Die Belagerung Ahrweilers 1474 – Episode aus der Kölner Stiftsfehde
Fast ein halbes Jahrhunden lang wurde das Erzstift Köln von Dietrich von Moers regiert (1414-1463). Nach seinem Tode war das Erzstift bankrott. Die Stände versuchten nun, ein weiteres selbstherrliches Regieren zu verhindern. Mit der Erblandesvereinigung von 1463 schalteten sie sich in die Verwaltung des Landes ein. Der neu gewählte Erzbischof mußte durch Eid diese Erblandesvereinigung anerkennen und sich hinsichtlich aller wichtigen Maßnahmen an die Zustimmung der Stände binden.
Der Nachfolger Dietrichs war Ruprecht, der Bruder des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz. Erzbischof Ruprecht strebte selbstverständlich danach. seine Einnahmen zu mehren und die unter seinem Vorgänger verpfändelen kurkölnischen Ämter, Burgen, Städte und Dörfer zurückzugewinnen. Daneben ging Ruprecht auch daran, die sich im Mittelalter herausgebildeten Privilegien der Städte zu beschneiden. Mit dieser Politik macht man sich natürlich keine Freunde. Bei der Erhöhung der Steuern stieß der neue Erzbischof auf den entschiedenen Widerstand der Stände, des Domkapitels, der Grafen. Ritter und Städte seines Landes. Als der Erzbischof versuchte, die Stadt Neuss im Handstreich einzunehmen, war der Bruch vollständig. Am 24. März 1473 teilen Dechant und Kapitel des Domes zu Köln Bürgermeister, Schöffen, Rat und der ganzen Gemeinde Ahrweiler mit: Nachdem Erzbischof Ruprecht die Kölner Kirche und das Erzstifi so sehr geschädigt hat, haben sich Kapitel, Edelleute. Ritterschaft, Städte und „gemeine Landschaft“ des Erzstiftes zu einer „Landvereinigung'“ zusammengeschlossen. die nicht mehr dem Erzbischof, sondern dem Domkapitel gehorsam sein will. Das Kapitel erwählt zum „Hauptmann, Beschirmer und Verweser“ des Stifts den Mitkanoniker Hermann. Landgraf zu Hessen. Der Stadt Ahrweiler wird befohlen, nur diesem künftig gehorsam zu sein. gemäß der „Landvereinigung“‚1). Am 7. April fordert Erzbischof Ruprecht die Stadt Ahrweiler auf. sofort zu ihm zurückzukehren und ihm gehorsam zu sein2). Die Städte Linz. Remagen, Sinzig. Breisig, Unkel und Erpel blieben auf Seiten Ruprechts. Der Casus belli tritt ein, als Hermann von Hessen, das Domkapitel, die Ritter des Erzstiftes und die Städte Bonn, Andernach, Ahrweiler und Neuss mit der Stadt Köln für 100 Jahre ein Trutzbündnis schließen3).
Ahrweiler auf einem Flugblatt des 17. Jahrhunderts
Die Belagerung
Auch Kaiser Friedrich erkannte Hermann von Hessen an. Aber Ruprecht dachte nicht daran zu resignieren. Zunächst wurde am 14. April 1474 die Stadt Ahrweiler. das vermeintlich schwächste Glied in der Kette der Gegner, von den Truppen Ruprechts eingeschlosscn. Das Angriffsheer wurde angeführt von Eberhard von Arenberg, dem Grafen Dietrich von Manderscheid und seinen Söhnen. Johann von Salm und Reifferscheid und dem Burggrafen von Rheineck. Trotz des Einsatzes schwerer Waffen, einige Kugeln sind noch eingemauert im Obenor zu Ahrweiler zu besichtigen, brachte die Belagerung nicht den erhofften schnellen Sieg. „Er (Ruprecht) lagerte damals mit einem starken Heerhaufen vor Ahrweiler. dessen Bürger sich gemäß einem Schreiben Sudermanns (Heinrich Sudermann, Ratsherr und Bürgermeister in Köln) an den Erzbischof von Trier frömmlich wehrten und wohl getröstet waren, bald entsetzt zu werden.4) Die Hoffnung auf Hilfe von außen stärkte also den Kampfeswillen der Ahrweiler Bürger. Das Problem der Verteidiger war wohl die relativ schwach besetzte Stadtmauer. Ahrweiler hatte damals ca. 1000 Einwohner. Wenn man schätzt, daß davon höchstens 200 Mann im wehrfähigen Alter waren. so ist das für eine dauerhafte Verteidigung auf einer 1.8 km langen Stadtmauer nicht eben viel. Der Kampf tobte mit großer Heftigkeit. Auf beiden Seiten der Mauer.gab es Tote. Gemäß dem geschlossenen Trutzbündnis versuchten die Verbündeten, die eingeschlossene Stadt Ahrweiler zu entsetzen. Die Städte Andernach und Bonn stellten in Bonn ein Entsatzheer zusammen5). Ob nun die feindlichen Heerführer durch dieses Entsatzheer gezwungen wurden, die Belagerung ergebnislos abzubrechen. oder ob sie wegen der am 20. Mai zu Maastricht anberaumten Friedensverhandlungen abzogen, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Jedenfalls seit der Nacht von St. Severin (=12. Mai) zog das Belagerungsheer von Ahrweiler ab.
