Die Frauenbeauftragte im Kreis Ahrweiler: Eine Gratwanderung durch Rollenkonflikte
Die Frauenbeauftragte im Kreis Ahrweiler:
Eine Gratwanderung durch Rollenkonflikte
Arnim Franke
Da versuche ich nun, die Rolle einer Frauenbeauftragten zu beschreiben, deren Tätigkeit einer Gratwanderung durch alltägliche Rollenkonflikte, hier ganz Frau, dort noch mehr Mann, sehr nahe kommt.
Um es gleich vorwegzunehmen: Ich bin maskulinen Geschlechts und wage dennoch den Versuch einer solchen Beschreibung – mich dabei der Gefahr einer Etikettierung aussetzend: Geschlechtsverräter einerseits, sich anbiedernder Softie andererseits.
Wie dem auch sei: Die Frauenbeauftragte des Kreises Ahrweiler, Astrid Braun-Höller, spielt keine Rolle. Sie ist wie sie ist und das heißt: engagiert und mit Vehemenz bei der Sache, wenn es darum geht, für ihre Geschlechtsgenossinnen in die Bresche zu springen. Dabei zeigt sieden Herren der Schöpfung keineswegs die rote Karte. Ihr Credo: Es geht nur mit- und nicht gegeneinander!
Den Pfad, auf dem sie sich dabei bewegt, markiert eine Dienstanweisung des Landrates «für den Bereich der Arbeitsgruppe für Frauenfragen«, so die Bezeichnung des Tätigkeitsfeldes vor mehr als einem Jahr. Doch Papier ist geduldig und alle Theorie grau. In vier Stunden Arbeit täglich erlebt die Frauenbeauftragte ein Auf und Ab, Pro und Contra, arrogante Gleichgültigkeit oder demütigende Aggression im Geschlechterverhältnis.
Durch ihren Einsatz fühlen sich Männer mitunter provoziert, bauen Verteidigungs- oder Gegenpositionen auf: Vielleicht deshalb, um das schlechte Gewissen in blinden Aktionismus zu tauchen. Astrid Braun-Höller stößt aber auch bei Frauen nicht selten auf eine ablehnende Haltung. Eine Frauenbeauftragte sei nicht nötig, da es keine Probleme gebe. Und wenn, dann seien diese ohne fremde Hilfe zu meistern.
Diese Äußerungen spiegelten ein besonderes Rollenverhältnis wider, meint die 33jährige Mutter zweier Töchter. Den Frauen ginge es doch gut, so die Selbsteinschätzung in manchen Fällen, solange der Mann für sie sorgt. Probleme? Daran wollen sie nicht einmal erinnert werden – vielleicht aus Angst?
Dabei gibt es leider viel Negatives zu berichten über das Miteinander oder besser Gegeneinander der unterschiedlichen Geschlechter. Von den Beratungsstellen im Kreis Ahrweiler und auch durch zahlreiche eigene Gespräche weiß Astrid Braun-Höller, daß sich immer mehr Frauen dorthin wenden und Rat sowie konkrete Hilfe suchen.
Was dort alles auf den Tisch kommt, ist bedrückend: Gewalt gegen Frauen und Kinder, Vergewaltigung, Alkohol- und Drogenprobleme. Die Frauenbeauftragte deutet dies nur an, denn sie, wie auch das Personal in den Beratungsstellen sind zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet. Klar ist aber ihre Aussage, daß diese Frauenprobleme in allen sozialen Schichten zu beobachten sind.
In solchen Fällen ist der Handlungsspielraum einer Frauenbeauftragten äußerst eng. Astrid Braun-Höller versteht ihre Arbeit als „vorbeugend“ oder „bewußtseinsbildend“. Sie versucht in erster Linie, Frauen an der Basis anzusprechen, zu vermitteln, weiter zu verweisen. Sie vermeidet es. zu theoretisieren, wird schnell konkret, will die Dinge auf den Punkt bringen. Dazu gehört auch der dringende Appell, Männer in die von ihr initiierten Gesprächsrunden einzubinden. Denn diese – die Männer – müßten
begreifen, worum es den Frauen geht: „Bestimmt nicht immer nur um Selbstverwirklichung“. Die Männer säßen nach wie vor an den Schalthebeln der Macht, also könnten Veränderungen nur mit ihnen zusammen erfolgen.
