DIE BRIEFE DER ERZHERZOGIN
VON WILHELM SCHÄFER +
Im November 1786 geschah zu Koblenz auf der Ponte eine Verrichtung, die zwar zur menschlichen Notdurft gehört, diesmal aber durch einen örtlichen Mißstand zum Anlaß eines politischen Handels wurde, der einen kurtrierischen Hofkriegsrat und einen Herzog, einen Kurfürsten des Deutschen Reiches samt dem Kaiser in hitzige Bewegung brachte und einen Bürgerkrieg veranlaßt hätte, wenn eine Erzherzogin nicht tapfer genug gewesen wäre, zwei delikate Briefe zu schreiben.
Der Täter kam rheinab in einem schlanken Reisewagen, der von 4 Pferden gezogen durch den nassen Novembermorgen rasch auf die Brücke rollte. Sowie die grünlackierten Räder in den Hebeböcken standen, entsprang dem Schlag ein hochgewachsener Mann, der trotz des frostigen Nebelregens seinen Reiserock aufknöpfte und mit steifen Gliedern hin und wieder schreitend in allem das Benehmen eines Menschen zeigte, der in der langen Wagenfahrt Bewegung und die frische Luft entbehrt hat. Außerdem mochte ihm ein anderes dringlich geworden sein; denn sie waren kaum so weit im Strom, daß der Ehrenbreitstein im Dunst verblaßte, als er mit einem raschen Blick über die Ponte, die außer zwei Fährleuten und dem Kutscher keinen Menschen zeigte, gleichsam hinter einem starken Gedanken her gegen das Geländer ging, gerade dahin, wo das kurtrierische Schilderhaus eine Ecke machte. Da blieb er stehen mit gesenktem Kopf, wie wenn er sich über den Geschmack der Deutschen verwunderte: allerorten, selbst auf der Ponte solch ein gestreiftes Schneckenhaus zu haben. Er konnte nicht vermuten, daß innen ein kurtrierischer Posten im Stehen geschlafen hatte, jetzt aber, aufgeweckt, rasch wie ein böser Käfer heraus kam und ihm hinterrücks den Hut vom Nacken raffte, wie es bei solchem Vergehen Brauch im Heere war. Er wollte, zornig umgewandt, dem kleinen Kerl den Hut entreißen, der aber hielt seine ,, Waffe vor und erklärte ihn gleich als gefangen.
Der Fremde hätte sich aus solcher Gefangenschaft leichthin befreien können, zumal sein Kutscher gleich mit dem Peitschenstiel dazu trat und auch die Fährleute, Vater und Sohn, in Erwartung eines silbernen Trinkgeldes nicht übel Lust bezeugten, mit ihren kupferfarbenen Fäusten etwas heraus zu geben, wenn sie nicht auf einer Ponte und mitten im Strom gewesen wären. So hob der Soldat, verdrießlich durch die Kälte und den Morgenschlaf, und heimtükisch nach dem gelben Peitschenstiel schielend, sein Gewehr und tat einen Schuß in den . Himmel, dessen Schall zwar von der nassen Luft aufgesogen wurde, dennoch am Koblenzer Ufer seine Wirkung tat.
Denn als sie dort nach wenigen Minuten, während der Soldat mit vorgehaltenem Bajonett dagestanden hatte, kettenrasselnd an die Landungsbrücke stießen, war die kurtrierische Wachmannschaft angetreten mit schußbereiten Waffen, die sich rasch auf die Brust des Fremden richteten. Dem mochte soviel Kriegsgerät um einen Hut unnötig erscheinen, er wollte, wie es Brauch bei allen Herren war, ihn gutwillig mit einem Gulden lösen. Aber der Wachhabende, ein junger Fähnrich, der durch den Schuß nun einmal auf gefährliche Dinge vorbereitet und deshalb nicht geneigt war, von seiner kriegerischen Haltung um einen dargereichten Gulden abzulassen, hörte kurz den Tatbericht, worauf er mit sehr strenger Miene den konfiszierten Hut zu Händen nahm und den Bloßköpfigen, durch die Soldaten wohlbedeckt, zur Hauptwache abführen ließ; wohin der Knecht ihm mit den Pferden an der Hand kaltblütig durch den Haufen der spöttisch angeregten Bürger folgte.
