Die „Dükkar“ im Mayschosser Winzerleben
Von Peter Graf
Wenn auch das Leben des Winzers im verflossenen Jahrhundert von manchen humoristischen Zwischenfällen durchwürzt ist, so trägt doch dessen größter Teil ernsten Charakter. Zwar war und ist auch heute noch die Arbeit des Winzers eine schwere; doch ist nicht abzuleugnen, daß die Industrie ihm mit manchen Erzeugnissen recht tüchtig unter die Arme gegriffen hat.
Da sind an erster Stelle die Zugmaschinen oder Trecker in verschiedenen Größen und Ausführungen zu nennen, Einachser und Zweiachser. In Mayschoß ist schon eine ganz beträchtliche Anzahl von diesen Fahrzeugen vorhanden, und so können sämtliche schweren Lasten wie Dünger, Weinbergspfähle, Ackergeräte usw. mit Leichtigkeit die Berge hinaufgebracht werden. Zur Zeit der Lese kann ein Trecker zwei bis drei Wagen zugleich an Ort und Stelle in die Weinberge bringen. Sind dann die zwei bis vier Bütten auf einem Wagen gefüllt, dann ist er auch rasch zur Kelter gebracht.
Ganz anders war es in früheren Jahren, noch bevor in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts der „Damenschoner“ (kleiner vierrädriger Handwagen) aufkam, und auch vordem höchst selten ein Winzer eine große Karre besaß, in deren Schere eine Kuh oder ein Ochse ging. Damals war die „Dükkar“ das Hauptbeförderungsmittel des Winzers. Alles, was in die Weinberge oder aufs Feld gebracht werden mußte und was zurück sollte, geschah mit der Dükkar, leichtere Lasten auch auf der Schulter.
Den Lederriemen über dem Nacken, in den zwei Endschlaufen die Handgriffe der Dükkar, so schob er sie mit festem Zugriff vor sich her über Feldwege, die so voller Steine lagen und so vom Regenwasser zerrissen waren, daß kaum ein Gehen darauf möglich war. Ja, nicht selten nahm der Winzer die Dükkar auf die Schulter und trug sie die schlechten Bergwege hinauf, um rascher voran zu kommen. Schwer beladen mit Kartoffelsäcken, hoch mit Heu oder Fruchtgarben oder darauf die schweren Traubenbütten balancierend, ging es dann dieselben Wege hinab, wobei jeder Stein zum fast unüberwindlichen Hindernis wurde und mancher Schweißtropfen vergossen wurde. Wer wird da dem Winzer einen guten Trunk seines selbstgezogenen Weines verargen, besonders, da er nicht zum „Fluppes“ greift, sondern eine gute Flasche zu schätzen und zu trinken weiß, auch in Jahren der Not. Und diese hat der Mayschosser Winzer reichlich kennen gelernt. Die heutige Generation weiß zwar nichts mehr davon, wie zu ihrer Vorväter Zeiten Mangel und Überfluß Seite an Seite durchs Dorf gingen. Schlechte Weinjahre brachten gewöhnlich auch schlechte Ernten, da die Kartoffeln im Boden faulten und die Frucht auf den Halmen auswuchs. Die Preise für Lebensmittel stiegen; ein Brot kostete mehr, als ein Mann am Tage verdiente. Den Wein aus guten Weinjahren wurde er nicht los, da die Aufkäufer ihm nur 5 Pfg. und noch weniger für ein Liter boten.
Da kehrte Not in die Winzerfamilien ein; kein Geld, kein Kredit, aber Hunger bei allem Wein. Es wurde da manches Faß auf die Grafschaft mit der Dükkar gebracht und gegen Brotfrucht umgetauscht. Ein Faß von 1 bis 3 Anker Wein (l Anker = 36 I) wurde auf die Dükkar geladen, und nun gings den schlechten Dorfweg hinauf bis zum Krampengraben, wo das Elend erst recht anfing. Steil war der Weg, mit Steinen besät und vom Regenwasser zerrissen. War man zu zweien, so wurde an die Dükkar vorn eine Leine gebunden, die Schlinge um die Schulter des einen geworfen, und unter Drücken und Ziehen und Stöhnen suchte man hinaufzukommen. Der Schweiß floß in Strömen; bald waren die leinenen Hemde pudelnaß. In der Zugluft auf der Höhe erfolgte dann eine rasche Abkühlung, welche manchem eine starke Erkältung brachte, die oft langes Siechtum nach sich zog, wenn nicht gar eine heftige Lungenentzündung den Tod brachte. Dann kam zu der Not noch der Tod. —
Ganz schlimm war es, wenn nur ein Mann mit seinem Fäßchen sich auf den Weg machte; oder wenn gar die Dükkar auf dem schmalen Wege durch einen Stein umkippte, das Faß mit dem Wein in die Tiefe rollte und wieder hinaufgerollt werden mußte, wenn es nicht zerschellt war. Auf der Höhe waren die Wege nicht besser: schlammige Waldwege gingen in schlechte Feldwege über. Gelang es nun in einem Dorfe der Grafschaft, den Wein in Brotgetreide umzutauschen, was nicht immer leicht war, da die aufblühenden Industriegegenden, die am Rande der Grafschaft lagen, hohe Preise bezahlen konnten (dem Winzer wurde 1 l Wein mit 12 Pfg. bewertet), dann ging es mit der Dükkar wieder denselben beschwerlichen Weg zurück.