Die Adenauer Holzverordnungen und der Bau von Fachwerkhäusern im 17. und 18. Jahrhundert

Die Adenauer Holzverordnungen und der Bau von Fachwerkhäusern im 17. und 18. Jahrhundert

Christiane Hicking

Angesichts der Fachwerkbauten in Adenau, die noch heute auf eine recht konzentrierte Bautätigkeit im 17. und 18. Jahrhundert schließen lassen, ist nur schwer vorstellbar, daß Eichenholz damals knapp war. Dem war aber so, da die Eichen als Bau- und Brennholz dienten und auch Lieferant der für die ansässigen Gerber so wichtigen Lohe waren. Die Verordnungen, die uns im „Bürgerbuch des Flecken Adenaw“ überliefert sind, berichten daher von hohen Strafen bei unbefugter Aneignung des Holzes aus dem Gemeindewald.

Dieses Buch wurde vor 1610 angelegt.^ Hierin wurden bis 1808 besondere Ereignisse notiert, Bürgeraufnahmen bezeugt, Standgelder für die Markttage schriftlich fixiert und Gesetze festgehalten. Dabei sind diese in loser Reihenfolge auf den ersten 19 Blättern niedergeschrieben und dürften aus dem frühen 17. Jahrhundert stammen.2)

Die erste Holzverordnung, die schon das ganze Ausmaß des scheinbar unmöglichen Ringens um den Baumbestand aufzeigt, bezieht sich auf das Verbot, Eicheln aufzulesen.

An anderer Stelle heißt es, „daß niemandt in unser gemeinden buschen holtz sol hawen, zu Müllen raderen“. Offenbar war damit noch nicht einmal die Ausbesserung von Mühlenrädern gewährleistet, denn jeder gefällte Baumstamm schlug mit fünf Mark Strafe zu Buche.

Auch sollte „man niemantz stick holtz zu seinen peschen geben“. Nur das Einzäunen des Hausgartens war erlaubt.

Weiterhin durfte Windwurf ohne Erlaubnis der Verordneten des Fleckens nicht entnommen werden, da man solches „zu nodwendigem bawholtz“ hätte ausweisen können.

Neben dem Schutz des kräftigen Holzes wurde die Unterhaltung von Fachwerkbauten überwacht. Wer sein Haus, Stall, Scheune und andere Nebengebäude verfallen ließ, wurde vom weiteren Erhalt von Bauholz ausgeschlossen. Außerdem wurde Auswärtigen, „die sich alhir bei unß niderlaßen“ wollten, grundsätzlich kein Bauholz ausgehändigt. Es mußten also ganz bestimmte Kriterien erfüllt werden, um ein Anrecht auf Bauholz zu haben. Offensichtlich wurde die Ausgabe des Baumaterials von den Schützen kontrolliert. Sie zeichneten das Holz mit einem „Fundeisen“ und erhielten pro Baumstamm „dreij raderheller, oder sechs schlechten heller“.

Aus den Verordnungen geht nicht explizit hervor. ob das Holz nur gekennzeichnet wurde oder direkt bei Verkauf auch gefälltwurde. Wahrscheinlich war jedoch letzteres der Fall, denn auch für die Holzlagerung gab es Regeln. So wareswegen Fäulnisgefahrverboten, das Holz in der Nähe des Wassers zu lagern. Darüber hinaus durfte „der mark, und an der Straßen, so zwischen den vier portzen“, also der Marktbereich und die Straßen innerhalb des von den vier Pforten begrenzten Ortes, nicht mit Bauholz „bespert, oder belacht“ werden. Sollte es dennoch erforderlich sein. das Bauholz auf dem Markt auszubreiten, so mußte gewährleistet sein, es „auf das lengst in einem monat (zu) verbawen“.

Die Auflagen erscheinen recht streng, vor allem im Vergleich zu Weistümern der Mosellandschaft. wo vielerorts das Baumaterial kostenlos abgegeben wurde.3) Es war dort allerdings an die Bedingung geknüpft, es binnen eines Jahres zu verarbeiten. Daß solche Verfahren nicht auf Adenau übertragbar sind, belegt die Einzeluntersuchung am Haus Hartmann-Romes im Rahmen seiner Translozierung von der oberen Hauptstraße auf den Buttermarkt.

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Teil des Museumsgehöftes Buttermarkt: Haus Hartmann-Romes, Zustand Juli 1989.

Das geräumige, zweigeschossige Fachwerkhaus wies eine datierte Türinschrift in situ auf. die das Baujahr 1702 vermuten ließ. Mit Hilfe der Dendrochronologie wurden die Fälldaten verschiedener originaler: zweifelsfrei erstverwendeter Hölzer ermittelt.4) Auf der rückwärtigen Traufseite wurde für den Rahm oberhalb des ursprünglichen Backofens ein Fälldatum zwischen 1698 und 1702 errechnet, ein Bundständer auf der gleichen Seite im Erdgeschoß -wurde im Spätherbst 1697 gefällt. Ein ähnliches Ergebnis war für einen weiteren Ständer im Erdgeschoß zu erwarten (um oder nach 1697). Das Holz für eine Strebe auf der Eingangsseite wurde im Spätherbst 1698 geschlagen. Als mögliches Datum für ein Kaminholz kam 1699 in Frage, während für die Firstpfette Spätherbst 1699 ausgewertet wurde.

