Die 150-Jahr-Feier des Kreises Ahrweiler

Das 150jährige Bestehen des Kreises Ahrweiler wurde im Heimatjahrbuch 1966 (S. 17—53) geschichtlich eingehend behandelt. Auch brachten die Tageszeitungen (Rhein-Zeitung und Bonner Rundschau) in der Festwoche eine inhaltsreiche und interessante Sondernummer heraus.

Die Bedeutung des 150jährigen Jubiläums wurde besonders aber durch cm eindrucksvolles Fest im großen Saal des Kurhauses in Bad Neuenahr dokumentarisch dargelegt.

Die erhebende Feier im gefüllten Kurhaussaal hatte nachstehendes Programm: Carl Maria von Weber: Ouvertüre zur Oper „Euryanthe“

Kurorchester Bad Neuenahr, Leitung: Konzertmeister Heinz Rennen

Begrüßungsansprache: Landrat Korbach

Johann Gottfried Herder: Aus „Briefe zur Beförderung der Humanität“

Pestansprache: Professor Dr. Schnur, Ruhr-Universität Bochum „Die Funktionen der Landkreise in Vergangenheit und Zukunft“

Karl Freiherr vom Stein: Aus der „Nassauer Denkschrift“

Grußworte: Regierungspräsident Dr. Schmitt, Koblenz, Bürgermeister Helfmann, Ahrweiler

Adam Gumpelzhaimer: „Lob Gott getrost mit Singen“

Chor des Are-Gymnasiums Bad Neuenahr, Leitung: Oberstudienrat Hans-Wilhelm Seebass

Festakt im Kurhaus Bad Neuenahr
Foto: Walter Vollrath

Gruß des Regierungspräsidenten

Der Kreis Ahrweiler feiert in diesen Tagen sein 150jä’hriges Bestehen. Ans einem Verwaltungsbezirk — weitgehend in Grenzen aus napoleonischer Zeit, die eine Vielzahl von Herrschaften beseitigt hatte —, ist vor allem in jüngster Zeit eine mit zahlreichen Aufgaben für ihre Einwohner betraute Gebietskörperschaft geworden. Hinter dieser sachlichen Feststellung verbergen sich grundlegende Wandlungen im öffentlichen Leben, ebenso wie im Leben des einzelnen, denen in einer Mußestunde nachzugehen es sich lohnen würde. Aus vielerlei Veröffentlichungen zu diesem Jubiläum ersehen wir, in welchem Ausmaße unsere Ansprüche gestiegen sind, auch an die öffentliche Hand. So ist es zwangsläufig, wenn neben die Gemeinden in immer stärkerem Umfang der Kreis als Träger öffentlicher Aufgaben tritt.

Und wenn angesichts all der einer Lösung harrenden Fragen die Besorgnis aufkommen sollte, ob sie zu bewältigen sein werden, dann mag uns allen ein Blick auf das in den vergangenen eineinhalb Jahrhunderten Geleistete die Zuversicht geben, daß die leidenschaftslose sachbezogene Zusammenarbeit aller Bürger auch in Zukunft die anstehenden Probleme zum Wohle der Allgemeinheit lösen wird. Dazu bedarf es neben dem Kreisbewußtsein der Bewohner der Eifel und der Täler von Rhein und Ahr nur des rechten Gemeinsinns, der um die Verantwortung aller für das Geschick des Kreises Ahrweiler weiß. So wünsche ich unserem so reizvollen Kreis Ahrweiler in dieser bedeutungsvollen Stunde auch fernerhin eine echte Verbundenheit mit seinen Bewohnern und diesen eine glückhafte Zukunft in Frieden und Freiheit!

Dr. Walter Schmitt Regierungspräsident

Landrat Korbach schrieb zum Festtage:
Ein Landkreis mit Zukunft

Jede richtig verstandene Entwicklungspolitik hat zum Ziel, gesunden Lebensraum für alle zu schaffen; für jeden Menschen muß genügend Raum vorhanden sein, in dem er Arbeit, Wohnung und Erholung finden kann. Unser Ahrkreis hat zwar genügend Raum, aber es stellt sich die Frage, ob dieser Raum m dem vorbezeichneten Sinne geordnet ist.