Da wurde umständlich ein Bote abgefertigt, auf dessen Rückkehr der Fremde unwillig, dann mit gefaßter Haltung, wartete, während seine Pferde, auf der Straße von dem Knecht geführt, den schlanken Wagen auf und nieder fuhren. Nach einer Stunde kam ein Schreiber in einem grünen Rock, der vor dem Fremden, den er nicht einmal begrüßte, ein Papier auflegte und mit der Feder in der Hand nach Stand und Namen fragte. Dem waren unterdessen die Äderchen um seine Augen angeschwollen, er wischte mit der flachen Hand Papier und Tinte glatt vom Tisch und verlangte mit einer Stimme, die zum Befehl geübt schien, daß man ihn endlich seines Weges lasse; worauf er vor dem erschrockenen Schreiber hinaus und zu dem Wagen schritt, an dem sein Kutscher, wie wenn er das nicht anders erwartet hätte, den Schlag schon offen hielt. Er hatte aber seinen Stiefel noch nicht auf den Tritt gestellt, als die Soldaten, von der kriegerischen Stimme des jungen Wachhabenden kommandiert, ihn umringten und unverzüglich nach dem Stockhaus führten, wo er zu peinlichem Verfahren eingelocht, der Knecht mit seinem Wagen einer Herberge übergeben wurde.
So war von Anfang an sein Auftreten mehr als sein Vergehen das Ärgernis und blieb es auch vor den Hofkriegsrä-‚ ten, als er am dritten Mittag zwischen den Bajonetten in einen Saal geleitet wurde, wo hinter einem tuchbehangenen Tisch, auf dem ein beinernes Kruzifix stand, die alten Herren in grünen Rök-ken saßen. An einem Fenstertisch saß auch der grüne Schreiber und wartete, daß nun der Fremde Stand und Namen nennen müsse. Der war im Stockhaus nicht gefügsamer geworden und hatte eine Art, aus seinem Lattenverschlag heraus die Worte mit verächtlichen Handbewegungen hinzuwerfen: Solange ihm nicht bewiesen wäre, daß man ihn gesetzlich ins Stockhaus getan habe, käme er sich vor wie unter Wegelagerer gefallen.
Worauf der weißhaarige Präsident ein Gesicht wie Rotkohl bekam und eine Rede tat, die einem ändern als dem Fremden doch wohl den Mut gedämpft hätte: Er stände hier vor einem kurfürstlichen Hofkriegsrat, dem er Gehorsam und Ehrfurcht leisten müsse, sofern ihm nicht wie einem Straßenräuber der kürzeste Prozeß zu machen sei!
Warum ein kurfürstlicher Hofkriegsrat denn nicht den Lösegulden nähme und ihn mit seinem Hut des Weges lasse?
Weil es sich um mehr als ein Vergehen handle, angesichts der Schildwache verübt und nach dem Heeresgebrauch mit der Wegnahme des Hutes gestraft, um mehr auch als die fortgesetzte Widersetzlichkeit gegen einen kurfürstlichen Hofkriegsrat, vielmehr um eine Verhöhnung des kurtrierischen Militärs, gleichsam um eine sinnbildliche Handlung, die ein peinliches Unglück der kurfürstlichen Armee verspotten sollte.
Der Fremde, dem allerlei Teufel um die schwarzen, sauber rasierten Mundwinkel hingen, fragte, indem er wie zum Scherz mit seiner großen Hand so kräftig in die Latten des Verschlages griff, daß eine davon krachte: ob es einem Hofkriegsrat zu sagen nicht beliebe, welcher Art dies kurtrierische Soldatenunglück gewesen sei?
Worauf der Präsident verdutzt an seinen Räten vorbei sah, die nacheinander die Köpfe schüttelten. In seltsamer Verlegenheit diktierte er sodann dem Schreiber ein Protokoll, wonach das Verhör wegen Frechheit des Beklagten zu vertagen wäre. Hierauf wurde der aus seinem Lattenverschlag herausgelassen und zwischen Bajonetten zurück ins Stockhaus gebracht.
Das peinliche Unglück der kurtrierischen Armee hatte im Jahr vorher den folgenden Verlauf genommen: Zu einem raschen Feldzug ausgerückt, um den Oraniern das heilkräftige Bad Selters zu entreißen, waren die Trierer von einem frühen Winter grausam überfallen worden, so daß sie, die an einem blauen Oktobermorgen in leichten Kleidern unter vieler Musik und starkem Fahnenschwenken über den schimmernden Rhein gefahren waren, an einem grimmig kalten Novemberabend in Kopftücher, Mäntel und Frauenkleider jeder Herkunft verpackt, verdrießlich und verfroren in ihre Quartiere zurückschlichen. Seitdem ging bei den spöttischen Koblenzern und weit herum am Rhein unter Anspielungen schlimmer Art die üble Rede; den Kurtrierern sei in diesem Feldzug etwas wesentliches erfroren.
