Die Hainbuche – der Baum des Jahres 1996 – und die Malerin Eleonora Heine-Jundi
Die Hainbuche – der Baum des Jahres 1996 – und die Malerin Eleonora Heine-Jundi
Hannsjörg Pohlmeyer
Wer kennt nicht die medienwirksam verliehenen vielfältigen Titel, wie Biotop des Jahres, Vogel des Jahres, Tier des Jahres… In diesem Kontext bemüht sich auch jährlich das Kuratorium „Baum des Jahres“, eine Baumart der breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen, die nicht nur, wie alle Bäume, den generellen Folgend der Umweltzerstörung ausgesetzt ist, sondern darüber hinaus einer besonderen Fürsorge bedarf. In den vergangenen Jahren wurden deshalb z.B. die Ulme (1992) und der Speierling (1993) besonders herausgestellt.
Die wertvolle Hainbuche
Im Jahre 1996 wurde so die Hainbuche zum Baum des Jahres. Aufgrund ihres begrenzten Höhenwachstums und geänderter waldbaulicher Verfahren ist sie gegenüber anderen Baumarten ein wenig ins Abseits geraten und deshalb weniger häufig in unseren Wäldern vertreten als früher. Neben der allgemeinen Empfindlichkeit unserer Bäume gegen Luftverschmutzung leidet sie auch häufig unter dem starken Verbiß durch Rot- und Rehwild.
Dabei gibt es eine ganze Reihe von Gründen, sie unserer vermehrten Aufmerksamkeit zu empfehlen. Durch ihre hohe Schattentoleranz ist sie eine wertvolle Mischbaumart für andere Waldbäume und wertet als Nahrungsgrundlage für bedrohte Arten manchen naturfernen Bereich ökologisch auf. Daneben weist sie, anders als beispielsweise die sauren Nadeln der Fichte oder die gerbstoffhaltigen Blätter der Eiche, eine sehr leicht zersetzliche Laubstreu auf und ist deshalb besonders bodenpfleglich. Eine früher sehr gefragte Eigenschaft, ihre besondere Härte des Holzes, ist heute nur noch am Rande bedeutsam. Als Metalle noch knapp und teuer waren, wurden stark beanspruchte Fahrzeug-und Maschinenteile, z.B. die Zahnräder der großen Mühlen, aus Hainbuchenholz gefertigt. Man kann sogar soweit gehen zu sagen, daß mancher Beginn der neuzeitlichen Technikentwicklung ohne die Hainbuche nicht möglich gewesen wäre. Heute ist davon wenig übriggeblieben; Wertschätzung genießt das Holz allerdings noch in der Fertigung von Hackklötzen für Metzger und bei Linealen, wo es auf besondere Maßhaltigkeit ankommt.
Eine mächtige Hainbuche: Baumportrait von Eleonora Heine-Jundi.
Auch im Kreis Ahrweiler sollte dem Baum des Jahres 1996 wieder mehr Beachtung geschenkt werden, da in den vergangenen Jahrzehnten viele sogenannte Nieder- und Mittelwälder in andere Waldformen umgewandelt wurden, die die Ansprüche dieser Baumart nur in geringerem Umfang erfüllen.
Die Baummalerin Eleonora Heine-Jundi
Die in Oberwinter ansässige Künstlerin Eleonora Heine-Jundi, die man ohne Übertreibung als Deutschlands bekannteste Baummalerin bezeichnen kann, fühlte sich auch 1996 dazu aufgefordert, einen engagierten Beitrag zur Aktion „Baum des Jahres“ zu leisten. Sie hat deshalb das Kuratorium „Baum des Jahres“ mit einem sehr gelungenen künstlerischen Portrait der Hainbuche maßgeblich unterstützt. Bundesweit wirbt nun ein Portrait des Baumes auf Plakaten für das besondere Anliegen. Die Versteigerung des Originalgemäldes dürfte außerdem einen beträchtlichen finanziellen Zuschuß für die Arbeit des engagierten Gremiums erbringen.
