Die Eisenerzvorkommen im Wehrer Kessel – Ihre Gewinnung und Verarbeitung vom Mittelalter bis zur Neuzeit
Kohle, Eisen, Stahl – bei diesen Worten denkt man an Ruhrgebiet und Wirtschaftswunder, Hochöfen und Schalke 04. Man vergisst dabei leicht, dass die Erzeugung von Eisen und Stahl in unserem Kreis eine mehr als 2000 Jahre alte Tradition hat. Historisch gut untersucht und dokumentiert sind die römerzeitlichen Eisengewinnungsstätten im Ahrweiler Stadtwald und die mittelalterlichen Hüttenwerke an der oberen Ahr. Ihre Grundlage sind die zahlreichen variszischen Braun- und Roteisenerzlagerstätten des Rheinischen Schiefergebirges. Mit dem Wehrer Kessel gibt es jedoch ein lagerstättengeologisches Unikum in unserem Kreis. Hier kommen in enger räumlicher Nähe drei verschiedene Eisenerzsorten aus unterschiedlichen erdgeschichtlichen Perioden vor, die nicht nur bis in die Neuzeit immer wieder Ziel bergmännischer Tätigkeit waren, sondern im Hochmittelalter auch von einem Hüttenwerk verarbeitet wurden.
Variszische Eisenerzlagerstätten am Rand des Wehrer-Kessels
Geologie: Der Rand des Wehrer Kessels, der selbst ein vulkanotektonisches Einbruchsbecken ist, wird von steil gestellten unterdevonischen Sandstein- und Tonschieferschichten begrenzt. Diese enthalten zahlreiche kleinere und größere Erzlager, die ursächlich auf den Aufstieg und die Auskristallisation überhitzter, mineraliengesättigter wässriger Lösungen aus den tieferen Schichten der Erdkruste während der variszischen Gebirgsfaltung im Oberkarbon zurückgehen. Am Wehrer Kessel finden wir überwiegend Eisenlagerstätten. Mineralogisch führen Eisenoxide, Ei-senoxid-Hydroxide und Eisencarbonate in Form von Hämatit, Goethit, Limonit und Siderit, wobei die Zusammensetzung je nach Lagerstätte variieren kann. Gelegentlich finden sich zudem Fahlerze und Zinkblende.
Alte Schürfung am Nordostrand des Wehrer Kessels: Kleine Eisenerzhalde (rechts unten) und Schürfgraben (Bildmitte)
Geschichtliches: Ob die variszischen Eisenerze am Rand des Wehrer Kessels bereits zur Kelten- oder Römerzeit gewonnen wurden, muss momentan bei fehlenden Bodenbefunden fraglich bleiben. Wahrscheinlich ist zumindes-tens, dass auf dem römischen Gutshof in der Nähe der Römerhalle Eisen geschmolzen und verarbeitet wurde, um den Eigenbedarf für Werkzeuge und landwirtschaftliche Geräte zu decken. Historisch gesicherte Erkenntnisse besitzen wir erst aus der Gründerzeit. Der ab 1840 nachhaltig einsetzende Wirtschaftsboom erforderte riesige Mengen an Eisen und Stahl für den Bau von Eisenbahnen, Brücken und Maschinen. Nahezu in jeder Gemeinde im Kreis Ahrweiler wurden von risikofreudigen Kaufleuten Bergbau- Konzessionen erworben. Telemark und George Michiels sowie ein P. Rhodius führten 1847 in den Bergbaudistrikten „Eisenkaul”, „Wehrlab-Mühle”, „Hüttenberg” und in der Nähe des Steinberger Hofes umfangreiche Schürfarbeiten durch. Der Revierobersteiger Spenler vom königlich-preußischen Bergamt Düren, das damals die Bergaufsicht innehatte, konnte im gleichen Jahr die Schürfversuche befahren. Seine Protokolle erwähnen im Distrikt Eisenkaul u.a. einen Schacht von 20 Fuß Tiefe, an dessen westlichen Stoß ein Eisensteintrum (ein kleiner Quergang) von immerhin 4 -5 Zoll Mächtigkeit aufgeschlossen war.
Die Reste der Wehrer Hütte: Eisenerzkonkretion (l.o.), Hochofenschlacke (r.o.), Holzkohlestücke (l.u.) und Luppeneisen (r.u.). Durchmesser der Eisenerzkonkretion ca. 6 cm
Anschließend an ihre Schürfversuche erwarben die Brüder Michiels Konzessionen für die Gruben „Eisenkaul” und“ „Eisenkaul II“. Neben Eisen wurden auch Blei, Kupfer, Zink und Pyrit verliehen, d. h. zur Gewinnung freigegeben. Das von ihnen und später von der Phönix Actiengesellschaft in Laar bei Ruhrort/Rhein betriebene, insgesamt einen Stollen und 6 Schächte mit 5 Abbausohlen umfassende Bergwerk konnte die Erwartungen allerdings nicht erfüllen. Die rasche Erschöpfung der Eisenerzvorkommen, der teure Transport zur Verhüttung nach Koblenz und aus dem Grundwasser in die Schächte eindringendes Kohlendioxid führten dazu, dass der Grubenbetrieb 1863 (nach anderen Quellen 1873) eingestellt werden musste. Die letzte Bergwerkseigentümerin, die Fa. Gutehoffnungshütte Aktienverein Oberhausen, verzichtete 1968 endgültig auf ihr Bergrecht.