Die Entwicklung der letzten 15Ü Jahre hat zu einer Strukturveränderung geführt; dieser Veränderungsprozeß ist noch nicht zum Abschluß gekommen, und alle Beteiligten müssen gemeinsam daran arbeiten, diesen Strukturwandel in eine Strukturverbesserung umzumünzen. In diesen 150 Jahren hat die Entwicklung von einer handwerklich orientierten Agrargesellschaft zu einer Industriegesellschaft geführt. Als Folge dieses Entwicklungsprozesses zogen viele Menschen in die Städte, um in den Großbetrieben ihren Lebensunterhalt zu finden. Es entstanden große Ballungsräume, wie etwa das Ruhrgebiet oder das Rhein-Main-Gebiet. Diese Verdichtungsgebiete nehmen zwar nur 13 Prozent der Gesamtfläche ein, in ihnen wohnen aber 43 Prozent der Bevölkerung und sie stellen 70 Prozent der gesamten Wirtschafts- und Finanzkraft. Hier liegt das Kernproblem unserer gesamten Raum-ordnungs- und Planungspolitik. Projizieren wir dieses Bild auf den Kreis Ahrweiler, so stellen wir auch hier ähnliche Tendenzen fest. Im Jahre 1816 hatten wir 34000 Einwohner, bis heute ist diese Zahl auf 90000 angewachsen und sie steigt weiter an. Im östlichen Teil unseres Kreises ist zwar noch keine Verdichtung im eigentlichen Sinne zu erkennen, aber die Entwicklung weist in diese Richtung, wenn man das Rheintal und das untere Ahrtal mit dem Raum Adenau-Antweiler vergleicht: Die großen Arbeitszentren unseres Kreises liegen im Rheintal und an der unteren Ahr; in den Ämtern Bad Neuenahr und Remagen leben über 400 Menschen auf dem qkm, in der Stadt Ahrweiler 382 pro qkm und in den Ämtern Sinzig und Bad Niederbreisig über 200 Menschen pro qkm. Dagegen haben die Ämter Altenahr und Adenau nur ungefähr 60 Menschen, auf jedem qkm und das Amt Antweiler sogar nur 39.

Hier setzen alle Überlegungen und Anstrengungen unserer Strukturpolitik ein. Auf Bundesebene ist das Bundesraumordnungsgesetz geschaffen worden, um die Umrisse dieser Ziele abzustecken. Wir hoffen, daß der Landtag von Rheinland-Pfalz in Kürze das Landesplanungsgesetz verabschieden wird. Bereits auf freiwilliger Basis haben sich im Lande Rheinland-Pfalz mehrere Regionen zu Planugsgemeinschaften zusammengeschlossen.

v. L: Landrat Korbach, Landrat a. D. Urbanus, Staatssekretär Dr. Broicher, Reg.-Präs. Dr. Schmitt
Foto: Walter Vollrath

Strukturpolitik

Der Kreistag hat am 27. August 1965 beschlossen, mit dem gesamten Kreisgebiet der Region Mittelrhein beizutreten. Im Rahmen der Arbeit für die Landesplanungsgemeinschaft Mittelrhein erstellt Professor Dr. Hansmeyer mit seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern ein Raumordnungsgutachten auch für den Kreis Ahrweiler, um die raumwirksamen Faktoren zunächst einmal festzustellen und daraus Folgerungen für Unter-Stützungsaktionen zu ziehen. Darüber hinaus hat der Landkreis Ahrweiler Dr. Isbary, einen bekannten Fachmann auf diesem Gebiete, gebeten, ein Spezialgutachten für den Kreis Ahrweiler zu erstellen und insbesondere unsere Beziehungen zum Bonn-Kölner Wirtschaftsraum und dem Industrieraum Siegen zu ergründen.

Eine Aktion der Kräfte

Eine wirksame Strukturverbesserung kann allerdings nicht nur das Gebiet der Wirtschaftsförderung umfassen, sondern sie muß in demselben Umfange Sanierungsmaßnahmen auf den Gebieten der Verkehrserschließung, der Ver- und Entsorgung, des Bildungs- und Kulturwesens, des Sozialwesens und der Jugend- und Gesundheitsfürsorge enthalten.

Betrachtet man einige dieser Fachplanungsgebiete, so wird erkennbar, daß unser Kreis Ahrweiler eine hoffnungsvolle Entwicklung genommen hat.