Doch wichtiger als der materielle Nutzen dieser Aktion ist der Idealismus der Malerin. Mit ihren Baum-Portraits vermag die Künstlerin nämlich anderen Augen und Herz zu öffnen. In einer Zeit, die oft nur noch von allem den Preis, aber von nichts mehr den Wert kennt, brauchen wir wohl Künstler, um wieder zum Kern der Dinge zu gelangen. Besserais jedes Photo können die gemalten Portraits die Geschichte eines Baumes – auch seine Leidensgeschichte – verdeutlichen, aber ebenso seinen ästhetischen Charakter.
Den Deutschen wird ein besonders inniges, romantisch geprägtes Verhältnis zum Wald und zu Bäumen nachgesagt. Man denke dabei an die „deutsche Eiche“, den heiligen Baum der Germanen oder den Lindenbaum, unter dem Jahrhunderte Gericht gehalten oder in fröhlicheren Stunden getanzt wurde. Als „mein Freund der Baum“ besang die bekannte Schlagersängerin „Alexandra“ in den 70er Jahren sogar den Tod ihres gefällten Baumkameraden. Doch wieviel ist in unserer auf den Nutzwert orientierten Zeit davon noch übriggeblieben? Wer von uns hat heute schon Geduld, quasi in Zwiesprache mit einem alten Baumriesen dessen Erfahrungen abzulauschen, in seiner oft rissigen und verletzten Borke die Geheimnisse seines Lebens zu ergründen?
Was der Künstler als Baumschicksal intuitiv erspürt, nennt die moderne Wissenschaft Den-drochronologie und versucht mit dieser Methode in der Rückschau das Klima vergangener Zeiten zu erforschen sowie anhand des verbauten Holzes Gebäude zu datieren. Oder die Bioniker erforschen die Wachstumsgesetze der Bäume, rekonstruieren so deren Biographie und konstruieren nach den gefundenen „Bauplänen“ neuartige Maschinenteile. Beide stellen neuen „Nutzwert“ in den Vordergrund der Betrachtung. Für die Malerin Heine-Jundi ist all dies Teil einer ganzheitlichen Sicht. Sie vermittelt dieses Wissen darum auch in ihren Baumseminaren, in denen sie den künstlerischen Umgang mit den Bäumen weitergibt. Aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen zieht sie zudem ganz praktischen Nutzen für den Schutz dieser Bäume, die so wichtig für unser aller Lebensgrundlagen sind. Viele wertvolle, alte Park- und Alleebäume fallen leider der Angst vor deren mangelnder Stabilität zum Opfer. Wer allerdings mehr über die Konstruktionsprinzipien eines Stammes weiß und gelernt hat, ihn anhand seines Wuchses zu beurteilen, kann manches Exemplar vor der Motorsäge bewahren. So ganz nebenbei findet dabei so mancher über den Respekt vor den „genialen Ingenieuren der Natur“ zurück zur Ehrfurcht vor der Schöpfung an sich.
Der unermüdliche Einsatz der Künstlerin für Bäume erweckt natürlich auch die Aufmerksamkeit der Medien. So fand sich im Mai 1996 wieder einmal ein Fernsehteam im Atelier der Künstlerin ein, um Näheres über den Baum des Jahres 1996 zu erfahren. Der glückliche Zufall wollte es, daß kurz zuvor eine besonders prächtige Hainbuche bei einer gemeinsamen Suche mit Mitarbeitern des Forstamtes Ahrweiler entdeckt worden war. Mitten im Remagener Stadtwald steht an einer verschwiegenen Stelle ein besonders malerisches Exemplar, vermutlich ein ehemaliger Loochbaum (Grenzbaum) mit 2,5 Metern Stammumfang. Er wurde zum Mittelpunkt von Filmaufnahmen. Nach den erfolgten Dreharbeiten konnte in der Sendereihe „In Sachen Natur“ dann bundesweit ein „etwas anderes Portrait“ aus dem Kreis Ahrweiler sowohl aus der Sicht des Filmemachers, wie der der Malerin bestaunt werden. Wir können nur hoffen, daß in unseren Wäldern noch viele dieser Baumveteranen, sei es durch „Vergessen“ des Bewirtschafters, sei es durch aktiven Schutz Engagierter, erhalten bleiben. Mit ihrer Erfahrung, ihrem Können und ihren Bildern, vermögen es Künstler wie Eleonora Heine-Jundi uns die Augen für die Schönheit der Bäume zu öffnen.
Drehaufnahmen zur Sendereihe „In Sachen Natur“ mit Eleonora Heine-Jundi.