Einige Schürfungen der Brüder Michiels und des P. Rhodius und die Reste der Eisenkaul sind bisher kein Opfer von Neubaugebieten, Straßen oder Industriebetrieben geworden. Dem montanarchäologisch Erfahrenen präsentieren sie sich als unverfälschte und faszinierende Bodendenkmäier, so am Waldhang rechts des Wirresbaches auf Höhe der Welschwiesenmühle (Schürfung), in der Nähe des Eifelverein-Wanderweges nördlich vom Steinberger Hof (Schürfung) oder im Wald am Ortsausgang Wehr Richtung Weibern (Gelände der „Eisenkaul”).
Die Ocker-Lagerstätte im Norden des Wehrer Kessels
Geologie: Vor einigen zehn Millionen Jahren, in der erdgeschichtlichen Periode des Tertiärs, unterlag der Rumpf des Rheinischen Schiefergebirges unter tropisch-warmen Klimaverhältnisssen einer intensiven Verwitterung. Die von den Hängen herabgespülten zersetzten unterdevonischen Tonschiefer bildeten in den Tälern Tonlager, die z.B. im Neuwieder Becken und im Westerwald heute noch Grundlage der keramischen Industrie sind. Auch am Nord-rand des Wehrer Kessels liegt unter dem eiszeitlichen Löß ein 1,5 bis 2 Meter mächtiges Tonlager wahrscheinlich tertiärzeitlichen Alters (s. dazu auch Geologie des „Veithen Lochs“). Die Tone sind jedoch nicht grau, sondern haben durch Eisenoxidhydroxid-Beimengungen einen intensiven orange-braunen Farbton. Solche Tone werden als Ockererden bezeichnet. Ihr Eisengehalt kann sehr hoch sein; im Wehrer Kessel beträgt er 43%! Die Hauptmasse des Eisens stammt aus dem aus dem Untergrund aufdringenden, kohlendioxidbeladenen und eisenübersättigten Grundwasser.
Geschichtliches: Das Ockervorkommen wurde ebenfalls von Michiels und Rhodius erschürft und am 29.12.1849 den Brüdern Michiels als Konzession „Gaseisen” auf Eisen verliehen. Ein Abbau fand gleichwohl nicht statt. Denn trotz des hohen Eisengehaltes ist Ockererde aufgrund ihrer feinen Körnung nicht ohne weiteres verhüttbar. Die Konzession ging später auf die Phönix Actiengesellschaft zu Laar bei Ruhrort/Rhein über, die das Gelände südlich der Welschwiesenmühle 1922 an die Firma Otto Schmidt Farbstoffwerke, Oberneisen verpachtete. Zwischen dem 1.3.1922 und dem 1.7.1922 wurde mit 6 Mann Ockererde zur Farbherstellung im Etagentagebau abgebaut. Die Erde wurde mittels Feldbahnloren zur Landstraße geschafft, in Fuhrwerke gekippt und nach Niederzissen zur Verladung auf die Brohltalbahn gebracht. Danach ruhte der Abbau wieder für fast ein Jahrzehnt. Erst mit Übernahme der Pacht durch die Firma Adolf Uhl Erdfarben Bergbau, Oberneisen, setzte in den dreißiger Jahren ein nachhaltigerer Abbau ein. In den Sommermonaten der Jahre 1931– 1935 und 1937 wurden pro Arbeitsperiode bis zu 190 Tonnen bei Belegschaftsstärken zwischen 4 und 5 Mann gewonnen.
In der Nachkriegszeit wurde der Tagebau von der Farbenfabrik Alois Anton Hilf, Limburg an der Lahn, nochmals aufgefahren. 1953, 1954 und 1957 betrug das jährliche Betriebsergebnis jedoch lediglich zwischen 35 und 75 Tonnen. 1959 erfolgte die endgültige Schließung des Tagebaus, der anschließend teilweise zugeschüttet wurde. Das Bergrecht wird aber noch von der Firma Barbara Rohstoffbetriebe GmbH, Porta Westfalica gehalten. Ockererde ist auch heute noch auf dem Gelände des CARBO-Kohlensäurewerks in der Nähe der Absetzbecken und im nordöstlich davon gelegenen Sumpfgelände aufgeschlossen.