Zu jenen Veränderungen zählt die Frauenbeauftragte auch, daß Männer, sofern sie es denn wollen, für sich Erziehungsurlaub beantragen oder einer Teilzeitarbeit nachgehen können. Dies sei allerdings nur in bestimmten Berufen möglich, räumt sie ein, hier müsse noch umgedacht werden. In einem eher ländlich strukturierten Kreis wie dem Ahrkreis sicher keine einfache Aufgabe.
Sie wolle das Hausfrauen-Dasein keineswegs abwerten, betont Astrid Braun-Höller: „Es geht aber darum, daß Frauen sich entscheiden können, ob sie berufstätig sein wollen oder nicht.“ Dies scheiterte in den häufigsten Fällen an den Rahmenbedingungen, beispielsweise an den entsprechenden Angeboten für Frauen, die auch im Kreis Ahrweiler mit der Lupe zu suchen seien, oder auch an den Öffnungszeiten der Kindergärten. Astrid Braun-Höller: „Was macht die halbtags berufstätige Mutter, wenn der Kindergarten erst um 8.00 Uhr öffnet und pünktlich um 12.00 Uhr schließt? Oder die Schule ist früher aus, und so weiter…“
Aus ihrem Erfahrungsbericht wird deutlich, daß Frauen zunehmend in die Qualifizierungsoffensive gehen und in den Beruf drängen. Für viele sei es auch ein „Wiedereinstieg“, zum Beispiel für Frauen Ende 30, Anfang 40. Diese Frauen befänden sich häufig in einerschwierigen Situation. Die Familienphase sei beendet, die Kinder brauchten sie nicht mehr. Oft werde dann die Sinnfrage gestellt und ein starkes Gefühl der Minderwertigkeit mache sich breit.
Dafür werden Kurse angeboten, etwa bei der Kreis-Volkshochschule. Dort können Frauen ihr zum Teil erheblich angeknackstes Selbstbewußtsein wieder aufbauen. Sie lernen beispielsweise durch rhetorische Übungen, sich klar und bestimmt auszudrücken, gewinnen ein sicheres Auftreten und fassen insbesondere wieder Selbstvertrauen. Astrid Braun-Höller weiß auch, daß viele Frauen solche Beratungsangebote bitter nötig haben, denn sie fühlen sich oft von ihren Ehemännern im Stich gelassen. Insbesondere alleinstehende oder alleinerziehende Frauen bekommen tagtäglich ihren „Minderwert“ zu spüren. Sie rutschen in der gesellschaftlichen Rangordnung weit nach unten, fühlen sich regelrecht „geächtet“. Für jene Frauen wird selbst der Gang zum Sozialamt zu einem Alptraum.
Im Rahmen zahlreicher Gesprächsabende, die im gesamten Kreisgebiet stattfinden, um allen Frauen eine Chance zu bieten, hältAstrid Braun-Höller Vorträge, macht Mut, provoziert, stellt sich den Fragen interessierter Zuhörerinnen und ist immer wieder über die Bandbreite der angesprochenen Themen überrascht.
Trotz der gewiß nicht einfachen, umfangreichen und mitunterauch aufreibenden Arbeitder Frauenbeauftragten im Ahrkreis – sie ist direkt dem Landrat unterstellt – ist Astrid Braun-Höller „froh und dankbar“: „Man kann eine Menge erreichen, viel bewegen und kreativ arbeiten.“ Sie versteht ihre Position auch nichtais Feigenblattfunktion nach dem Motto: „Seht her, wie fortschrittlich wir sind, wir haben eine Frauenbeauftragte“.
Wie man ein solches Amt ausfüllen kann, hat sie seit über einem Jahr mehrfach bewiesen. Herausragendes Beispiel: Die Informationsbörse für Frauen im Kreis Ahrweiler im Frühsommer 1992. Hierzu hatten sich Institutionen, Gruppen und Verbände in der Kreisstadt versammelt, um frauenrelevante Themen der interessierten Öffentlichkeit nahezubringen. Frauen jeden Alters fanden dort die Gelegenheit, sich über die unterschiedlichsten gesellschaftlichen und beruflichen Bereiche zu informieren und beraten zu lassen.
Astrid Braun-Höller sieht in ihrer Arbeit eine „echte Chance“, an den gesellschaftlichen Veränderungen mitzuarbeiten, die für eine wirkliche Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau notwendig sind.
Eines dürfte dabei klar sein: Nicht neue, sondern interessierte Männer braucht das Land!