So waren die Hofkriegsräte gerade da empfindlich, wo er sich bei dem Schilderhaus vergangen hatte; und weil er sich in den folgenden Verhören nicht ehrfürchtiger benahm, vielmehr mit Reden kam, die in verfänglicher Weise auf jenes Unglück deuteten — ob die kurtrierischen Schildwachen so frostempfindlich wären, daß es ihnen gestattet sei, vor jedem Wind ins Schildhaus zu kriechen? — verloren die Hofkriegsleute alle Kaltblütigkeit und es fehlte nicht an Stimmen, die ihm zum Hut auch kurzerhand den frechen Kopf abnehmen wollten.
Nur hätte man schon um der Akten willen gern gewußt, wessen Kopf der kurtrierischen Obrigkeit derart verfallen war; der Fremde aber verweigerte hartnäckig Stand wie Namen. Indem man anfing, danach zu forschen, kamen in den allzu rasch begonnenen Prozeß sehr bald Bedenken und Nachrichten schlimmer Art. Es dauerte nicht lange, so wußte man, daß der Gefangene von Herkunft Mantuaner und ein Graf Terzi de Sissa wäre, der Oberst eines kaiserlichen Regiments von drei Bataillonen, deren jedes stärker war als die beleidigte Armee. Auch war die Vorliebe des Kaisers für den Grafen in Koblenz nicht unbekannt, und als nach einigen Wochen die Nachfragen aus Wien anfingen nach dem Obersten, der auf einer Sendung zur kaiserlichen Schwester Marie Christine, Statthalterin der Niederlande, in der Gegend von Koblenz verschollen wäre, da gab es für den Fremden im Stockhaus keine Verhöre mehr, wohl aber für den Hofkriegsrat betrübliche Geheimversammlungen, wobei die voreilige Schildwache mitsamt dem Fähnrich grob angefahren wurde. Den Grafen zu verurteilen, wenn auch nicht gleich zum Tode, wie die Hitzigsten anfänglich gewollt hatten, so doch zu einer Strafe, die seine lange Vorhaft rechtfertigte, dazu war ihnen das Temperament Josephs II. zu wohlbekannt; ihn freizugeben, das hätte sie am Rhein in Lächerlichkeit gebracht, soweit man mit verhaltener Lustigkeit auf den Ausgang dieses seltsamen Handels lauerte.
So verfielen die bedrängten Herren auf einen Ausweg, der gar nicht übel berechnet war. Sie eröffneten dem Knecht des Grafen insgeheim: sein Herr habe sich zwar gröblich gegen die kurtrierische Majestät vergangen und der Hofkriegsrat müsse zu schwerer Strafe kommen; doch wolle man ihn um seiner Reichsverdienste willen gnädigst entwischen lassen. Der Kutscher nahm auch die Gefängnisschlüssel, brachte sie jedoch am ändern Morgen dem Präsidenten betrübt zurück: Sein Herr sei ganz benommen durch den gründlichen Ernst kurtrierischer Rechtspflege; er wollte sich der Aufsicht eines zu gerechten Hofkriegsrates nicht voreilig entziehen und in Geduld den Spruch erwarten. So fiel mit einem bösen Krach das letzte Türchen zu, durch das die richterlichen Räte sich vor den rheinischen Spottmäulern hatten retten wollen. Und nun kam an den Kurfürsten Klemens Wenzeslaus ein kaiserliches Handschreiben, wodurch der Handel rasch zu einem politischen wurde, denn obgleich als Vetter dem Kaiser Joseph II. verwandt, hatte sich der Kurfürst dessen Reformen oftmals widersetzt, und so war dieses Schreiben nicht eben sparsam mit seinem Hohn.
Klemens Wenzeslaus, der gerade sein neues Residenzschloß baute und überhaupt nicht ohne Gefahr gestört werden durfte, wurde gleich aufs äußerste gereizt und gab den Hofkriegsräten zornigen Bescheid, den Grafen seines Weges zu lassen! Dagegen gaben die in einer juristisch gewundenen Schrift die Unmöglichkeit zurück, in dieser Zeit, da aus Frankreich allerhand bedrohliche Gerüchte kämen, ein kurtrierisches Gericht und also eine kurtrierische Obrigkeit dem Gelächter eines Volkes preiszugeben, das längst schon den göttlichen Ursprung aller weltlichen Autorität bezweifle. Es gab durch viele Tage ein Hin- und Hergeschreibe, Sitzungen, Kommissionen und Gutachten: es schien, als sollte das kurtrierische Regierungswerk über dem konfiszierten Hut des Grafen zusammenstürzen. Schließlich sandte der Kurfürst, der nun schon mit in diese Zwickmühle geraten war, seinen Geheimrat Metternich zum Grafen, der ihm noch einmal um aller Autorität der Welt willen und sehr verbindlich zuredete, zu entfliehen.
