Die ehemalige Synagoge in Ahrweiler
Hans Warnecke
Die Gesetzestafeln mit hebräischen Schriftzeichen krönen den Giebel der Synagoge
Am 9. November des Jahres 1978 jährt sich zum 40. Mal die sogenannte „Reichskristallnacht“. Im Jahre 1938 gingen überall in
Deutschland nach dem Willen der damaligen Machthaber jüdische Synagogen in Flammen auf. So auch im Landkreis Ahrweiler. Der Rassenwahn der damaligen Zeit trieb deutsche Menschen dazu, jüdische Friedhöfe zu schänden, Menschen jüdischen Glaubens zu mißhandeln und eben auch deren Gotteshäuser zu vernichten. Auch die Synagoge in Ahrweiler wurde damals angezündet; aber durch den Einsatz beherzter Menschen konnte es erreicht werden, daß durch das Feuer nur innen Verwüstungen angerichtet wurden, jedoch die Synagoge selbst in ihrem Bestand erhalten blieb. Diesem Umstand haben wir es zu verdanken, daß bis heute dieses Gebäude in seiner äußeren Erscheinung im wesentlichen unverändert in der Altenbaustraße in Ahrweiler gegenüber der dortigen Grundschule und dem Weißen Turm steht. Vom Giebel des Hauses blicken immer noch die 10 Gebote mit hebräischen Schriftzeichen auf den Betrachter herab. Wenn auch zur Zeit dieses Gebäude einem seiner Ursprünglichen Bedeutung völlig entfremdeten Zwecke dienen muß, so bleibt doch zu hoffen, daß diese Synagoge bald rekulitiviert wird und so an die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Ahrweiler und Umgebung erinnert.
Das 19. Jahrhundert erlebte eine Epoche der Judenemanzipation. Nach Jahrhunderten der Unterdrückung und der Abkapselung in besonderen Straßen oder Stadtteilen — dem sogenannten Getto — konnten sich jetzt deutsche jüdische Bürger auch in kleineren Städten und Dörfern zu eigenen Gemeiden zusammenfinden. So kommt es im November 1891 zur Gründung der jüdischen Kultusgemeinde in Ahrweiler, zu der auch die Juden aus Dernau und Rech gezählt wurden. In einem Privathaus trifft man sich in der kleinen jüdischen Gemeinde zum Gottesdienst und dort werden auch die jüdischen Kinder in ihrer Religion unterrichtet. Der Wunsch wird immer dringender, eine eigene Synagoge zu erhalten. 1894 ist es endlich so weit, unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wird vom 21. bis 23. Oktober 1894 die Synagoge eingeweiht. Insgesamt lebten zu jenem Zeitpunkt ca. 80 Juden in Ahrweiler und Dernau.
In der Ahrweiler Zeitung vom 24. Oktober des Jahres 1894 heißt es über diese Einweihung: „Flaggenschmuck an zahlreichen Häusern, insbesondere denen unserer jüdischen Mitbürger, kündigte bereits am Sonntag in der Frühe die nachmittags bevorstehende Einweihungsfeier an. Um 3,00 Uhr versammelte man sich zum letzten Male in dem seiner Bedeutung äußerlich durchaus nicht entsprechenden alten Bethause — denn eine Synagoge könnte man das einfache, niedrige Zimmer schwerlich nennen — in welchem Herr Lehrer Stern ergreifende Abschiedsworte an die vollzählig erschienen Mitglieder der Gemeinde und die bereits zahlreich anwesenden Gäste richtete.
Das im wesentlichen unveränderte Gebäude der ehemaligen Synagoge
Unterdessen hatte sich auf der Straße eine unübersehbare Menschenmenge angesammelt, so daß es dem Festordner nicht leicht wurde, Raum für den aufzustellenden Festzug zu gewinnen. Punkt 4 Uhr setzte sich der Festzug von der alten Synagoge aus in Bewegung. Voraus schritt der Festordner, dann das Musikcorps des Rheinischen Pionierbataillons Nr. 8 aus Coblenz; Es folgten die Schulkinder, als Schlüsselträgerin die in Weiß gekleidete jüngste Tochter des Herrn A. Levy, die Thorarollen-Träger und Herr Bezirksrabbiner Dr. Weingarten aus Ems mit Herrn Lehrer Stern von hier, ferner Herr Gronert aus Remagen als Baumeister der Synagoge, deren Vorstandsmitglieder sowie, die Gäste und die übrigen Mitglieder der hiesigen israelitischen Gemeinde. Es bot dieser Zug einen seltenen und erhebenden Eindruck; selten durch den Anblick der sechs Thorarollen, die mitten in dem Zug von den ältesten Gemeindegliedern getragen wurden. War es nicht ein Abbild des langen tausendjährigen Zugs der Juden?
