Die Freizeitbeschäftigung der Landjugend -ein Spiegelbild der Entwicklung

VON PETER WEBER

In einem größeren Schulbezirk des Kreises Ahrweiler wurde im Abstand von 12 Jahren an landwirtschaftliche Berufsschüler die Frage nach der Freizeit und ihrer Gestaltung gestellt, um Anhaltspunkte für den Trend zu erhalten.

Da die allgemeine Entwicklung vor den Dörfern nicht haltgemacht hat, zeigen sich auch hier Verschiebungen und Verlagerungen, wenn man beispielsweise ans Geldverdienen denkt oder an die Mitgliedschaft in einem Sportverein. Das Befragungsgebiet umfaßt die ehemalige Verbandsgemeinde Antweiler/Ahr und Teile der Verbandsgemeinde Adenau vor der Zusammenlegung im Rahmen der Verwaltungsreform.

Die erste Befragung führte ich 1957 durch, die zweite übernahm im gleichen Bezirk Herr Oberstudienrat Johannes Schumacher, Adenau.

Es wurden insgesamt sieben verschiedene Fragen gestellt, die schriftlich zu beantworten waren, und zwar folgende:

  1. Hast du Freizeit?
  2. Womit füllst du die Freizeit aus ?
  3. Gehörst du einem Sportverein an?
  4. Nutzt du die Gelegenheit zum Geldverdienen?
  5. Mußt du von dem Geld abgeben ?
  6. Beschäftigen sich deine Eltern persönlich mit dir?
  7. Besprechen deine Eltern die im Betrieb durchzuführenden Arbeiten mit dir?

Bei den Befragten handelte es sich um Fünfzehn- bis Siebzehnjährige, die im elterlichen landwirtschaftlichen Betriebe arbeiteten. Sie hatten fast alle keinen Lehr- bzw. Ausbildungsvertrag und besuchten im Rahmen der gesetzlichen Berufsschulpflicht die Berufsschule landwirtschaftlicher Fachrichtung. Die verkehrsmäßige Erschließung des Befragungsgebietes ist im Laufe der Jahre immer mehr verbessert worden. Die Motorisierung hat hier die Abhängigkeit von der Eisenbahn beseitigt.

Und nun zu den Antworten, die der besseren Übersicht halber gegenübergestellt und kurz kommentiert werden.

1. Hast du Freizeit? 19571969
ja93,48%90,0%
nein6,52%10,0%
100,00%100,0%

Nach diesen Antworten zu urteilen, ist die Freizeit knapper geworden. Dies ist wahrscheinlich bedingt durch Vergrößerung des Betriebes, Nebenverdienst des Vaters, wofür der Sohn im Betrieb einspringen muß. Der Unterschied ist aber nicht wesentlich, zumal durch verstärkten Maschineneinsatz in vielen Fällen ein gewisser Ausgleich geschaffen werden konnte.

2. Womit füllst du deine Freizeit aus ?

In diesem Punkt ist eine Gegenüberstellung schwierig. Deshalb verzichte ich auf eine prozentuale Aufgliederung. In jedem Falle tritt eine eindeutige Erweiterung der Freizeitbeschäftigung zutage. Im Jahre 1957 wurden Sport, Lesen, Basteln, Spielen und Radfahren genannt. Dagegen geben im Jahre 1969 die meisten Schüler mehrere Freizeitbeschäftigungen an. Drei Antworten waren nicht verwertbar. Die übrigen Antworten sind der Häufigkeit nach geordnet.

Sport   11
Fernsehen   9
Basteln   6
Lesen   3
Musik   3
Tiere   3
Gastwirtschaft   3
Freunde   2
Weiterbildung   2
Skatspielen   2
Jagd   1
Mopedfahren   1
Radfahren   1
Mädchen   1
Tonbandaufnehmen   1
Radio   1
Schulaufgaben   1
Spiele   1

Mit 21,15% steht 1969 der Sport neben dem Fernsehen mit 17,30% und dem Basteln mit 11,53% an erster Stelle.

3. Gehörst du einem Sportverein an ?

  1957   1969
ja   15,2%   43,3%
nein 84,8%   56,7%
   100,0%   100,0%

Auch hier hat eine deutliche Verschiebung stattgefunden, wenn auch noch mehr als die Hälfte der Befragten 1969 keinem Sportverein angehörten. Ich glaube sogar, daß es heute noch mehr sind, denn wieviele Dörfer bzw. ehemalige Sportvereine mußten zusammengefaßt werden, um eine Mannschaft für die Meisterschaftsrunde zur Verfügung zu haben. Hier geht die Entwicklung mittlerweile schon wieder in eine andere Richtung, und zwar nicht nur auf dörflicher Ebene.