Der Graf war gegen ihn wie ein feiner Weltmann zum ändern; er versicherte ihn und den Kurfürsten seiner Ergebenheit, aber als kaiserlicher Gesandter könne er nicht einem Gericht, das unter kaiserlicher Hoheit stände, davonlaufen.
Nachdem beinahe jede Post ein Handschreiben des Kaisers gebracht hatte, worin die Freilassung des Grafen gebieterisch gefordert wurde, war das letzte in einem Ton gehalten, wie wenn der Einmarsch der kaiserlichen Armee bevorstünde. Der Hofkriegsrat wäre längst bereit gewesen, den ungebärdigen Grafen auf jede Weise zu entlassen; aber nun war der Kurfürst, durch den Ton des Kaisers aufs äußerste verstimmt, in eine Hartnäckigkeit verfallen, die von keiner Freilassung hören wollte und ein schlimmes Ende dieses rasch begonnenen Handelns befürchten ließ. Zum Glück besaß er in dem Geheimrat Metternich einen Mann, der die Diplomatie als ein Kunstspiel behandelte, darin ein paar Frauenhände die Trümpfe halten müssen. Diesmal gehörten sie der Statthalterin der Niederlande, Marie Christine, der eigensinnigen Schwester ihres eigensinnigen Bruders Joseph II.
Metternich schrieb insgeheim an ihren Gemahl, den Herzog Albert von Sachsen-Teschen (den Gründer der sogenannten „Albertina“), der ein Bruder des Kurfürsten Klemens Wenzeslaus war, eine ausführliche Darlegung des Streites und seiner peinlichen Ursache: Er möge um der Ruhe des genugsam bedrohten Deutschen Reiches willen auf seine Gemahlin einwirken, daß sie den ihr nicht unbekannten Grafen Terzi von seinem Starrsinn abbringe. Der Herzog, der als Prinzgemahl nicht sonderlichen Mut bei seiner Gattin hatte, mußte eine milde Stimmung abwarten, ehe er mit einem solchen Anliegen vor sie kommen durfte. Es war eine gute Dämmerstunde, als er mit dem Brief des Geheimrates zu ihr ging; und obwohl sie zunächst argwöhnte, daß er gegen ihr Verbot doch wieder mit der Handzeichnung eines alten Meisters käme, blieb sie gemächlich auf dem Polster liegen und erlaubte ihm, zwar etwas befremdet, auch wohl ein wenig lüstern, die Kammerfrau hinauszusenden. Nun war ihm, der solche Umständlichkeiten machte, .um Zeit zu gewinnen, der Brief zwar eine Erleichterung seines kitzligen Auftrages, aber er wand sich doch so lange um das eigentliche Verbrechen herum, daß es schließlich wie der wohlüberlegte Witz am Schluß einer lustigen Erzählung heraus kam. Worauf die Erzherzogin, die ebenso launisch wie zu tollen Lustigkeiten geneigt war, in ein Vergnügen sondergleichen geriet und, manches unbeholfene Wort der Beichte unter hellem Gelächter vielmals wiederholend, ihrem Gemahl versprach, diesmal die kurtrierischen und österreichischen Staaten trotz eines so außerordentlichen Anlasses vor einem Bürgerkrieg zu bewahren und den anscheinend sehr bequemen Grafen aus seinem Winterschlaf ins Stockhaus zu bringen. Da sie gleich ihrem kaiserlichen Bruder raschen Geistes und voll Einfall war, eine Erbschaft ihrer Mutter Maria Theresia, ging schon am ändern Tag ein Reiter mit Briefen nach Koblenz ab, von denen der an den geistlichen Kurfürsten zu Trier, ihren Schwager, nach allerlei verbindlichen Anspielungen eine damals viel erzählte Geschichte folgendermaßen wiedergab:
„Ich weiß nicht, ob Ew. Liebden von jener Damengesellschaft der gelehrten Friederike Brun Kenntnis genommen haben, wo deren Vater, Ew. Liebden Amtsgenosse Munter, ketzerischer Bischof auf Seelarid, sich ohne Bosheit arg betrug; sonst möchte ich sie wohl zugunsten meines Schützlings hier erzählen, sofern es mir als einem Frauenzimmer verstattet ist, die nötigen Ausdrücke aufs Papier zu geben. Ew. Liebden werden die geistreichen Schriften der Friederike Brun so wenig kennen, wie die gelehrten Betrachtungen ihres Vaters, aber nicht unbekannt sein mit jenen Geistern, die schon bei der Suppe in die Fragen der Menschheit geraten undnachher bei den Früchten den Weg aus dem tiefgründigen Altertum nicht wieder zurückfinden.
