch, das trotz seiner 210 Jahre gut erhalten ist. Es ist das kostbarste Stück aus der Gründungszeit. Das Dienstsiegel ist leider nicht mehr vorhanden. Nach alten Überlieferungen versuchte man ein neues zu schaffen, das jetzt noch im Gebrauch ist. Die Unterschrift lautet: „HAMMERZUNFT ADENAU“. Im Mittelfeld unten steht die Zahl 1746; darüber sind Hammer und Winkel, Senkblei und Zirkel zu sehen. Bei der Gründung der Zunft im Jahre 1746 waren 49 Meister vorhanden. Nach ihrem Handwerk gehörten dazu 2 Schlosser, 7 Schreiner, darunter einer, der auch zugleich Glaser war, 7 Maurer, 8 Nagelschmiede, 18 Schmiede, 6 Zimmermeister und l Leyendecker. Auffallend ist die große Zahl der Schmiede. Das wird wohl so zu erklären sein, daß die Zunft sich nicht nur auf Adenau selbst beschränkte, sondern auf das ganze Kirchspiel erstreckte. Außerdem werden die Schmiede viele Geräte und Werkzeuge für die Märkte angefertigt haben, (über die Nagelschmiede folgt im nächsten Jahr ein besonderer Beitrag.)
Wie geachtet die Zunft gleich bei ihrer Entstehung war, geht aus der großen Anzahl sogenannter Mitbrüder (Ehrenmitglieder) hervor. Zu den 12 beigetretenen Ehrenmitgliedern gehörten der Herr Pastor, der Land- und Gerichtsschreiber Lehmann und mehrere Gerichts-Scheffen. Später finden sich außer den Honoratioren des Fleckens noch folgende Geistliche als Mitbrüder eingeschrieben: Maximilian Friedrich, Joh. Josef Müller, Antonius Sturm und Jakob Wirtz (Vikarius zu Kottenborn).
Vom Jahre 1750 bis 1800 wurden in die Zunft 54 Meister aufgenommen, nämlich 18 Schmiede-, 9 Schreiner-, 12 Maurer-, 8 Zimmer-, 5 Nagelschmiede- und 2 Schlossermeister. Darunter befanden sich ein Schreinermeister aus Münstermaifeld, ein Schlosser aus Hillesheim und ein Nagelschmied aus Cochem.
Von der Zunft wurden seit ihrem Bestehen bis 1806 insgesamt 132 Lehrlinge angenommen; davon sind 105 Gesellen losgesprochen worden. Zu diesen gehören 41 Zimmerer, 13 Schreiner, 11 Schmiede, 26 Maurer, 10 Schlosser, 3 Nagelschmiede und l Leyen-decker. Ein Gesellenbrief liegt hier im Original vor.
Um 1800 zählte die Zunft 27 Meister (7 Schreiner, 7 Schmiede, 3 Nagelschmiede, 4 Maurer und 6 Zimmerer) und 6 Mitbrüder, darunter zwei Geistliche. Die weitere Entwicklung der Zunft hat eine absinkende Tendenz zu verzeichnen. Sie reicht bei weitem nicht an die Zahl der Meister in der Wollweberzunft heran, die im Jahre 1788 eine Belegschaft von 141 Meistern aufzuweisen hatte.
Von den 32 Artikeln vom 7. 5. 1948 sei besonders der Artikel 4 zu erwähnen, der da wörtlich lautet: „Der Zweck der Corporation ist: Beförderung der gewerblichen Interessen, Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung und gegenseitiges gutes Benehmen der Zunftgenossen, sowie Unterstützung hilfsbedürftiger Mitglieder und deren Witwen und Waisen, soweit es in den Kräften der Gesellschaft steht, mit Ausschließung aller, einer wohlorganisierten Gewerbe-Innung fremden oder mit den Gesetzen und der Religion, sowie den guten Sitten nicht verträglichen Tendenzen.“
Die Artikel für die Lehrjungen erscheinen mir besonders wichtig. Einige folgen deshalb im Original-Wortlaut:
„Arikulen: welche denen Lehrjungen der löblichen Hammerzunft bey dem Aufdingen vorgehalten und vom selbigen unverbrüchlich unterhalten werden sollen. Es sollen die Lehrjungen in allem, was nicht gegen Gott und das Heil ihrer Seelen ist, und ihnen von dem Meister oder Meisterin vorgehalten wird, fleißig gehorsamen.
Wan sie heraußgeschicket werden, sollen sie sich garnicht dargegen auffwerfen, hurtig und geschwind gehorsamen hingehen, um nach verrichtetem Befehl gleich nachher Hauß zurückkommen. Alle Arbeit, so ihnen vom Meister oder der Frauen, sowohl in als außer dem Hauß befohlen wird, treulich verrichten, gegen solche nicht knurren und murren, viel weniger gegen Meister oder Frau sich aufwerfen, wie den auf Gassen und Straßen von schwetzen und plaudern sich enthalten.