Pluspunkte

Diese läßt sich in hervorragender Weise aus der Steigerungsrate des Bruttoinlandproduktes ablesen; die Bundesrepublik hatte eine Steigerungsrate von 44,8 Prozent, das Land Rheinland-Pfalz von 39,8 Prozent und der Kreis Ahrweiler von 54 Prozent. Indessen sind die Beiträge, die die einzelnen Wirtschaftszweige unseres Kreises dazu leisten, sehr unterschiedlich und führen uns wieder an das Problem der Strukturverbesserung heran. In der Land- und Forstwirtschaft ist der Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt infolge der ungünstigen natürlichen und strukturellen Verhältnisse seit 1957 mit 30 Mill. Mark auf 27 Mill. Mark im Jahre 1961 abgesunken, während er in allen übrigen Bereichen erheblich gestiegen ist; die Verbrauchsgüterindustrie steht an der Spitze mit einer Steigerung von 93 Mill. Mark im Jahre 1957 auf 167 Mill. Mark im Jahre 1961; ihr folgen in demselben Zeitraum das Dienstleistungsgewerbe mit einer Erhöhung von 60 Mill. auf 93 Mill. Mark und Handel und Verkehr von 48 auf 69 Mill. Mark. Hinzu kommt noch, daß eine regionale Aufteilung dieser Strukturdaten ergibt, daß sich das Wirtschaftswachstum überwiegend auf das östliche Ahrtal beschränkt.

Dieses Problem wird aber auch dadurch noch vielschichtiger und umfangreicher, daß zahlreiche Arbeitskräfte einer Beschäftigung außerhalb des Kreises nachgehen; der Überschuß dieser sogenannten Auspendler steigerte sich von 1950 bis 1961 von 1137 auf 3443 Personen.

Den Ausgleich suchen . . .

Im Vordergrund unserer Überlegungen, die Struktur unseres Ahrkreises weiter zu verbessern und insbesondere einen gesunden Ausgleich zwischen den einzelnen Teilgebieten zu schaffen, steht der Ausbau zentraler Orte, die Unterstützung der Landwirtschaft, die Förderung des Fremdenverkehrs, die Ansiedlung industrieller Klein- und Mittelbetriebe, die Verbesserung der Verkehrserschließung, die Wasserversorgung und die Müll- und Abwasserbeseitigung.

Bewältigung des Verkehrs

Eine viel diskutierte Frage ist die der Verkehrserschließung. In der Zunahme des Kraftfahrzeugbestandes nehmen wir ebenfalls eine Spitzenposition ein. Im Jahre 1965 hatten wir im Kreise Ahrweiler 21 287 Kraftfahrzeuge gegenüber 1954, wo es nur 8231 waren; das entspricht einer Zahl von 215 Kraftfahrzeugen je 1000 Einwohner, im Vergleich dazu hat Rheinland-Pfalz nur 209 Kraftfahrzeuge pro 1000 Einwohner. Wir stehen also hier vor einer zweifachen Aufgabe: Mit dieser stürmischen Entwicklung Schritt zu halten und zusätzlich eine Verkehrserschließung zur Hebung der Wirtschaftsstruktur zu erreichen.

Einen wesentlichen Fortschritt in der Erschließung des östlichen Kreisgebietes werden wir in absehbarer Zeit dadurch erhalten, daß die B 257 von Bonn her über Meckenheim bis Gelsdorf und in einer Maßnahme die B 400 bis Lantershofen ausgebaut werden, um dann auf der vierspurig geplanten B 266 bis Sinzig durchzuführen. Wenn dann gleichzeitig die B 9 über Remagen hinaus vierspurig befahren wird, ist der Anschluß des östlichen Kreisgebietes an den Köln-Bonner Wirtschaftsraum gewährleistet.

Der Nord-Süd-Strom . . .

Ebenfalls wird die Anbindung des Kreisgebietes an die im Norden und Süden gelegenen Wirtschaftsräume dadurch erheblich gefördert, daß die B 400 — die von Norden nach Süden unser Kreisgebiet östlich von Bad Neuenahr durchschneiden wird — in den 3. Vierjahresplan des Bundesverkehrsministeriums auf genommen worden ist.

. . . und in West-Ost

Trotz dieser hoffnungsvollen Planungen muß aber noch eine leistungsfähige Verkehrsverbindung zu der stark befahrenen rechtsrheinischen B 42 und der Autobahn Köln-Frankfurt gefunden werden. Diese Verbindung ist allerdings nur über eine Rheinbrücke im Räume Remagen-Sinzig herzustellen; auch hier hoffen wir, daß die gutachtlichen Überlegungen und Planungen in nicht allzu ferner Zukunft die gewünschte Entscheidung bringen werden.

Die Eifel öffnen

Die Verkehrserschließung des Raumes Adenau-Antweiler bedarf indessen einer grundlegenden Verbesserung. Die ständig verbesserte Ahrtalstraße, die B 257, wird ihren Charakter als Touristenstraße beibehalten, so daß eine andere Erschließung dieses Gebietes gefunden werden muß. Es bietet sich insofern die gut ausgebaute Europastraße 42 an, die über die B 258 von Wiesemscheid über Dorsel bei Blankenheim zu erreichen ist und einen günstigen Anschluß nach Norden zur Autobahn Köln-Aachen bringt. Im Südosten muß ein Anschluß des Raumes Adenau-Antweiler über die B 258a über Kempenich an die geplante B 400 geschaffen werden. Mit derartigen Verbindungen könnte die als Voraussetzung für eine Struktur Verbesserung unbedingt notwendige Verkehrserschließung dieses bisher wirtschaftlich schwachen Raumes angereichert werden.