Marienthal
Klosterruine der Augustinerinnen
Gesamtansicht von S.
Photo: Landesbildstelle Rheinland-Pfalz
So war auch jener Herr von Seeland über dem Mahl und einigen guten Weinen tief in die Mysterien von Samothrake versunken, und als seine Tochter und Gastgeberin die Geladenen zum Kaffee in das Lusthaus des Gartens bat, war er in diesem nach langer Sitzung erlösenden Auszug der Hintermann, den nichts mehr an die Sinnenwelt fesselte als einzig die Empfindung, sehr viel Flüssigkeit im Leibe zu haben. Als sich vor ihm eine schöne Platane erhob, tat er sich keinen Zwang mehr an, den Überfluß laufen zu lassen — zum Entsetzen aller Damen; denn gemalt war die Platane, dahinter er sich verborgen glaubte, gemalt, so wie der ganze Garten mit dem Lusthaus. Nicht anders mag jener tapfere Graf Terzi in das Verbrechen gegen Ew. Liebden kurfürstliche Hoheit geraten sein; ich glaube nicht, daß ihn nach einer langen Wagenfahrt Ew. Liebden kurtrierische Landesfarben noch erst zu reizen ‚brauchten. Wenn übrigens besagte Landesfarben auch gelitten haben sollten, was bei dem Regenwetter nicht wahrscheinlich ist: ich glaube nicht, daß Ew. Liebden und des kurtrierischen Fürstentums Bestand im Ernst solcherart gefährdet werden kann, sonst möchte ich wohl raten, schon der Hunde wegen die Landesfarben an den Schilderhäuschen und Grenzpfählen auszulöschen.“
Dem Grafen Terzi de Sissa aber schrieb sie ein Billett wie folgt:
„Ich höre, daß Sie auf eine ebenso eigentümliche wie unpassende Art einen Krieg gegen die kurtrierischen Landesfarben begonnen haben. Weil dabei aber keine Schlacht, sondern nur ein Hut zu verlieren ist, möchte ich wohl raten und auch bitten, die Waffen diesmal einzustecken und davon zu laufen. Was soll das für ein Krieg sein, wo Eure drei Bataillone derartig gegen das kurtrierische Fürstentum gezogen kämen! Im übrigen verlangt mich sehr zu spüren, was Euer Herr, mein kaiserlicher Bruder, Euch für mich aufgegeben hat.“
Nach diesem nicht unbedenklichen Billett blieb dem Grafen Terzi de Sissa, der sich unterdessen im Stockhaus für einen langen Aufenthalt eingerichtet hatte, nur die Pflicht, die Erzherzogin vor der weiteren Verfolgung eines so delikaten Briefwechsels zu bewahren. Er ließ also den Hofkriegsräten durch ein nicht eben heimliches Laufschreiben sagen, daß man zum selben Abend alles für seine Flucht vorbereiten und ihm den Geheimrat Metternich als Führer zusenden möge, damit er ihrer scharfen Obhut entginge. Metternich, der wie ein guter Spieler nur Trumpf zu ziehen pflegte, wenn er der anderen Stiche sicher war, hatte in guter Erwartung den Kutscher mit dem Wagen des Grafen schon vorausgesandt nach Andernach, wo das kurtrierische Fürstentum zu Ende war. Er selber fuhr zum Abend am Stockhaus vor, der kurfürstliche Leibdiener sprang vom Bock und half dem Fremden, der schon seit einer Viertelstunde reisefertig in dem Hof hin und her gegangen war, in den Wagen; und so ging endlich diese Flucht vonstatten, worauf der oberste Gerichtshof des Landes samt einer neugierigen Bürgerschaft seit Monaten gewartet hatte, der Hofkriegsrat mit Ungeduld und auch Verzweiflung, die Bürger mit einer immer größeren Lustigkeit, die am ändern Morgen wie ein helles Strohfeuer durch die Rheinstraßen sprang und noch nach Jahren wieder zu brennen anfing, wenn ein Schalk in die Asche seiner heiteren Erinnerung blies.