Tertiäre Eisenerzkonkretionen im „Veithen Loch”
Geologie: Das „Veithe Loch” am Ostrand des Wehrer Kessels (oberhalb der C02 Förderanlage Richtung Autobahn), in einer Karte der „Herrlichkeit Wehr” von ca. 1600 als ..Iserbergkuhl” ausgewiesen, war der Eisenerz-Hauptlieferant für die unmittelbar benachbarte mittelalterliche Eisenhütte. Bislang war man der Auffassung, dass an dieser Stelle ein während der variszischen Faltung des Schiefergebirges im Oberkarbon entstandener hydrothermaler Eisenerzgang ober- oder untertägig abgebaut wurde. Eigene Untersuchungen lassen es aber wahrscheinlicher erscheinen, dass ein tertiärzeitliches Lager von Roteisenerzkonkretionen im Tagebau ausgebeutet wurde. Am Südhang des „Veithen Loches” lassen sich nämlich unter Baumwurzeln graue Tone und Ockererde erschürfen. Die Ockererde enthält bis hühnereigroße Eisenerzkonkretionen (Bild 82, links oben). Größere Eisenerzkonkretionen finden sich oberflächlich im Waldboden als Lesesteine. Ocker und Tone werden am Südhang mit scharfer Begrenzung von lockeren Aschen- und Lapillituffen des Hüttenbergvulkanes überdeckt. Diese zeigen lagenweise eine bandförmige Braunfärbung. Hierbei handelt es sich um Eisenoxidablagerungen, wahrscheinlich aufgrund von Fumarolentätigkeit. Die Eisenerzkonkretionen sind auch in den Laharablagerungen des Hüttenbergvulkanes in Niederzissen nachzuweisen, sie sind also älter als dieser.
Geschichtliches: Das Hüttenwerk in Wehr wurde um 1584/85 auf Betreiben der Abtei Steinfeld errichtet und der schon vorbestehende Tagebau in der „Iserbergkuhl” intensiviert. Der Betrieb der Hütte gestaltete sich anfänglich schwieriger, als den Mönchen der Abtei lieb war. Daran war neben menschlichen Unzulänglichkeiten auch die schlechte Qualität des Roteisenerzes schuld. Erst dem Hüttenmeister Servas Collet gelang im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts die wirtschaftliche Konsolidierung. An weiteren Hüttenmeistern, die, wie in vielen Teilen der Eifel, aus der Wallonie stammten, sind uns Melchior Collet (ab 1624), Wilhelm Collet (ab 1631?) und zuletzt Micheal Boßard (1649-1673) überliefert. Letzterer war als Schultheiß und Pächter der Kellnerei des Dorfes ein einflussreicher Mann.
Nur sehr wenig ist über den Aufbau und den technischen Betrieb des Hüttenwerkes bekannt.
Wie seinerzeit üblich, dürfte der Hochofen eine Höhe von 12–15 m bei einem Durchmesser im weitesten Teil von 3–4 m gehabt haben (s. Bild S. 84).
Gefüllt wurde er von seiner oberen Öffnung, der Gicht, lagenweise mit Holzkohle, Eisenerz und Zuschlagstoffen zur Schlackenverflüssigung, v.a. Kalk.
Der wesentliche Trick beim Hochofenprozess besteht darin, dass in der Reduktionszone das bei der Verbrennung der Holzkohle freiwerdende Kohlendioxid mit Kohlenstoff zu Kohlenmonoxid reagiert. Kohlenmonoxid reduziert das Eisenoxid der Erze zu elementarem Eisen. Im Kohlensack nimmt das Eisen Kohlenstoff auf, wodurch sein Schmelzpunkt von 1535 auf 1100 bis 1200 Grad Celsius erniedrigt wird. Diese Temperatur wird durch das Einblasen von Luft auf die glühende Kohle in der Schmelzzone erreicht. Das glutflüssige Eisen sinkt auf den Boden des Hochofens ab und kann diskontinuierlich durch ein Abstichloch in die bereitstehenden Gussformen in der Gießhalle abgelassen werden.
Schema einer mittelalterlichen Eifeler Hochofenanlage (Hochofenanlage Malberg an der Kyll)
Die im wesentlichen aus Calciumphosphat und -silikat bestehenden Schlacken aus der chemischen Reaktion der „tauben” Beimengungen des Eisenerzes mit den Zuschlagstoffen sind spezifisch leichter als das glutflüssige Eisen, sie schwimmen auf und können nach dem Eisenabstisch aus dem Ofen entfernt werden.
In einem solchen Hochofen konnte durch ständiges Nachgeben der Rohstoffe über die Gicht monatelang ein kontinuierlicher, wirtschaftlich günstiger Betrieb aufrechterhalten werden.