Sollen sie garnichts, was im Hauß oder Werkstatt geredt wird oder geschieht, heraustragen oder bey anderen erzählen, auch auß anderen Häußern nichts hereinbringen und zu Hauß erzählen, sonderheitlich man durch solches streit, ungelegenheit und andere Übel entstehen könnten, sondern sie sollen in allen Dingen verschwiegen sein.
Wen ein Lehrling aufgedingt wird, solle nach den ersten vierzehn Tagen die Halbscheid (Hälfte) des Lehrgelds bezahlt v/erden, die übrige Halbscheid wird nicht verlegt, bis die Zeit der Lehrjahren halb verflossen ist. Solle keine Lehrjunge auch bei Sonn- und feiertagen auß dem Hauß gehen, er habe dan vom Meister oder frauen darzu erlaubniß begehret und erhalten. Es soll auch kein Lehrjung gegen die Gesellen sich aufwerffen, viel weniger mit ihnen zanken oder streiten, sondern auf deren Arbeit und geschicklichkelt wohl und fleißig achtgeben, damit sie ihre profession desto ehender und besser erlehrnen.“
Auffällig und doch erfreulich ist die Tatsache, daß das Wort der Frau des Meisters damals bei der Erziehung der Lehrjungen und Gesellen eine bedeutende Rolle gespielt haben muß. Man ist leicht geneigt zu fragen: Genießt die Frau Meister heute die gleiche Achtung und Wertschätzung? Es hat sich vieles geändert. Wäre es nicht ratsam, wenn die Meister ihren Lehrjungen die Artikel der Hammerzunft von Zeit zu Zeit vorlesen würden?
Nach diesen kurzen geschichtlichen Darlegungen über Leben und Wirken der Hammerzunft drängt sich die Frage auf: Was ist heute aus der einst so blühenden Hammerzunft geworden? Sie lebt noch. Alle Jahre, am Feste ihres Schutzpatrons, des hl. Joseph, treffen sich die Zunftmitglieder zur hl. Messe für die Lebenden und Verstorbenen ihrer Zunft in der Pfarrkirche, wo für sie besondere Plätze reserviert sind. Der Zunftmeister in seiner zünftigen Tracht, mit Zunftfederhut und breiter grünweißer Schärpe angetan, steht während der hl. Messe vor dem Altar. Zum Opfergang holt er die Zunftgenossen mit der Fahne ab. Die Gemeinschaftskommunion beschließt die kirchliche Feier.
Am Nachmittag kommen die Mitglieder der Zunft im Hotel „Friedrichshof“ zusammen. Der Zunftmeister eröffnet die Generalversammlung mit einer kurzen Begrüßung; darauf folgen das lange Zunftgebet und Gebete für die Verstorbenen. Das Zunftgebet, das stehend mitgebetet wird, drückt den Dank an Gott aus für die im verflossenen Jahr empfangenen Wohltaten. Sie bitten den Herrn, in allem Tun und Wirken nach dem Vorbild des hl. Josef zu leben und für die zeitliche und ewige Wohlfahrt der Angehörigen mitzuwirken. Sie versprechen, „mit aller Redlichkeit und Treue die Kunden zu bedienen, niemand mit wissentlich schlecht verfertigter Arbeit täuschen oder betrügen und jedem nach bestem Wissen und Gewissen das Seine zu geben.“ Zum Vorstand der Hammerzunft gehören der Altmeister, der Zunftmeister, der Jungmeister und der Schriftführer, der zugleich die Kassengeschäfte zu führen hat. Nun werden noch Fragen besprochen, die sich im Laufe des vergangenen Jahres ergeben haben.
Nach dem offiziellen Teil schließt sich nach althergebrachter Weise ein gemütliches Beisammensein an. Zu „Schößchen und Limburger Käse“ mundet ganz ausgezeichnet ein Schoppen Bier. Die Unkosten werden aus der Zunftkasse bestritten. Manch schöne Stunde verweilt man noch gern bei guter Stimmung und stillem Gedenken der Vorfahren ihres Handwerks und des einst so hoch geachteten Zunftverbandes. Ob es je wieder einmal zu einer Auferstehung der Zünfte in der alten Form kommen wird, darf man wohl bezweifeln. Berechtigt aber erscheint der Wunsch, daß die jetzigen Mitglieder, mit ihrem Zunftmeister Johannes Schomisch aus Adenau, ihrer alten Tradition treu bleiben mögen, damit auch die späteren Generationen mit Stolz auf die ruhmreiche Vergangenheit ihrer Urväter und Zunftmeister zurückblicken können.