Ein gastlicher Kreis

Ein wesentlicher Faktor, der zur Sanierung unseres Kreisgebietes beigetragen hat und auch in Zukunft in verstärktem Maße beitragen wird, ist der Fremdenverkehr. Im Ahrkreis haben wir 21 Gemeinden, die als Fremdenverkehrsorte anerkannt sind; die Übernachtungsziffern sind in den letzten Jahren erfreulich stark angestiegen. Der Fremdenverkehr, der im Rhein- und Ahrtal bereits eine lange Tradition hat, muß auch im Eifelgebiet weiter gefördert werden. Der Kreis hat daher erstmals im Jahre 1965 Gelder bereitgestellt, um die Einrichtung zusätzlicher Fremdenzimmer in Privathäusern zu fördern und die private Initiative zu unterstützen. Noch in diesem Jahre sollen Zinszuschüsse für den Ausbau ländlicher Gasthäuser gewährt werden. Es wird angestrebt, den Erholung suchenden Menschen aus den nahen Großstädten gute Übernachtungsmöglichkeiten, Gasthäuser und Cafes in ausreichender Zahl auch im Eifelraum anzubieten.

Gewerbeansiedlung

Indessen darf der Fremdenverkehr nicht der einzige Ausweg zur Verbesserung unserer Wirtschaftsstruktur bleiben. Es müssen Mittel und Wege gesucht werden, um industrielle Mittel- und Kleinbetriebe in zentralen Orten anzusiedeln, damit die Einwohner unseres Kreises genügend Arbeitsplätze auch in der Nähe ihrer Wohnung haben.

Prof. Dr. Schnur

Maßnahmen der Hygiene

Schließlich gehört die Versorgung mit Energie und die Beseitigung von Abwässern und Müll zu einem gesunden Lebensraum im Sinne der aufgezeigten Strukturpolitik. Man kann wohl mit Recht sagen, daß unser Kreisgebiet mit elektrischer Energie durch das RWE zufriedenstellend versorgt wird.

Die Wasserversorgung dagegen ist insbesondere im Hinblick auf einen zukünftigen erhöhten Bedarf nicht in genügendem Umfange gegeben. Es sind seitens der Kreisverwaltung Vorplanungen eingeleitet worden, um die Wasserversorgung auf der Grundlage einer großräumigen Verbundwirtschaft aus den reichhaltigen Wasservorkommen. der oberen Eifelgebiete und der Rheinniederung auch für die Zukunft sicherzustellen.

Auch das Problem der Abwasserbeseitigung läßt sich durch Zusammenschlüsse mehrerer Gemeinden technisch und wirtschaftlich besser lösen. Die im Bau befindliche Kläranlage Sinzig wird noch im Laufe dieses Jahres betriebsfertig sein, so daß sich die Abwasserverhältnisse zunächst im unteren Ahrkreis hervorragend gestalten werden. Eine nicht zuletzt wegen der damit verbundenen hohen Kosten sehr schwierige Frage ist die der Müllbeseitigung. Auch hier sind die Erstellung von Gutachten und Planungen in vollem Gange. Es stehen zwei Möglichkeiten zur Diskussion, einmal der Bau einer eigenen Müllverbrennungs- bzw. Kompostierungsanlage auf Kreisebene, zum anderen der Anschluß an bereits bestehende oder geplante große Anlagen außerhalb des Kreisgebietes, zu denen der Müll mit modernen Transportmitteln im Vergleich zum Bau einer eigenen Anlage verhältnismäßig preisgünstig herangeschafft werden könnte. Besondere Berücksichtigung muß bei diesen Planungen die Frage finden, wie der etwa zu Kompost verarbeitete Müll der Landwirtschaft unseres Kreises zugeführt und als Düngemittel nutzbar gemacht werden kann.

Dank an die Väter

Wenn wir die Struktur des Landkreises Ahrweiler im Wandel der letzten 150 Jahre überblicken, so dürfen wir mit Stolz und Anerkennung für die Generationen, die vor uns hier gewirkt und gelebt haben, sagen, daß sie den Grundstein dafür gelegt haben, unseren Kreis aus seiner sozialen und wirtschaftlichen. Grenzsituation vollends herauszuführen. Wir dürfen aber angesichts der vorhandenen ungelösten Probleme nicht ruhen, in Gemeinschaftsarbeit aller dieses Werk fortzusetzen, um das lohnende Ziel, einen gesunden Lebensraum für alle zu schaffen, auch in unserem Ahrkreis zu erreichen.