Aus diesen Fälldaten geht hervor, daß der Bauherr spätestens seit Ende des Jahres 1697 mit der Konzeption des dreijochigen Hauses beschäftigt war, wobei ein noch früherer Planungsbeginn nicht ausgeschlossen werden kann. Der uns durch die Inschrift bekannte Bauherr Peter Lehmann war sicher ein wohlhabender Bauer. Er konnte sich einerseits ein großes Haus und andererseits eine lange Bauzeit leisten. Da sein Fränkischer Hof allerdings außerhalb der von den Pforten umgrenzten Bebauung lag, haben wir keine Anhaltspunkte, wo das Baumaterial bis zum Frühjahr 1702 gelagert worden sein könnte. Unter Berücksichtigung der weiler-arti-gen Bebauung entlang der oberen Hauptstraße wäre die Lagerung unmittelbar an der Baustelle denkbar.

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Am Adenauer Markt die Häuser Markt 5 (l.) und Markt 8 (r.)

Bei Häusern am Markt haben wir dagegen dank der Eintragungen im Bürgerbuch eine bessere Vorstellung vom Treiben auf der Baustelle. Das dendrochronologisch untersuchte Holz des Hauses Stein, Markt 8, wies Fälldaten zwischen um 1629 und Frühjahr 1630 auf. Damit konnte auch hier das überlieferte Baujahr 1630 bestätigt werden. Innerhalb kürzester Zeit hatte der reiche und einflußreiche Bauherr Theodor Hütten das Material vom geschoßübergreifenden Ständer bis zum Gefachriegel im Dachgeschoß bezahlen können.

Nun stellen die beiden vorgestellten Gebäude insofern Glücksfälle dar, als hier verschiedene Probenentnahmen zu recht zuverlässigen Ergebnissen geführt haben. Bei anderen untersuchten Bauwerken war der Zugriff auf die originale Substanz nicht in diesem Umfang möglich. Dennoch sind sie einer Erwähnung würdig, weil zumindest Anhaltspunkte für ihre ungefähre Entstehungszeit geliefert werden konnten. Das Fachwerkhaus am Markt 11 wies nach seiner Entkernung nur wenige originale Hölzer auf. Vor allem der Umbau des Hauses um oder kurz nach 1830 hatte die Substanz erheblich verändert. Da außerdem das Dachgeschoß wegen seines schlechten Zustands nicht zugänglich war, verblieb nur noch die Untersuchung des nordöstlichen Bundständers im ersten Obergeschoß. Hier ergab die Kernbohrung das Fälldatum Ende des Jahres 1606. Sicherlich ist diese Jahreszahl nicht mit dem tatsächlichen Baujahr gleichzusetzen. Das um die Jahrhundertmitte als das Lehngut des Johann Pürling erwähnte Haus kann frühestens 1607, wahrscheinlich aber noch später errichtet worden sein.

Einen Terminus post quem lieferten darüber hinaus auch die Häuser am Markt 5 und In der Holl/Hauptstraße 116. Beide wiesen ein zugängliches Dachgeschoß auf. Für Markt 5 wurde das Fälldatum Spätherbst 1640 und für In der Holl/Hauptstraße 116 das Fälldatum 1732 ermittelt. Da keine weiteren zuverlässigen Proben entnommen werden konnten, sind Aussagen über die Konzeptionsdauer nicht möglich. Sicher ist jedoch – und hier helfen die Eintragungen Im Bürgerbuch wieder weiter -, daß erst im dritten Viertel des 18. Jahrhunderts die Holzverordnungen zugunsten einer schnelleren Verarbeitung an der Baustelle geändert wurden.

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Haus Markt 11

Am 19. Februar 1768 wurde von der Gemeinde folgender Beschluß gefaßt: Gekauftes und gefälltes Holz sollte innerhalb von zwölf Wochen aus dem Gemeindewald abgeholt werden, da es sonst an den Meistbietenden weiterverkauft würde. Handelte es sich aber um Holz. das noch nicht gefällt, aber schon als verkauft markiert war, so sollte es stehen bleiben.5)

Mit dieser Gesetzesänderung wurde eine Tradition gebrochen, die offenbar weit ins Mittelalter zurückreichte. So wurden im sog. Burghaus am Buttermarkt, einem massiven Wehr- und Wohnhaus aus dem 15. Jahrhundert, die mächtigen Eichenstämme für die gotischen Polygonalstützen, die darauf ruhenden Unterzüge als auch die Deckenbalkenlagen der gotischen Halle und des Obergeschosses zwischen 1475 und Spätherbst 1480 gefällt, während das Ständerwerk für die Einzelraumgliederung erst um 1496 errichtet worden ist.6)

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Haus In der Holl/Hauptstraße 116

Anmerkungen:

  1. Das JahrderAnlegung des Bürgerbuches das lange als verschollen gall und sich nun im Archiv der Stadtverwaltung Adenau befindet, wurde von Krudewig auf das Jahr 1610 (nacn seiner handschriftlichen Eintragung auf dem Deckblatt) datiert Da aber datierte Eintragungen aus dem Jahr 1608 existieren, trifft ein früherer Zeitpunkt zu.
  2. Die hier aufgeführten Holzverdrdnungen befinden sich auf foi 2r 12r. 13r. 14v 15. 16v und 17r.
  3. B Schmidt’H. Köhren-Jansen.’K Freckmann. Kleine Hausgeschichte der Mosellandschaft, Bd. 1 der Schriftenreihe zu‘ Dendrochrono-logie und Bauforschung. Köln 1989, S, 42
  4. Die Dendrochronoiogie wurde im Oktober 1989 nach der Demontage des Gebäudes vorgenommen
  5. wie Anmerkung 1f, fol. 26v
  6. Im Rahmen einer umfangreichen Hausforschung wurden ‚rr Ju 1990 insgesamt 21 Holzproben mit Befund entnommen.