Eingereiht in die Häuserfront der Altenbaustraße steht die ehemalige Synagoge
Fotos: Vollrath
Wie oft wurden sie aus dem Lande, wo sie eben erst nach langen Irrfahrten eine Stätte gefunden, wieder vertrieben und ihnen mit Weib und Kind der Wanderstab in die Hand gedrückt. Auch dann retteten sie nie Hab und Gut, nur ihre Thorarollen, in deren Begleitung sie Mut, Ausdauer und Hoffnung nicht verließen. Am Marktplatz trat die aus fünf Stadtverordneten bestehende Vertretung der Stadt Ahrweiler unter Führung des stellvertretenden Bürgermeisters, Herrn Dr. von Ehrenwall, in den Festzug ein. Vor dem Portale der neuen Synagoge überreichte Fräulein Bertha Levy unter einer sinnigen dichterischen Ansprache Herrn Dr. von Ehrenwall als dem Vertreter der Stadtverwaltung den Schlüssel der Synagoge, der seinerseits das Gotteshaus in städtische Obhut zu nehmen versprach und den Schlüssel dem füngierenden Bezirksrabbiner aus Ems, Herrn Dr. Weingarten, überreichte. Dieser öffnete die Synagoge, wonach die Festteilnehmer, darunter auch Herr Amtsgerichtsrat Andris, in die
Synagoge eintraten. Allgemein war das freudige Erstaunen über den ebenso einfachen wie künstlerischen Bau des Gotteshauses. Namentlich wurde das Auge durch die in maurischem Stil ausgeführten Malereien gefesselt.“ Dieser von Kunsthistorikern sogenannte „maurische Stil“ ist bis auf den heutigen Tag an den drei Fenstern des zur Straßenfront hin gelegenen Giebels zu erkennen, der mit den Gesetzetafeln gekrönt wird. Die über den Fenstern angebrachten Rundbogen erinnern an das Hufeisen eines Pferdes. Von daher wird auch immer wieder vom sogenannten Hufeisenstil gesprochen.
Während es um die Jahrhundertwende im Landkreis Ahrweiler zum Beispiel Synagogen in Remagen, Sinzig, Neuenahr und Niederzis-sen gab, ist die ehemalige Synagoge in Ahrweiler jetzt das einzige Gebäude, das die judenvernichtende Schreckensherrschaft des Nationalismus, den zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit in seinem äußeren Bestand überstanden hat.
Was einem aus dem Bericht der Zeitung des Jahres 1894 wie eine Idylle des Friedens und der Harmonie zwischen Christen und Juden entgegenklingt, schlug 40 Jahre später im Jahr 1934 in das glatte Gegenteil um, als die braunen Machthaber ihr wahres Gesicht gegenüber allen Juden zeigten. Viele Juden zogen aus Ahrweiler fort, die, die blieben, wurden deportiert, in Konzentrations- und Vernichtungslager gebracht, zurück blieb die leere Synagoge. Nach dem zweiten Weltkrieg regelte die Branch Frangaise de la Jewish Trust Corporation for Germany die Angelegenheiten der früheren jüdischen Kultusgemeinde. So fand die ehemalige Synagoge einen neuen rechtmäßigen Besitzer. Bürger jüdischen Glaubens, die sich wieder zu einer eigenen Gemeinde zusammenfinden könnten, leben nicht mehr in Ahrweiler. So wie die christlichen Kirchen unserer Stadt Zeugnis einer lebendigen Geschichte sind, so ist es auch die Synagoge in der Altenbaustraße. Sie sollte jeden Bürger daran erinnern, was Deutsche Deutschen angetan haben und gleichzeitig die Verpflichtung in die Zukunft weitergeben, daß wir alles daransetzen, in einem Gemeinwesen zu leben, in dem keiner seines Glaubens, seiner politischen Meinung oder auch seiner Rasse wegen verfolgt wird.