Die Brotsegnung in Aremberg
Die Brotsegnung in Aremberg
VON JOSEF SCHEPPE
Das Fest der hl. Dreifaltigkeit nimmt in der Geschichte der Pfarrei Aremberg einen besonderen Rang ein. Um ein altes Gelübde zu erfüllen, geht an diesem Festtage nach beendigtem Nachmittagsgottesdienst eine Prozession zur Schutzengelkapelle bis zur Station der Kreuzigung Christi, wo der begleitende Priester eine Brotsegnung vornimmt. Das gesegnete Brot wurde in früheren Jahren unter die Armen verteilt. Durch diese Prozession und durch diese Gaben wird ein Gelübde der Vorfahren erfüllt, „das gemacht wurde zum Danke für den Schutz Gottes gegen Gewitter, die zur damaligen Zeit großen Schaden in der ganzen Umgegend angerichtet, aber Aremberg mit seinem Banne verschont hatten.“ Die Einrichtung der Dreifaltigkeitsprozession geht wahrscheinlich zurück auf den Gründer der Schutzengelbruderschaft, Pastor Laurentius Sprüncker, von 1663 bis 1720 Pfarrer in Aremberg.
Derselbe Pfarrer Sprüncker erbaute im Jahre 1669 am nahen Waldrand (Kapellebüsch) eine Kapelle zu Ehren der hl. Schutzengel. Die Benediktion nahm der Pfarrer von Antweiler, Balthasar Thiel, am 1. September 1670 vor. „In die Bruderschaft ließen sich nicht bloß die Bewohner von Aremberg, besonders die herzogliche Familie und ihre Beamten aufnehmen, sondern auch Geistliche und Laien von nah und fern . . . Im Laufe der Zeit wurde die Schutzengelkapelle besonders von den Mitgliedern der Bruderschaft eifrig besucht, vorzüglich am 8. Mai, am Feste der Erscheinung des hl. Michael, und am Schutzengelfeste, 1. Sonntag im September sowie in dessen Oktave. Die Verehrung der hl. Schutzengel stieg so sehr, daß die Dorfbewohner jeden Sonntag Mittag in Prozessionen betend zur Kapelle gingen …“ (Aus dem von Pfarrer Johann Alten 1926 neu herausgegebenen ,,Andachtsbüchlein der Schutzengelbruderschaft.“)
Daß die herzogliche Familie und ihre Beamten sich in die Bruderschaft aufnehmen ließen, beweist, wie gut das Verhältnis zur Bevölkerung, besonders der kleinen Residenz Aremberg gewesen sein muß. Diese Verbundenheit wurde wohl noch genährt durch die Kriegswirren jener Zeit. Die Eroberung des Berggipfels durch hessische Truppen im Jahre 1647 war noch in Erinnerung, und ein neuer Ansturm auf die inzwischen zur Festung ausgebauten Burg durch die Reunionszüge Ludwigs XIV, war zu befürchten. Da war es verständlich — bei dem ungebrochenen Glauben der damaligen Zeit — sich einem höheren Schütze anzuvertrauen. So läßt sich vorstellen, daß Bedrängnisse mancherlei Art zur Verehrung der hl. Schutzengel führten. In dem Bau der Schutzengelkapelle und in der Gründung der Bruderschaft erhielt sie ihre feste innere und äußere Form, die bis in die Gegenwart fortwirkt.
In diese Zeit der großen Schutzengelverehrung fiel wahrscheinlich auch jene Naturkatastrophe, die viel Not über die Bevölkerung der Nordeifel gebracht hat, aber Arenberg mit seinem Banne verschonte.
Von der Wirkung dieses offensichtlichen Wunders auf die geängstigte Bevölkerung, haben wir Heutigen nur noch eine schwache Vorstellung. So wird man in der Bruderschaft, die nun das kirchliche Leben der Pfarrei maßgeblich mit prägte, dankerfüllten Herzens das besagte Gelübde gemacht haben, das bis in unsere Zeit treu erfüllt wird. Zwar ist die Dreifaltigkeitsprozession nicht mehr so stark wie in früheren Jahren, aber es ist immer noch ein imposantes Bild, wenn sie, vom Dorfe kommend, über den Höhenkamm zur Schutzengelkapelle zieht. Wie eh und je bringen die Aremberger aus jedem Hause ein Brot zur Segnung. Es warten keine hungrigen Münder mehr auf ein Stück gesegneten Brotes. Die jüngste Notzeit ist verblaßt, aber man kann sich in Aremberg heute noch erzählen lassen, wie vor 150 Jahren zwei Kinder ihrem Vater bis zum Hühnerbach entgegen liefen, wo sie ihn voll der Stahlhütte mit dem Köhlerkarren zurückerwarteten. Sage und schreibe zwei Brote brachte der Mann als Lohn mit nach Hause, Die Kinder ließen keine Ruhe, bis sie ein Stück erhalten und den schlimmsten Hunger gestillt hatten. — Brauch ist, daß jeder Prozessionsteilnehmer sich eine Brotscheibe geben läßt und an Ort und Stelle verzehrt. Das übrige wird mit nach Hause genommen und den Kleinen zu essen gegeben. Was übrig ist, wird in Brocken an das Stallvieh verteilt. (Sofern noch Vieh im Stalle steht.) Von dem gesegneten Brot wird gesagt, daß es bei alt werden nicht schimmele. Leider ist es nicht mehr das im eigenen Backofen selbstgebackene Brot, es kommt ausnahmslos „vom Bäcker“. Die Haus- und Gemeinschaftsbacköfen stehen in fast allen Dörfern der Eifel „kalt“. Sie sind zum Sinnbild eines sterbenden Berufsstandes geworden. Vor Jahren konnte Pastor Bach nach der Brotsegnung noch zu einer bäuerlichen Bevölkerung sprechen wie aufgezeichnet ist: „Brot und Wein sind die edelsten Erzeugnisse, welche die Erde hervorbringt; dessen möge sich die Bäuerliche Bevölkerung bewußt bleiben. Kein anderer Stand gewährt eine so innige Verbindung mit dem Schöpfer und der von ihm erschaffenen Natur.“
Heuer wäre kaum noch ein Bauer dagewesen, der die schönen Worte auf sich hätte beziehen können. Immerhin darf man aus der Bestimmung der Bruderschaft, wonach jeder Aremberger geborenes Mitglied ist die Zuversicht hegen, daß ein alter schöner Brauch noch lange Bestand haben wird.