Das Obertor der Ahrweiler Stadtbefestigung, die zu den am besten erhaltenen Stadtmauern im Rheinland zählt
Verbrannte Erde
Die abziehende Soldateska hinterließ rings um Ahrweiler eine verbrannte Erde. Die Dörfer Walporzheim, Geroldsho-ven und Gisenhoven wurden dem Erdboden gleich gemacht, die fliehenden Menschen erschlagen6). Auch der Turm vor der Stadt wurde angegriffen und zerstört. Die Nikolaus-Kapelle dort wurde ebenfalls ruiniert, wie wir aus einem Spendenaufruf vom 12. September 1487 wissen, als Graf Philipp von Virneburg, der Besitzer des Roten Turmes vor der Stadt Ahrweiler, die Bevölkerung für eine Spende zum Wiederaufbau der bei der Belagerung Ahrweilers zerstörten Kapelle aufruft7).
Aber diese Aktion hatte keinen Erfolg8).
Die bisher vertretene Meinung. die Angriffe seien aus der Wasserburg, dem Roten Turm, heraus gegen die Stadt geführt worden, ist somit widerlegt. Beim Abzug der erzbischöflichen Truppen wurden die Weinstöcke und Obstbäume in der Gemarkung Ahrweiler ausgeschlagen. Die Weingärten der ringsum liegenden Dörfer wurden so abgehauen, zerstört und verwüstet, daß nichts mehr wachsen konnte9). Nur Bachem, auf das die Grafschaft Neuenahr Anspruch erhob, wurde verschont, weil die Grafschaft selbst ja kurpfälzisches Lehen war. Die Weiler Walporzheim und Geroldshoven wurden wieder aufgebaut. Der Weiler Gisenhoven vor dem Obertor scheint außer der Burg und der dazugehörenden Mühle wüst geworden zu sein. denn Gisenhoven taucht seit dieser Zeit nur noch als Lagebezeichnung auf. Wohl gab es Bemühungen zu einem Wiederaufbau.
In der Koelhoffschen Chronik wird von der Begebenheit berichtet: In dem selven jair wart Arwilre belacht van buschof Ropert ind sine vrunde, ind laegen daivur umbtrint 3 wechen, ind moisten dae mit schänden upbrechen.10)
Damit war aber Ahrweiler zunächst als Gegner ausgeschaltet, da die Bürger mit dem Verlust ihrer Weinberge einen großen Teil ihrer Lebensgrundlage verloren hatten. Ahrweiler Truppen griffen, so weit erkennbar, nicht mehr ins Geschehen ein.
Einer der Anführer der erzbischöflichen Truppen vor Ahrweiler, der Graf von Manderscheid, stellt jedenfalls am 29. Juli 1474 seinem Herrn acht Tonnen Pulver und eine Tonne Armbrustpfeile für den Kampf vor Ahrweiler in Rechnung, zahlbar bis zum Heiligen Abend, entweder in Material oder in Geld11).