Eine Hüttenkampagne in einem mittelalterlichen Hochofen dauerte denn in der Regel auch zwischen 6 und 9 Monaten. Erst im Winter, wenn bei strengem Frost das Wasserrad einfror oder im Hochsommer bei extremer Wasserknappheit, musste der Betrieb eingestellt werden.
In einem Betriebsjahr konnten 200 und mehr Tonnen Roheisen erzeugt werden. Dies ist auch für die Wehrer Hütte belegt.
Das Produktionsprogramm der Wehrer Hütte umfasste neben Roheisenmasseln für den Wiederverkauf an Schmieden auch Gusserzeugnisse wie Töpfe, Kanonenkugeln, Geschütze und Öfen. Daneben wurde in Wehr in den Anfangsjahren auch „gerecktes” Eisen, d.h. Stahl in Form von Stangen erzeugt. Dies geschah im Hammerwerk. Die spröden Roheisenmassen verloren beim wiederholten Erhitzen im Holzkohlefeuer, durch Überblasen mit Luft aus Blasebälgen („Frischen”) und anschließendem Formen unter dem wasserradgetriebenen Hammer anhaftende Schlacken und einen großen Teil ihres Kohlenstoffgehaltes. Durch diesen Prozess ging allerdings auch ein erheblicher Teil des Eisens – bis zu 1/3 der Ursprungsmasse – verloren. Die Eisen- und Schlackenreste des Hammerwerkes wurden deshalb in einem wasserradgetriebenen Pochwerk zerkleinert und durch Flotation getrennt.
Das „Wascheisen” floss wieder in die Eisen- und Stahlerzeugung ein, während die zerkleinerten Schlacken ein begehrter Baustoff waren.
Gemessen am bäuerlichen Umfeld war das Wehrer Hüttenwerk zu seiner Zeit ein regelrechter HiTech-Betrieb. Das Stellen des Ofens, d.h. seine Vorbereitung für eine Hüttenkampagne, das Schmelzen des Eisens, der Eisenguss wie auch die Stahlerzeugung erforderten ein umfangreiches technisches Wissen, das von Generation zu Generation als Zunftgeheimnis weitergegeben wurde. Den ca. 10–12 Arbeitern an der Hütte, die teilweise im 12-Stunden Schichtbetrieb 7 Tage die Woche arbeiteten, stand die Bevölkerung zwiespältig gegenüber.
Man verdiente sich zwar gerade im Winter gerne sein bescheidenes Zubrot mit Erzgräberei und Materialtransporten für die Hütte, ließ aber andererseits kaum einen Konflikt mit den „Welschen” aus. Die Wehrer Gerichtsakten zu jener Zeit sind voll davon. Die schmutzigen, ob ihrer schweren körperlichen Tätigkeit auch beim Alkohol kräftig zulangenden Hüttenknechte dürften der Schrecken aller kleinen Kinder der Umgebung gewesen sein. Und so mancher Fluch dürfte einer Wehrer Hausfrau über die Lippen gegangen sein, wenn bei Ostwind Flugstaub aus der Hütte die Wäsche auf der Bleiche verfärbte.
Nachdem der Hammer schon um 1620 wegen der schlechten Qualität des Roheisens stillgelegt werden musste, kam für die Hütte um ca. 1670 das „Aus“. Neben Erschöpfung der Erzvorräte im „Veithen Loch” war wahrscheinlich auch Holzkohlemangel dafür maßgebend.
Man rechnete damals auf eine Tonne Roheisen 3,5 Tonnen Holzkohle entsprechend 12 Tonnen Rohholz. Trotz Kahlschlag der Wälder waren im 17. Jahrhundert diese Mengen vielerorts nicht mehr zu beschaffen.
Unterhalb des „Veithen Loches” auf dem linken Ufer des Wirresbaches finden sich im Acker neben verziegelten Sandsteinfragmenten zahllose zenti- bis dezimetergroße Schlackenstücke, gelegentlich auch kleine Holzkohlestückchen. Sie stellen die einzigen noch sichtbaren Spuren des mittelalterlichen Hüttenwerkes dar.
Weiterführende Literatur:
- Andre, Bruno: Das Dorf Wehr, Bd. 2, Wehr 1986
- Bömmels, Nicolaus: Die Eifeler Eisenindustrie im 19. Jahrhundert (Aus Natur und Kultur der Eifel 7), Aachen 1925
- Meyer, Wilhelm: Geologie der Eifel, 3. Aufl., Stuttgart 1994
- Neu, Peter: Die Eisenindustrie in der Eifel, 2. Aufl., Köln 1989
- Rosenberger, Wilfried (Hrsg.): Beschreibung rheinland-pfälzischer Bergamtsbezirke, Bd. 4 Bergamtsbezirk Koblenz, Bad Kreuznach 1979