Heinz Korbach
Landrat des Kreises Ahrweiler

Festansprache von Prof. Dr. Roman Schnur

(Ruhruniversität Bochum)

Aus Anlaß der 150-Jahr-Feier im Saal des Kurhauses hielt Professor Dr. Roman Schnur von der Ruhr-Universität Bochum die Festansprache. Sein Thema lautete „Die Funktionen der Landkreise in Vergangenheit und Zukunft“. In diesem Zusammenhang meinte der Referent, daß der geschichtliche Rückblick die Kraft verleihe, die gegenwärtigen und auch die zukünftigen Aufgaben zu meistern.

Der Redner führte zu Beginn aus, daß der Landkreis allein schon deshalb erhalten werden müsse, weil er eine Einrichtung des politischen Lebens und der gesamten Verwaltungsorganisation des Gemeinwesens sei, der durch keine andere Behördenorganisation ersetzt werden könne. Die kommunale Selbstverwaltung sei noch nicht an der Grenze ihrer Leistung angekommen. Die Steigerung der Leistung sei nur durch größere, Differenzierung des politischen Systems möglich. Das französische Beispiel zeige, daß eine kommunale Selbstverwaltung nur gewinnen könne. Der Referent betonte, man dürfe heute den Blick nicht nur auf die neuartigen Aufgaben richten, denn das wäre zu einseitig, auch auf die klassischen Aufgaben, die sich allerdings zum Teil gewandelt hätten. Der Unterschied zwischen Stadt und Land sei heutzutage bei weitem nicht mehr so gravierend wie vor einigen Jahren, die Bevölkerung der Landgemeinden erhebe weit größere Ansprüche. Teilweise könne man sogar von einer Verstädterung des Landes sprechen. Drei Aufgaben müsse man als vordringlich bezeichnen: erstens die übergemeindliche, die an Umfang zugenommen habe, da die Technisierung großräumige Zusammenhänge geschaffen habe, zweitens die ergänzende, die voraussetze, daß die Gemeinden ihre Aufgaben selbst erledigten, was allerdings manchmal über deren Kräfte gehe, so daß der Landkreis helfend (Krankenhäuser, Schulen, Heime, Energieversorgung usw.) eingreifen müsse, schließlich die ausgleichende, bei der der Gemeinde helfende Unterstützung finanzieller Art durch den Landkreis zuteil werde, um die Aufgaben in eigener Regie, das heißt in eigener Selbstverwaltung, zu erfüllen.

Das Verwaltungsproblem sei nicht vorwiegend ein finanzielles Problem. Die Stärkung der Verwaltungskraft sei mindestens ebenso wichtig.

Es lohne sich aber nicht, kleine Einzelheiten mit hochqualifizierten Fachkräften zu besetzen. Es gehe z. B. nicht an, eine einklassige Volksschule in eine achtklassige mit nur je vier oder fünf Schülern zu verwandeln, außerdem wären dazu wieder mehr Lehrkräfte vormöten. Die Aufgabensubstanz kommunaler Selbstverwaltung müsse nicht angegriffen werden, ihre Lösung liege in der Großräumigkeit, den größeren Einheiten.

Foto: Walter Vollrath
v. I.: Kreisausschußmitglieder Sohn und Frömbgen, Bürgermeister Bauer-Bodendorf

Der sicherste Fortschritt sei es, das betonte Prof. Dr. Schnur, die bewährte Form so weit zu ändern, wie es die neue Aufgabenstellung erfordere. Das bisherige System müsse beibehalten werden, aber in manchen Dingen könne es den Verhältnissen von heute und morgen angepaßt werden.

Sind wir bereit, den Preis für den Fortschritt zu zahlen? Diese Frage ließ der Redner zum Abschluß anklingen. Sie betreffe das gesamte öffentliche Leben. Man dürfe den Schwierigkeiten nicht aus dem Wege gehen, sonst sei die gesamte lebensnotwendige Idee der kommunalen Selbstverwaltung zum Scheitern verurteilt. Die Existenz des gesamten Landkreises als Institution sei gesichert, deshalb habe auch der Kreis Ahrweiler eine gute und lange Zukunft. Unser Kreisjahrbuch 1967 hält diese Gedanken fest:

Den Lebenden zum Gedächtnis, dem künftigen Geschlechte, das im Jahre 2016 die 200-Jahr-Feier begehen wird, zur Nachahmung.