Dernau in den zwanziger Jahren
Hermann Paetz
Das Weindorf Dernau um 1920 Foto: Archiv
Bei Betrachtung eines Schultotos aus den zwanziger Jahren mußte ich daran denken, was sich seit dieser Zeit alles geändert hat: Brauchtum, Dorfbild, Arbeitswelt, Vereinsleben.
Wir Kinder beteten damals, wenn jemand gestorben war, die sieben Fußfälle. Unser Weg führte zu sechs Heiligenhäuschen und zu einem in eine Wand eingelassenen Basaltkreuz. An jeder Station beteten wir ein Zehnchen des Rosenkranzes für die Seelenruhe des Verstorbenen. Dann zogen wir in das Trauerhaus und wurden in das Sterbezimmer geführt, wo wir den oder die Verstorbene sehen konnten. Manchmal bekamen wir ein paar Groschen, ehe wir das Haus verließen. Die Totenwacht wurde damals noch von den Erwachsenen abends in den Häusern gehalten.
In den Kartagen „flogen die Glocken nach Rom“. Dann riefen wir die Einwohner mit Klappern und Rasseln zu den Gottesdiensten. Am Ostermorgen wurde „der Judas ausgetrieben“. Dabei ging eine Prozession dreimal um die Kirche und jedesmal klopfte der Pfarrer mit dem Kreuz an die Kirchentür, die sich dann beim dritten Mal öffnete.
Der Gemeindevorsteher, heute heißt er Ortsbürgermeister, hatte keinen Gemeindediener. Wenn er etwas bekanntmachen wollte, ging er selbst mit der Gemeindeschelle durch das Dorf und las an verschiedenen Stellen die Bekanntmachung vor.
Die Landstraße, heute Bundesstraße, hatte einen Kleinbasaltbelag. Auf ihr verkehrten Kutschwagen und Radfahrer, ein Auto sah man selten. Von Dernau nach Rech standen auf beiden Seiten Obstbäume. An der Einmündung der heutigen Bonner Straße, in der Nähe des Bahnhofs, standen vier große Walnußbäume.
Im Ort waren nur die Teichgasse, Eulengasse und Kirchgasse, heute Haupt- und Bachstraße, gepflastert, die anderen Straßen und Gassen nicht. Die Bäche waren noch offen und nicht verrohrt. Eine Wasserleitung gab es nicht, Wasch- und Trinkwasser spendeten Brunnen und Pumpen.
Viele Kühe und Ziegen waren hier, auch einige Pferde und mehrere Esel. Das Getreide wurde vielfach mit dem Flegel gedroschen, was sich erst änderte, als eine Dreschmaschine angeschafft war. Der Mist wurde mit Holzkiepen in die Weinberge getragen. Das Mahlen der Trauben geschah in Handarbeit. An der Mühle war ein großes Rad mit langem Griff, da zum Mahlen zwei Männer erforderlich waren, wenn die Mühle randvoll gefüllt war.
In Dernau gab es nur Hausgeburten und dazu rief man die Hebamme. Einen Kindergarten kannte man nicht, aber die Spielmöglichkeiten der Kinder auf den Straßen waren größer als heute.
An kulturellen Veranstaltungen war kein Mangel. Der M.G.V. Loreley gab Konzerte zwischen Neujahr und Ostern und der Theaterverein Eintracht spielte am 2. Weihnachtstag. Fastnachtsonntag und in der Fastenzeit. Die Tanzveranstaltungen beschränkten sich auf Sylvester. Fastnachtsmontag und -dienstag. Ostermontag, Maikirmes (1 Tag), Pfingstmontag und Martinikirmes (3 Tage).
Das war Dernau in den zwanziger Jahren.