Die „Alte Linie“ von Ahrweiler nach Ramersbach
Die Verbindungsstraße von Ahrweiler nach Ramersbach ist im Volksmund als „Alte Linie“ bekannt. Es handelt sich dabei um eine geschichtsträchtige Wegstrecke. Die Entstehungszeit und der Ursprung des Namens „Alte Linie“ sind nicht belegt. Ihre Bedeutung als Verbindungsweg wird aber durch archäologische Spuren dokumentiert. Ein Gang entlang des Bergwegs „Alter Linie“ kann somit Einblick in die Heimatgeschichte gewähren.
Die Alte Mauer
Einen alten Siedlungsrest haben wir noch im Bereich der „Alten Mauer“, die etwa 1,5 km nördlich von Ramersbach entfernt im Ahrweiler Wald liegt. Hier war wohl der Mittelpunkt einer keltischen Fliehburg. Das Entstehungsjahr der Anlage vermuten Wissenschaftler in der Zeit zwischen 600 und 500 v. Chr.. Diese Anlage hatten sich vermutlich Siedler der Umgebung geschaffen, um in Zeiten der Gefahr Schutz vor Angreifern zu finden. Zwar hebt sich diese vorchristliche Anlage noch deutlich vom Gelände ab, jedoch wurde sie leider zur
Steingewinnung für den Straßenbau von Ahrweiler nach Ramersbach ausgebeutet und dabei so stark zerstört, sodass sich ihre Ausdehnung und der ursprüngliche Zustand heute nicht mehr genau feststellen lassen. Aus diesem Grund wird die „Alte Mauer“ ihr Geheimnis nicht mehr preisgeben.
Die römische Eisenschmelze
Ein weiterer geschichtlicher Ort entlang der „Alten Linie“ ist die römische Eisenschmelze. Dem Ahrweiler Museumsleiter Johannes Lilienthal war bei seinen Exkursionen im Ahrweiler Wald der Bewuchs von Ilex aufgefallen, was er als Hinweis auf eine römische Besiedlung wertete. 1956 begann Lilienthal mit seinem Freunden, dem Lehrer und Pflanzenkenner Peter Herber, Paul Simon und Willy Koch mit einer Suchgrabung. Als die Grundmauern von Gebäuden angeschnitten und erste Funde ans Tageslicht kamen, wuchs die Begeisterung der vier Ahrweiler Hobbyarchäologen. Die Anzeichen sprachen dafür, dass sie eine römische Siedlung entdeckt hatten. Sie informierten das Institut für Vor- und Frühgeschichte der Universität Bonn. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Professor Dr. Otto Kleemann wurde zwischen 1959 – 1965 Flächengrabung durchgeführt. Deren Ziel war die vollständige Freilegung der archäologischen Reste. Vor allem suchte man hierbei Aufschluss zu erhalten über die Ausdehnung, den Aufbau, die Funktion und Zweckbestimmung der Gebäude. Bei den Grabungen wurden die Grundmauern von Gebäuden und die Anlage einer Eisenschmelze, in der Roheisenerze verhüttet wurden, freilegt. Unter den zahlreichen Kleinfunden befanden sich Münzen, Waffen, Krüge und Gerätschaften früherer Bewohner, die unverkennbar über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten bis zum Ende der Römerzeit zugeordnet werden können. Die Presse beschrieb den Fundort Anfang der 1960er Jahre als „Eine Stadt unter dem Waldboden an der Alten Linie …“.
Ausgrabungen der römischen Eisenschmelzanlage im Ahrweiler Stadtwald, um 1960
Der Verbindungsweg
Bis zum Ausbau der heutigen Landstraße L 84 im Jahre 1913/14 war die sogenannte „Alte Linie“ der einzige Verbindungsweg von Ramersbach zu dem für die Bewohner so wichtigen Marktplatz Ahrweiler. Die Unterhaltung des Verbindungsweges oblag der Gemeinde als Daueraufgabe. Aufgrund fehlender Mittel der armen Gemeinde Ramersbach blieb der Verbindungsweg bis ins 19. Jahrhundert ein Feldweg ohne festen Unterbau. Streckenweise verengte er sich sogar fast bis zur Breite eines Fußweges. Deshalb konnte die „Alte Linie“ auch mit Fuhrwerken fast nur bei trockenem Wetter befahren werden, wobei selbst dann oft noch ein Vorspann erforderlich war. Der Personen- und Warenverkehr war aus diesem Grunde während des ganzen Jahres eingeschränkt, was sich besonders auch bei Notfällen nachteilig auswirkte, so z. B. bei Dorfbränden. 1736 brannten in Ramersbach 35 Häuser mit Stallungen ab, wobei auch noch zwei Tote zu beklagen waren. 1895 wurden 4 Anwesen Opfer der Flammen. Schnelle Hilfe aus umliegenden Orten konnte aufgrund der katastrophalen Straßenverhältnisse nicht herbeigeholt werden.. