Die Ahr-Version von Mariä Himmelfahrt in Pützfeld

Spektakuläre Aktion am 9. September 2005

Was störte die Ruhe im Ahrtal bei Pützfeld am Morgen des 9. September 2005, einem schönensonnigen Herbsttag? Ein Hubschrauber im Ahrtal – dies ist eigentlich nichts Ungewöhnliches und doch an diesem Tag etwas Besonderes. 

Langsam hebt sich der Hubschrauber mit einerkostbaren etwa 700 Kilogramm schweren Fracht an einem 70 m langen Seil über die Köpfe der Zuschauer, die sich nicht nur aus Pützfeld auf der Wiese unterhalb der Marien-Wallfahrtskapelle eingefunden haben. Alle Gespräche verstummen, die Blicke sind zum Himmel gerichtet…

Die Madonna mit dem Jesuskind im Arm schwebt langsam, in einem sicheren Stahlkäfigverpackt, an der Ahr entlang in Richtung Pützfeld. Dies sieht so aus, als wolle man ihr den Ort erst mal aus der Nähe zeigen, um dann den Anflug zu dem für sie vorgesehenen Standort anzusteuern.

Langsam senkt sich der Hubschrauber mit seinem „Käfig“ über der Kapelle. Millimeter genau findet die Statue ihren Platz auf dem Gerüst vor der Nische im Westportal der Pützfelder Marienwallfahrtskapelle!

In diesem Augenblick fällt die Anspannung ab von allen an dieser spektakulären Aktion Beteiligten.

„Premiere“ für Hubschrauberpiloten

Das Team der Fliegerstaffel West der Bundespolizei Sankt Augustin mit ihrem Leiter Andreas Hartmann flog an diesem Tag zum ersten Mal mit einer schweren Außenlast an einem 70 m langen Seil. Beim Testflug ohne Statue, mit dem sonst gebräuchlichen 50 Meter langen Stahlseil, ließ der Luftdruck der Rotorblätter die 33 Meter hohe Spitze der Kapelle vibrieren. Erst nach dem 2. Testflug konnte der Flug mit der Madonna beginnen.

Der Pilot Thomas Sperl am Steuer des Hubschraubers – einer SA 330 Puma -, der sonst Sandsäcke und Wassertanks transportiert, hatte so eine besondere Last – eine Madonna – noch nie am Haken. Nicht einmal sehen konnte er weder das verhältnismäßig kleine Paket unter ihm noch das Ziel – die vier mal fünf Meter große Plattform auf einem Schwerlastgerüst vor der Kapelle, das bündig abschloss mit dem Unterrand der Nische in 4,50 Metern Höhe über dem Portal der Kapelle. Er verließ sich auf seinen Kollegen, der durch die Luke am Boden schauen konnte und die Kommandos gab, bis die vier weitere Teammitglieder die am Fuße des Eisenkäfigs befestigte Rotationsleine vom Podest aus greifen konnten. 

Sicht der Zuschauer

Aus Sicht der Zuschauer, darunter auch Landrat Dr. Jürgen Pföhler, baumelte die Statue einmal Richtung Fels und Wald, dann Richtung Kapelle. So mancher Betrachter sah das Kunstwerk schon am Felsen zerschellen.„Wahnsinn“ brachte der sonst scheinbar durch fast nichts zu erschütternden Bildhauer Rudolf P. Schneider hervor. Vier Monate hatte er an dem Kunstwerk gearbeitet. Eine schreitende Madonna, aus dem wetterfesten, cremefarbenen tschechischen Trachyt-Stein gehauen, hatte seine Kreuzberger Werkstatt verlassen und ihren Platz gefunden. 

Förderverein ermöglichte Statue 

Vier Jahre zuvor hatte der Verein der Förderer der Marienwallfahrtkapelle zu Pützfeld entschieden, die noch fehlende Figur über dem Westportal durch einen Bildhauer anfertigen zu lassen. Keine leichte Aufgabe, mussten doch eine Reihe von Frage beantwortet werden. Wie hatten die Erbauer der Kapelle vor 325 Jahren diese Nische ausfüllen wollen? Einen Hinweis hierauf geben nur die unfertigen, roh behauenen Tuffsteinblöcke, die auch heute noch hinter der Kapelle liegen. Ein Block lässt den Umriss einer Muttergottes mit Kind erkennen. Wie muss eine Figur aussehen, die auch einen Bezug zu unserer heutigen Zeit darstellt? Es sollte ein Kunstwerk geschaffen werden, das sich harmonisch in das Gesamtbild der barocken Kapelle aus dem Jahre 1681 einfügt, aber erkennbar aus der heutigen Zeit stammt. So entwickelte sich die Idee, durch die Gespräche des Fördervereines mit Vertretern der Denkmalpflege und Theologen, eine Muttergottes mit Kind zu gestalten, die dem Pilger und Betrachter entgegenschreiten sollte.

Die Madonnenstatue wird per Hubschrauber zur Pützfelder Marienwallfahrtskapelle transportiert, 9. September 2005

Die „Schreitende Madonna“ von Rudolf P. Schneider 

Aus sechs vorliegenden Entwürfen entschied sich der Förderverein für eine 155 Zentimeter hohe Trachyt-Figur des Bildhauers Rudolf P. Schneider aus Kreuzberg. Seine Idee und sein Konzept hatte den Förderverein überzeugt, genau diese „Schreitende Madonna“ für die Nische der Pützfelder Marien-Wallfahrtskapelle auszuwählen. Es zeigt eine Madonna mit dem Rosenkranz in ihrer rechten Hand, mit dem sieden Pilger ermuntert, ihr seine Bitte vorzutragen. Diese übermittelt sie dann dem Jesuskind auf ihrem linken Arm, mit der Bitte, die Anliegen zu erfüllen. Die Weltkugel in der Hand des Jesuskindes symbolisiert dabei die Allmacht Gottes. 

Viele Jahre hatten die Mitglieder des Fördervereines Spenden für dieses Projekt gesammelt. Umso größer war die Freude am Morgen des 9. September 2005, als die „fliegende“ Madonna unbeschadet ihren Platz in der Basaltnische mit dem Muschelgewölbe des Westportals gefunden hatte. Als zu schwierig stellten sich die Varianten heraus, die Madonna den Berg hinauf auf das Gerüst und dann in der Nische auszustellen. Die Fliegerstaffel einzusetzen war die Idee des Bildhauers Rudolf P. Schneider.

Die Wallfahrtskapelle von Pützfeld, 2006

„Schreitende Madonna“ von Rudolf P. Schneider über dem Eingang der Wallfahrtskapelle Pützfeld, 2006

So empfängt die schreitende Madonna 325 Jahren nach Erbauung der Wallfahrtskapelle nun ihre Pilger und Besucher. Die Pützfelder Kapelle ist ganzjährig geöffnet. Jeden Dienstagnachmittag findet dort eine Pilgermesse statt. Oft trifft man auf den Verwalter der Kapelle Rudolf M. Thomi, der gerne und ausführlich Auskunft über dieses auch für kunstinteressierten Besucher sehenswerte Kleinod im Ahrtal gibt. Am Patronatsfest Maria Geburt wurde im Jahre 2006 in Pützfeld das 325–jährige Jubiläum der Wallfahrtskapelle mit einem Pontifikalamt gefeiert.

Literatur:

Rudolf M. Thomi (Hrsg.): Festschrift zur 300-Jahr-Feier des Hochaltars der Marien-Wallfahrtskapelle zu Pützfeld 1699 – 1999. Ahrbrück-Pützfeld1999.