Die Arenberger Gerichtsscheffen haben Sorgen
Von W. Knippler
Vor der Scheffenkiste sitzen die Gemeindescheffen Josef Udelhofen und Johannes Siegel.
U. „Der Erbprinz hat sein Augenlicht endgültig verloren.“
S. „Es jährt sich bald, daß ihm sein Freund in beide Augen schoß.“
U. „Dabei war Ludwig Engelbert hier bei den Bauern so gut gelitten wie kaum ein anderer Arenberger vor ihm.“
S. „Es trifft immer die Besten! — Doch was hast du hier auf die Seite gelegt?“
U. „Eauter Ordnungen! Wald-, Weide-, Jagd- und Diebsordnungen! Die letzte und größte ist die Forst- und Büschordnung vom vergangenen Jahr. Heute aber habe ich andere Sorgen. Der Rentmeister Senftleben hat mir den neuen Hebezettel geschickt. Ich soll sofort den Aufheber rundgehen lassen.“
S. „Die Steuer sollte doch gesenkt werden wegen des Mißjahres 1772?“
U. „Kein Gedanke daran! Es wird viele Säumige geben. Die Gemeinde kann auch nicht mehr weiter. Hier ist wieder eine neue Rechnung: 3 Reichstaler, 56 Albus, 4 Heller für das Gerems am Kirchhof. Die 200 Rtlr., die wir uns vor vier Jahren geliehen, sind verbraucht, und das Gesuch um Hauerlaubnis ist noch nicht vom Hof zurück. Hoffentlich bringen wenigstens die Pferdefuhrwerke noch ordentlich Geld in die Häuser! Manche fahren ja das Eisen von den herzoglichen Hütten bis nach Brabant.“
S. Trotzdem ist der Verdienst oft nicht weit her. Ich habe neulich an einer Karre mit 13 Ztr. Schmiedeeisen, die ich nach Köln fuhr, 26 Albus zugesetzt.“
U. „Und für was wird das Steuergeld vertan! Unsere Bauern haben kein Verständnis für teure Gartenanlagen und Marmortreppen. Ich will eine erneute Beschwerde einreichen wegen der Steuerlasten.“
Der Landbote kommt. Er hat den Viehbestand Arenbergs aufgenommen und berichtet, daß in 48 Gehöften 28 Pferde, 121 Kühe, 15 Ziegen und 150 Schafe gezählt wurden.
U. „Was gibt es sonst?“
L. „Der Wirt Sturm gibt mir keinen Botenwein und setzt eigenmächtig die Branntweintaxe fest.“
U. „Ich werde mit dem Sturm reden. Du denkst zuerst aber auch immer nur an das Trinken. Ich wollte hören, was man dir in den Häusern zugetragen hat. Dir schüttet doch jeder sein Herz aus!“
L. „Die Arenberger können sich mit dem trierischen Geld nicht befreunden. Dann haben sie großen Ärger wegen der Grundbieren (Kartoffeln).“
U. „Dann sag‘ allen, was ich hier in meiner Beschwerde an den Herzog geschrieben:
drittens wollen wir erinnert haben, daß die Herzögl. Regierung wolle überlegen und zu Gemüt führen, daß der Geldkurs im Land große Betrügereien nach sich zieht und daß, sofern es möglich, unsere Landsteuer in kölnischem Kurs gezahlt werden kann,
viertens und letztens: Es geschieht uns großer Schaden von wildem Getier, Wildschwein und Hirsch, welche uns unsere Freude verderben und dieses Jahr schon wieder die so teuer gekaufte Grundbiere ausgewühlt, wo uns doch versprochen worden, solch wild Getier wegzuschießen.“
S. „Das hast du gut geschrieben. An wen willst du es weitergeben?“
U. „Nicht an den Lebens. Über diesen Statthalter beschweren sich viele Gemeinden. An den Hof direkt dürfen wir uns aber nicht wenden.“
S. „Nein, das dürfen nur die Pastöre. Und die laufen dabei noch Gefahr, böse anzuecken.“
U. „Wir geben die Bittschrift wieder dem Lersch. Der Landschultheiß hat uns kürzlich bei den Grenzstreitigkeiten gegen Dorsel gerecht vertreten. Zu ihm dürfen wir Vertrauen haben.“
S. „Peter kann das Gesuch mitnehmen zum Landschreiber, daß er es ins Reine schreibt.“
U. „Hier habe ich noch den Auszug aus dem Herrengedingsprotokoll. Frische Hagen mit Apfelbäumen mußten angelegt werden. Saumselige müssen wir melden. „Wer gehört dazu?“
S. „Der Simon. Der hat auch nicht seine vorgeschriebene Rutenzahl an der Kohlstraße in Ordnung gebracht.“
U. „Baufällige Häuser müssen instandgesetzt werden.“
S. „Das gilt dem Raders und dem Aldenhoven.“
U. „Beim nächsten Herrengedinge sollen die Arenberger bei Verlesung ihrer Namen ihre Laternen vorzeigen! Die neuen Feuereimer gehören in den Kirchturm. Die Kamin-, Brech- und Backöfen werden nächste Woche nachgesehen. Es folgt noch ein Verbot für Tabakspfeifen am gefährlichen Ort.
Peter, mach‘ das bekannt nach Läutung der Herren- und Gemeindeglocken, wie’s drauf steht!“
S. „Ich gehe noch einmal zum Simon. Vielleicht brauchen wir ihn dann nicht zu melden.“
Udelhofen legt die Akten in die Scheffenkiste, denkt eine Weile darüber nach, wo man den Doktor Eisenhuth, den angekündigten neuen Arzt, unterbringen könnte, und vertieft sich in Galiberts Landmaßbuch von 1764.