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde dadurch 1904 der Bau der Ramersbacher Schule und 1908 der der Ramersbacher Kirche stark behindert, weil der Materialtransport über die „Alte Linie“ schwierig war. Das traf auch 1910 beim Bau der Wasserleitung zu. Der Chronist berichtet über die Transportschwierigkeiten: „Im November wurde endlich mit dem Bau der Wasserleitung begonnen. Die Erdarbeiten wurden sehr erschwert durch den felsigen Boden hiesiger Gegend. Auch das Anfahren der Rohre bereitet nicht geringe Schwierigkeiten, da der Fuhrweg durch den Ahrweiler-Stadtwald in einem Zustande ist, der jeder Beschreibung spottet. Man braucht kein Tierschutzvereinsschwärmer zu sein, um das arme Zugvieh zu bedauern, das den Lastwagen durch den meterhohen Schlamm des holperigen, ausgefahrenen Weges ziehen muß. Ein Auto, das sich jüngst in unsere Gegend verirrte, hatte das zweifelhafte Vergnügen, im Schlamm stecken zu bleiben und die Hilfe von Waldarbeitern in Anspruch nehmen zu müssen.“
Straßenbau von Ahrweiler nach Ramersbach
Die 1912 eingeleitete Planung zum Bau einer besseren Verbindungsstraße zwischen Ramersbach und Ahrweiler erfolgte erst, nachdem ein über Jahrzehnte andauernder „Notschrei“ der Dorfbewohner von Ramersbach und der umliegenden Dörfern nach einer befahrbaren Straße Gehör fand. In einem Schreiben vom 13. Juni 1907 hatte der Bürgermeister des Amtes Königsfeld in Niederzissen bereits dem Landrat in Ahrweiler die Notsituation in Ramersbach folgendermaßen geschildert: „Ramersbach ist eine der ärmsten Zivilgemeinden. Die Bewohner bestehen aus Kleinbauern und Tagelöhnern. Einige suchen sogar Verdienst in der Bleiweißfabrik zu Burgbrohl. Da sie mangels der erforderlichen Mittel nicht auswärts in Kost und Logis gehen können, müssen dieselben den 4 Stunden weiten Weg von der Arbeitsstätte, täglich also 8 Stunden zurücklegen.“
Auch solche Eingaben blieben ohne Erfolg. Erst nach der Ernennung von Heinrich Rech als Pastor von Ramersbach kam Bewegung in die Sache. Nach seiner Amtseinführung im Juni 1908 setzte sich der streitbare Geistliche sofort für die von der Welt abgeschnittenen Ortschaften ein. Pfarrer Rech schrieb: Der Bau der Straße „… ist eine Lebensfrage der Bevölkerung von Ramersbach und des ganzen Hinterlandes. Sie dient der Industrie und ganz besonders den armen Taglöhnern und Holzhauern , die fast alle Güter von und nach Ramersbach über die schlechte, kaum befahrbare ‚Alte Linie’ transportieren müssen.“
Die Stadtverordnetenversammlung von Ahrweiler stimmte am 19. Oktober 1912 dem Bau einer Straße von Ahrweiler nach Ramersbach zu. In der Ahrweiler Zeitung vom 17. Juni 1913 wurden die Arbeiten für den Ausbau der 8 km langen Verbindungsstraße ausgeschrieben. Als Termin zu Abgabe der Angebote von im Wegebau erfahrenen Unternehmern war der 5. Juli 1913 vorgesehen. Den Zuschlag für dieses Straßenbauprojekt erhielt am 26. Juli 1913 der Bauunternehmer Peter Braun. Gebaut und fertiggestellt wurde die Straße 1913/14. Fortan hatten es die Bewohner wesentlich leichter, um nach Ahrweiler und zurück zu gelangen. Freilich entstand damals noch keine geteerte Straße, sondern eine mit Schotter befestigte. Allerdings war diese im Vergleich mit den früheren Straßenverhältnissen geradezu komfortabel. Auf dieser neuen Straße wurde 10 Jahre nach ihrer Fertigstellung im Jahre 1924 sogar ein großes Bergrennen von Ahrweiler nach Ramersbach veranstaltet. An dem Preisrennen das Deutschen Automobil Club nahmen laut zeitgenössischer Chronik rund 60 Autos teil. „In gewaltige Staubwolken eingehüllt brausten diese heran. Der schnellste Fahrer war in 11 2/5 Minuten am Ziel…“
Arbeiter beim Straßenbau 1913 an einer Schutzhütte
Heute schafft ein Personenwagen die gleiche Strecke bequem in 8 bis 10 Minuten. Die inzwischen mehrfach ausgebaute L 84 ist von Ahrweiler über Ramersbach eine wichtige Verbindungsstraße zum Nürburgring. Der Name „Alte Linie“ ist inzwischen fast schon ganz in Vergessenheit geraten. Das Projekt „Historische Straße“ der Landespflege in der Gesundheits- und Fitnissregion des Landkreises Ahrweiler erinnert aber u. a. durch den Eisenweg an die geschichtlichen Spuren an diesem alten Verbindungsweg.