4. Nutzt du die Gelegenheit zum Geldverdienen?

  1957   1969
ja 78,2%   90,0%
nein21,8%  10,0%
  100,0%   100,0%

Hier kann man ebenfalls steigende Tendenz beobachten, wenn auch der Prozentsatz 1957 schon sehr hoch war. Heute dürfte er noch höher liegen als 1969, da gerade das Geld die treibende Kraft für die Abwanderung aus der Landwirtschaft ist. Wenn die Kasse nicht mehr stimmt, wenn dem Jugendlichen nicht genügend Geld zur Verfügung steht, um persönliche Bedürfnisse zu befriedigen oder größere Anschaffungen zu finanzieren, dann beginnt er mit berufsfremder Arbeit, wird er zum Pendler und schließlich zum Nebenerwerbslandwirt.

5. Mußt du von deinem Geld abgeben?

  1957   1969
ja   76,1%   56,7%
nein23,9%   33,3%
ohne Angaben  –   10,0%
  100,0%   100,0%

Aus diesen Antworten ist ersichtlich, daß die jungen Menschen mehr und mehr über das mit außerbetrieblicher Arbeit verdiente Geld selbst verfügen können. Damit ersparen sich die Eltern eine Erhöhung des Taschengeldes einerseits, und andererseits kann ihr Sohn dadurch mit den anderen Nichtlandwirten, die Geld verdienen, im Geldausgeben konkurrieren, denn die Rivalität auf diesem Gebiet ist immer noch vorhanden.

6. Beschäftigen sich deine Eltern persönlich mit dir?

Diese Frage sollte die Möglichkeit der Freizeitgestaltung mit den Eltern überprüfen.

  1957   1969
ja60,9%50,0%
selten6,7%
ohne Antwort10,0%
nein39,1%33,3%
100,0%100,0%

Es waren im Jahre 1969, trotz eines Rückganges von etwa 10%, immer noch die Hälfte der Eltern, die sich mit ihren Söhnen beschäftigen. Dies ist einmal bedingt durch die gemeinsame Arbeit und den ganztägigen Kontakt im landwirtschaftlichen Betrieb, andererseits auch durch Tradition und dörfliche Besonderheit. Ich möchte jedoch annehmen, daß sich bis heute auf diesem Gebiet eine weitere Wandlung vollzogen hat.

7. Besprechen deine Eltern die im Betrieb durchzuführenden Arbeiten mit dir?

  1957   1969
ja   73,9%   63,3%
ja mit Einschränkung   21,7%   10,0%
nein   4,4%   16,7%
ohne Antwort  –  10,0%
  100,0%   100,0%

Relativ hoch ist die Zahl der Schüler, die diese Frage bejahen. Wenn man das „Ja mit Einschränkung“ im Jahre 1957 in Rechnung stellt, hat man ein abgerundetes Bild von fast 100 Prozent. Dagegen ist die Beantwortung dieser Frage im Jahre 1969 differenzierter, durch zum Teil fehlende Antworten, aber auch durch eine knappe Verdreifachung der Nein-Stimmen. Ich glaube, daß man zwölf Jahre nach der ersten Befragung schon andere Verhältnisse zugrunde legen muß. Wenn der Vater außerhalb des Betriebes arbeitet, wird der Sohn selbständiger und unabhängiger. Er kann den Vater nicht fragen, weil er abwesend ist; die Mutter wird in Bestellungsfragen keinen Rat geben können. So wird er bei anderen fragen und zusehen, daß er irgendwie zurechtkommt. So geben uns die Erhebungen interessante Aufschlüsse über die Veränderungen in der Freizeitgestaltung der Landjugend und deren Verhältnis zu den Eltern. Die relativ kurze Zeitspanne hat genügend Unterschiede sichtbar werden lassen, und es wird versucht werden, nach einem weiteren Jahrzehnt eine ähnliche Erhebung im gleichen Raum durchzuführen. Als Folge der allgemeinen Entwicklung wirken schon neue Strömungen, die das gesamte Dorfleben, die Dorfstruktur und die Verhältnisse auf dem Befragungsgebiet weiter verändern werden, was sich auf sportlichem Gebiet heute schon gravierend darstellt. Auch hier wären Erhebungen von besonderem Interesse, um den bereits bekannten Ursachen aus den verschiedensten Gründen wirksam entgegentreten zu können.