Zwischenzeitlich hatte sich Ruprecht nach Verbündeten umgesehen. Er fand Unterstützung bei dem mächtigsten Fürsten in Westeuropa jener Tage, seinem Vetter, dem Herzog Karl dem Kühnen von Burgund. Ruprecht ernannte Karl zum Schirmvogt über das Erzstift Köln. Am 21. Juni 1474 zog Karl der Kühne mit einem glänzenden Heer von 16000 Mann und dem Nimbus der Unbesiegbarkeit nach Neuss, um diese Stadt, die von Hermann von Hessen verteidigt wurde, zu erobern.
Inzwischen hatte der Kaiser dem Herzog von Burgund den Reichskrieg erklärt. Am 9. Januar 1475 hatte Erzbischof Johann von Trier Breisig und Sinzig kampflos eingenommen und am 15. Januar eroberte der Brandenburger Albrecht Achilles die Stadt Remagen. Am 17. Januarwurde Linz für 8 Tage eingeschlossen. Am 2. Februar begann die erneute Belagerung von Linz. Weil die burgundi-sche Besatzung so stark war, hatten die Angreifer erhebliche Mühe. Gegenüber in Kripp wurde ein Bollwerk errichtet, aus dem das Belagerungsheer mit Nachschub versorgt wurde. Dieses Bollwerk war hauptsächlich von Andernacher Bürgern besetzt. Diese traf ein großes Unglück, als bei einem Angriff durch die burgundischen Truppen die Pulvervorräte in die Luft flogen und etwa 100 Andernach-er Bürger ihr Leben lassen mußten12). Trotzdem wurde Linz am 7. März erobert, und das kaiserliche Heer konnte sich Neuss nähern.
Dennoch kam im Ahrtal noch einmal Angst auf. Die Stadt Köln gab Warnung, daß ein burgundischer Vorstoß unter Eberhard von Marck-Arenberg geplant sei, um die Städte Bonn. Ahrweiler, Remagen, Sinzig und Andernach zu erobern. Aber der Plan blieb im Ansatz stecken.
Am 5. Juni 1475 mußte auch Karl der Kühne die Belagerung von Neuss abbrechen. Damit war die Sache des Ruprecht von der Pfalz verloren und Hermann von Hessen wurde allgemein als Erzbischof anerkannt.
Katastrophe für Ahrweiler
Der neue Erzbischof versprach Bürgermeister, Schöffen. Rat und Gemeinde der Stadt Ahrweiler, die ihm auf päpstlichen, kaiserlichen und Befehl des Domkapitels gehuldigt hatten, sie bei allen Freiheiten. Privilegien usw. zu belassen und sie darin zu schützen. Für Ahrweiler aber war diese Episode des sogenannten erzstiftischen Krieges eine Katastrophe. denn wohl hatten Mauern und Stadttore den Feinden standgehalten, aber die wirtschaftliche Lebensgrundlage der Bevölkerung, die Weinstöcke und die Obstbäume waren vernichtet. Es sollte Jahrzehnte dauern, bis sich die Bevölkerung von diesem Schlage erholte. Fast 100 Jahre später waren noch nicht alle Weinberge rekultiviert. Der damalige Pfarrer Wauer lag mit dem Herrn von Pützfeld wegen einer solchen Neuanlage, eines im erzstiftischen Krieg ausgeschlagenen Weinbergs am Spintberg in Walporzheim. im Streit13). Der Pfarrer argumentierte, hier sei keine normale Neubepflanzung vorgenommen worden, sondern eine Rodung und dessen Zehnt stünde nach altem Recht und Herkommen ihm, dem Pfarrer von Ahrweiler. zu.
Anmerkungen:
- Quellen zur Geschichte der Stdt Ahrweiler, bearb. von Robert Bous und Hans-Georg Klein, nr. 750, Bad Neuenahr-Ahrweiler 1998
- Quellen, nr. 752
- Quellen, nr. 754
- Quellen, nr. 762
- Quellen, nr. 762
- Quellen, nr. 762
- Quellen, nr. 811
- Quellen, nr. 762
- Quellen, nr. 811
- Quellen, nr. 762
- Quellen, nr. 765
- Huiskes, Manfred, Zeitzeugenberichte über die Andernacher Kathastrophe vor Linz am Julianentag des Jahres 1475. S. 51 ff. in: Die Andernacher Bäckerjungen – Hintergründe einer Sage -, Andernach 1994
- Quellen, nr. 762